In Lingenau feierte das ganze Dorf mitsamt dem Bischof den Abschluss des Umbaus. Die unkonventionelle Gestaltung lädt dazu ein, den Glauben neu zu erfahren. Bericht von Dietmar Steinmair.

Nach zehnmonatigen Umbauarbeiten wurde die Pfarrkirche Lingenau am 1. Adventsonntag wieder ihrer liturgischen Bestimmung übergeben. Bischof Elmar Fischer weihte den Altar. Er ist eines von gleich mehreren völlig neuen Elementen im unkonventionell ausgerichteten Kirchenraum.

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„Vom Kirchentraum zum Kirchenraum“, so schrieb Pfarrer Manfred Fink am Anfang der Renovierungsarbeiten in der Vorstellungsbroschüre des Projektes. „Wenn die Kirche in der Mitte des Dorfes liegt, und der Kirchenraum wiederum die notwendige Geborgenheit und das Empfinden von Sicherheit geben kann, dann wird aus den Träumen über unseren Kirchenraum eine Wirklichkeit“.
Der Kirchen(t)raum ist tatsächlich Wirklichkeit geworden. Selten zuvor wurde ein liturgischer Raum in Vorarlberg derart radikal umgebaut. Die 140 Jahre alte neuromanische Kirche war zuletzt in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts renoviert und damals viele Bilder von Decken und Wänden entfernt worden. Daher gab es vor der aktuellen Renovierung nicht mehr viele Elemente in der Kirche, die einem großen Umbau denkmalpflegerisch entgegengestanden wären.

Architektenwettbewerb
Um neuen Träumen Platz zu schaffen, wurde ein Architekten- und Künstlerwettbewerb ausgeschrieben. Ungewöhnlich, aber ein Schritt der Öffnung. Gewonnen haben ihn die in Wien tätigen Architekten Anja Fischer und Ernst Beneder. Von ihnen stammt auch die Idee der bemerkenswertesten Neuakzentuierung der Kirche: In der Apsis steht seit dem Sommer ein 280 Jahre alter Olivenbaum. Schlägt dort Wurzeln und treibt Blätter.

Olivenbaum symbolisiert das Leben
Im Lateinischen heißt Wurzel übrigens „radix“ – ebenso radikal, weil auf biblische Wurzeln zurückgreifend, sind die weitere Umbauelemente. Von den Wurzeln des Baumes führt ein kleiner Wasserlauf ins Kirchenschiff. Er symbolisiert den Jordan – schließlich ist die Pfarrkirche Lingenau dem Heiligen Johannes dem Täufer geweiht. Am Jordan steht auch der neue steinerne Taufbrunnen. Die Taufe ist Eingangstor und Grundlage des Christseins. Links des Wasserlaufes wurde gelber Stein als Boden gewählt. Gelb wie Wüste, in der Johannes zur Umkehr rief. Durch die Taufe hindurch gelangt der Christ zum Leben, symbolisiert durch den Olivenbaum, und auf fruchtbares Land, symbolisiert durch den grauen und schwarzen Bodenbelag auf der anderen Seite des Jordans.

Zwei Szenen
Während also der linke Bereich der Kirche vom Taufgeschehen dominiert ist, führt im rechten Bereich ein Kreuzweg nach vorne. Im Boden sind die Titel der Kreuzwegstationen eingemeiselt, ergänzt in der Höhe durch gewobene Tücher aus der Textilwerkstatt Krumbach. Die zwölfte Station wird durch das große Kruzifix gebildet. Auch die alten Kreuzweg-Tafeln im Nazarenerstil des 19. Jahrhunderts sind noch da, befinden sich nun gesammelt ganz vorne an der rechten Apsiswand.

Altar des Lebens
Zwischen der Taufe und Tod, im Zentrum des gesamten Kirchenraumes, steht der neue, wuchtige Altar. Um einen zentralen Stein, der aus dem alten Altar stammt, sind zwölf Blöcke gruppiert, gefertigt aus Steinen der Region. Zusammen bilden sie den Altar, in dem - von oben betrachtet – ein Kreuz eingelassen wird. Um den Herrn Jesus Christus sammelten sich 12 Apostel. Und heute, nicht nur am großen Festtag der Altarweihe, die Pfarrgemeindevon Lingenau. Sie feiert ihren Glauben und ihr Leben in einem Kirchenraum, der seinesgleichen sucht.
„Unsere neue Kirche“, wie die Lingenauer nicht ohne Stolz sagen. Nur die neue Orgel fehlt noch. Doch die wird demnächst in Auftrag gegeben.
Dietmar Steinmair

HINTERGRUND

Steinmair Dietmarvon Dietmar Steinmair

Ein Dorf gemeinsam
 
Eine Kirchenrenovierung rührt nicht nur an Geldbörsen, sondern auch an Gemüter. Wenn Gewohntes - wie die Empore aus den 60ern - buchstäblich abgerissen wird, ist Vertrauensbildung für Neues vonnöten. Markus Vögel, der Obmann des Bauausschusses, weiß das. „Es hat natürlich Kritiker gegeben. Aber wir haben von Anfang an voll auf Kommunikation gesetzt. Das ist uns auch gelungen.“ Durch Projektpräsentationen, die Vorstellung einzelner Umbauschritte und nicht zuletzt durch viele Gespräche. „Die Stimmung ist umgeschwenkt, die Begeisterung im Dorf für den Umbau hat Überhand gewonnen.“

Zufrieden ist Markus Vögel auch über die Finanzierung. Das Gesamtprojekt ist auf etwa € 1,8 Mio. veranschlagt. Neben den öffentlichen Förderungen und Rücklagen muss die Pfarre vor allem Spenden aufbringen. € 80.000 kamen allein durch Patenschaften zusammen, etwa für den Olivenbaum, die Altarsteine oder den Taufbrunnen. Jeden Monat hat ein anderer Dorfverein das Pfarrcafè organisiert. „Über 1300 freiwillige Arbeitsstunden haben wir an Eigenleistung aufgebracht. Die alten Kirchenbänke haben wir selber renoviert, so dass wir sie wieder verwenden konnten“, lobt Vögel die Lingenauer.

Und dabei denken die Lingenauer längst nicht nur an sich. Neben der Kirchenrenovierung kommt ein Teil der Erlöse dieser und anderer Aktionen Bischof Erwin Kräutler für seine pastoralen Reisen in seine weit verstreuten Pfarren zugute.

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FIRMEN, die sich am Umbau beteiligten:

Fink Elektrotechnik
Baser 92b
6943 Riefensberg
T: 05513/88 28 oder 0664/15 92 020
www.elektrotechnikfink.at 

HLS-Installationen
Bereuter Christopf GmbH
Wieseln 215
6952 Sibratsgfäll
T: 05513/23 19

Simeoni Metallbau
Bühel 702
6866 Andelsbuch
T: 05512/60 65
www.simeoni-metallbau.at

Textilwerkstatt Krumbach
Martha Niederacher
Glatz 67
6942 Krumbach
T: 0664/36 63 140
www.textil-werkstatt.at

Tischlerei Düringer
Wies 604
6867 Schwarzenberg
T.: 05512/20 31

Jodo Tischlerei
Gebr. Dorner GmbH
Hof 250
6951 Lingenau
T: 05513/41 41; www.jodo.at

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(aus KirchenBlatt Nr. 48 vom 5. Dezember 2010)