Seligsprechungsverfahren Carl Lampert: Veronika Fehle hat fürs KirchenBlatt nachgefragt.

zu: In vier Stufen zur Seligsprechung

Carl Lampert hätte es leichter haben können. Er hätte dafür nur sich und seine Überzeugung verraten müssen. Nun tritt in Rom die Heiligsprechungskongregation zusammen und ein Ende des Seligsprechungsprozesses um Carl Lampert rückt in immer greifbarere Nähe.

Vier Worte, die eine ganze Welt umfassen. Geschrieben am 13. November 1944. In Halle an der Saale. In einer Zelle. Allein. „Nun ruft mich Gott“.

Carlo bello, rief man ihn, wenn er gerade wieder um die Ecke gebogen war – knapp noch in Hörweite. Und ja, Carlo bello - der schöne Carl - war er ja auch. Die Frisur perfekt, die Kleidung korrekt, der Gang sicher und aufrecht, der Verstand messerscharf. Ein Bild von einem Mann. Er hätte es leicht haben können. Während seiner Verhöre, noch im Zuchthaus, wurde ihm mehrmals angeboten, den Priesterstand hinter sich zu lassen: „Heiraten Sie, zeugen Sie Kinder, tun Sie etwas fürs Vaterland.“ Überleben Sie, werden Sie glücklich, ist man versucht zu ergänzen. Aber Carl Lampert lehnte ab. Mit einem schlichten „Nein“.

Es gibt Lebensläufe, die lassen sich kurz und bündig fassen. Meist beginnt man mit dem Geburtsdatum. Es sind ordentliche Lebensläufe. Alles so, wie es sich gehört.
Und dann gibt es Lebensläufe, die sind gebrochen. Die Bruchlinien sind es, an denen sich ein Mensch entscheiden muss und hier beginnt es, interessant zu werden.

Gegen das Unrecht
Carl Lampert zum Beispiel wurde am 9. Jänner 1894 in Göfis geboren. Zur Volksschule ging er mit seinen Nachbarskindern. Dass er das Gymnasium in Feldkirch besuchte, zeichnete ihn vielleicht schon etwas aus. Da war man doch irgendwie besonders. Theologiestudium in Brixen, Priesterweihe ebendort, Primiz in Göfis. Alles im Rahmen. Dass der Göfner dann „Karriere“ machte, das Kirchengericht in Innsbruck aufbaute und schließlich zum Generalvikar in Tirol ernannt wurde, überraschte nicht sonderlich.
Bis hier her liest sich die Vita Carl Lamperts als einer dieser geradlinigen Lebensläufe. Und dann zeichnet sich ein Bruch ab. Der Zweite Weltkrieg bahnt sich an. Carl Lampert spielt nicht mit, sperrt sich gegen die Schließung von Klöstern, gegen Unrecht, gegen Verfolgung und Lüge und besteht darauf, dass in der Todesanzeige für Pfarrer Otto Neururer der Todesort angeführt wird - Weimar/Buchenwald. Alle, die es sehen wollten, sahen es. Die meisten werden es wohl überlesen haben. Aber sie standen da, die Worte Weimar/Buchenwald. Carl Lampert hatte darauf bestanden. Ein Fehler – vielleicht. Vielleicht aber auch das einzig Richtige.

Gewissensentscheidungen
„Gauleiter Hofer hatte dem Führer ja versprochen, dass er ihm ein kirchenfreies Tirol und Vorarlberg zum Geburtstag schenken werde. Ein schönes Geschenk. Das System wartete jetzt nur noch auf Anlässe, die ihm die Möglichkeit gaben, seine Muskeln spielen zu lassen. Provikar Lamperts Eintreten für die Menschen, für die Wahrheit und für die Kirche war ein solcher Anlass. Die Todesanzeige erschien und für jeden, der es wissen wollte, war klar, dass ein Mensch, der in Buchenwald gestorben ist, ermordet wurde. Es war auch jedem, der nicht nach den Regeln des Systems spielte, klar, dass er binnen weniger Tage vor der Gestapo stehen wird. Da war sehr viel Angst und gleichzeitig sehr viel Mut“, schlägt Dr. Walter Juen die Unterlagen zur Seligsprechung Carl Lamperts auf und taucht damit ein in eine Zeit, in der Gewissensentscheidungen lebensgefährlich waren und gerade deshalb umso drängender. Carl Lampert hat eine solche Gewissensentscheidung getroffen.

