Gemeinsam mit 879 Projektpartnern in insgesamt 70 Ländern hat die Non-profit-Organisation Oikocredit ein Kreditportfolio von 465 Millionen Euro aufgelegt, das von insgesamt 43.000 Menschen zur Verfügung gestellt wird. Das KirchenBlatt sprach mit der Vorarlbergerin Birgit Entner, die sich in Wien für Oikocredit engagiert.

Wolfgang Ölz

Oikocredit arbeitet vorbei am gängigen Wirtschaftssystem indem Mikrofinanzinstitutionen, die in den Armutsgebieten dieser Welt tätig sind, refinanziert werden. Die Menschen, die von diesen Institutionen einen Kredit bekommen, leben oft unter der Armutsgrenze und werden im konventionellen Finanzsystem als „nicht-kreditwürdig“ eingestuft. Hier springen die Oikocredit-Partnerorganisationen  mit Mikrokrediten ein, und helfen damit, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Ein wichtiges Einsatzgebiet liegt dabei auf dem Land, wo es normalerweise kaum Zugang zu Bankdienstleistungen wie Krediten, Sparkonten oder Versicherungen gibt.

100 Vorarlberger/innen sind beteiligt
Oikocredit war von der Wirtschaftskrise 2008/09 nicht betroffen, im Gegenteil. Birgit Entner sagt: „Die Rückzahlungen funktionieren. Hier in Österreich sind wir in den vergangenen zwei Jahren sogar enorm gewachsen. Ein Bewusstsein, wohin das veranlagte Geld überhaupt fließt, ist auch entstanden. Österreichweit sind mehr als 2500 Personen mit insgesamt 28,5 Millionen Euro an der Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit beteiligt. Dazu zählen auch rund 100 Vorarlberger und Vorarlbergerinnen.“

2% Dividende und jährlich 15 Euro Mitgliedsbeitrag
Eine Investition bei Oikocredit ist keine Spende. Oikocredit bietet ein sozial nachhaltiges Investment. Birgit Entner: „Das veranlagte Geld ist zeitlich nicht gebunden, wir weisen jedoch immer darauf hin, dass es um den sozialen Gedanken geht und eineinhalb bis zwei Jahre vorgesehen werden sollten, damit die Investition vor Ort auch etwas bewirken kann. Die jährliche Dividende beträgt in der Regel zwei Prozent, der Mitgliedsbeitrag 15 Euro, das ist alles.“ Birgit Entner besuchte in Tansania die Gemüsehändlerin Amina Juma Mnyambi, die mit 75 Euro Startkapital ihr Geschäft aufbaute. Heute besitzt sie neben dem Gemüsestand einen Fuhrpark von Mietfahrrädern und kann gut davon leben. Birgit Entner schätzt die professionelle Arbeit bei Oikocredit, und „lernt hier noch viel für ihr Leben“, wie sie überzeugt ist.

Eine Organisation für Fairness in der Wirtschaft

Oikocredit finanziert Mikro- und Projektkredite für Entwicklung. Mit Beratungsdienstleistungen, fairen Zinssätzen und der Vergabe von Krediten in Landeswährung versucht die Organisation offensiv gegen Armut vorzugehen. Der Weltladen Bregenz hat Günter Lenhart, den stellvertretenden Vorsitzenden von „Oikocredit Austria“,
zu einem Vortrag nach Bregenz eingeladen.

KOMMENTAR

Warum faires Geld?

Die Bankenkrise, bei der im November 2009 die Zinsen auf einen Satz um 2,5% in die Höhe schnellten, weil die Banken sich gegenseitig kein Geld mehr liehen, ist immer noch präsent, da fährt das nächste unkalkulierbare Finanzdebakel um Euro-Währung und Weltwirtschaft den verunsicherten Konsumenten in die Knochen. Expert/innen beunruhigen: Es gibt auf dem Bankensektor keine Vorwarnzeiten mehr, etwa die über Jahre sich moderat entwickelnden Zinssätze, sind Geschichte. Und wenn dazu die Ungerechtigkeitsmechanismen, die uns im reichen Norden Billigbananen und Biosprit, angebaut im armen Süden, bescheren, nicht mehr funktionieren, ist es an der Zeit endlich umzudenken.     

Wenn nicht bald Regen fällt, droht die Situation am Horn von Afrika zu eskalieren. Dort peinigt eine nie dagewesene Dürre- und Hungerkatastrophe die Bevölkerung. Und was besonders arg ist: Die Spekulanten machen ihr Geschäft mit dem Hunger, die Renditen erhöhen sich, weil die  Preise für Lebensmittel ins Unermessliche steigen.  

Diese wirtschaftliche Notlage ist das beste Argument für faire Kredite, wie sie Oikocredit vorschlägt. Die Renditen erreichen natürlich nicht diese mörderischen Höhen, aber eine Investition im Rahmen gerechten Wirtschaftens wird die Geldgeber spätestens am jüngsten Tag gut aussehen lassen. 

(Aus KirchenBlatt Nr. 39 vom 2. Oktober 2011)