gfängnistrakt halle
Gefängnistrakt des "Roten Ochsen" in Halle an der Saale

Motor des Verfahrens
Wollte man die Beweisaufnahme zum Seligsprechungsverfahren mit dem Maßband  messen, dann füllt sie heute rund fünf Meter an Büroraum. In Zahlen sind das 34 Ordner, fünf Fotoordner, unzählige Video- und Tonbandaufnahmen, Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge und und und. In Zeiteinheiten, in der Arbeit, die Pater Gaudentius und Dr. Richard Gohm in die Sammlung der Beweise investierten, ist die Seligsprechung Carl Lamperts kaum noch zu fassen. Pater Gaudentius und Dr. Richard Gohm, betont Juen, waren stets der Motor hinter dem Verfahren, dessen Ende nun schon in greifbare Nähe gerückt ist. In nächster Zeit tritt die Heiligsprechungskongregation in Rom zusammen. Auf der Tagesordnung steht u. a. auch der Entscheid über Carl Lampert, sein Leben und Sterben für den Glauben, sein Eintreten für die Wahrheit und sein Martyrium im Schatten des Nationalsozialismus. „1998, als ich mit der Betreuung des Seligsprechungsverfahrens beauftragt wurde, merkte ich, wie sich bei mir wiederholte, wovon Pater Gaudentius berichtete."

"Je mehr man sich mit der Person Carl Lampert auseinandersetzt, umso faszinierender wird er“, erinnert sich Dr. Juen. Faszinierend in dem Sinn, als dass man es hier mit einem Menschen zu tun bekommt, der sich der Wahrheit verpflichtet sah, der für seinen Glauben eintrat und davon auch nicht einen Millimeter abrückte, weil es ihm sein Gewissen einfach nicht erlaubte. Damit wird Carl Lampert nicht zu einer Figur, die eben irgendwann während des Zweiten Weltkriegs getötet worden ist, sondern zu einem sehr heutigen Vorbild. Juen: „Es ist meine feste Überzeugung, dass wir die Zukunft nicht gut gestalten können, wenn wir nicht aus der Vergangenheit lernen. Für mich ist das eine Ellipse mit zwei Brennpunkten, zwischen denen wir unaufhörlich pendeln.“ Mut, Überzeugung, Gewissen, Menschlichkeit sind Signalwörter, die uns die Vergangenheit hier mit auf den Weg in die Zukunft gibt.

„Nun ruft mich Gott“
Provikar Carl Lampert wurde am 13. November 1944 in Halle an der Saale hingerichtet. Er hätte es leichter haben können. Er hätte überleben können. Er hätte dafür nur seine Überzeugung verraten müssen. Er hätte nur bestätigen müssen, dass das große Morden, die Verfolgung, die Denunziation, der Hass gerechtfertigt sind. Er hätte ja nur zu sagen brauchen: Ich glaube an den Führer.
Stattdessen schreibt er vier Worte: „Nun ruft mich Gott.“
Veronika Fehle

Hintergrund

Juen Walter

Dr. Walter H. Juen
begleitete das Seligsprechungsverfahren
um Carl Lampert.

In vier Stufen zur Seligsprechung

Ein Seligsprechungsverfahren gliedert sich in vier Stufen.

Die erste Stufe umfasst die grundsätzliche Sondierung der Dokumente und Zeugnisse, die auf ein heiligmäßiges Leben  bzw. auf ein Martyrium schließen lassen.
Die zweite Stufe beginnt mit der offiziellen Beweisaufnahme in der antragstellenden Diözese.
Daran schließt sich mit der Überprüfung dieser Erhebungen in der Kongregation die dritte Stufe an. Die Positio, die kompakte Zusammenfassung der Beweisaufnahme, umfasst im Falle Carl Lamperts mehr als 1000 Seiten.
In einem nächsten Schritt werden die Unterlagen acht Sachverständigen vorgelegt, die aus historischer und theologischer Sicht hinterfragen, ob tatsächlich, wie bei Carl Lampert, ein Martyrium vorliegt. Um „Mauscheleien“ auszuschließen, werden die Sachverständigen von der Heiligsprechungskongregation in Rom nach strengen Kriterien ausgewählt. So werden in der Regel Männer und Frauen zur Prüfung bestellt, die der antragstellenden Diözese fern stehen.

Ist diese Hürde genommen, steht der Seligzusprechende in der Heiligsprechungskongregation zur Diskussion. Das Votum der Kardinäle wird schließlich an den Papst weitergereicht, der deren Empfehlung bestätigen bzw. auch ablehnen kann. Im Falle eines positiven Bescheids erfolgt schließlich die Seligsprechungsfeier in der antragstellenden Diözese mit der Erhebung des Seligen zur Ehre der Altäre.

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(aus KirchenBlatt Nr. 24 vom 19. Juni 2011)