Faschingstrubel ist "heilsnotwendige Einstimmung" auf die Fastenzeit - meint Klaus Gasperi (alias Clown Kasperli)

Das Gelärme  der Faschingsnarren wird meist nicht als „religiöses Treiben” verstanden. Doch es ist ein wichtiger Kontrapunkt zum Ernst der Fastenzeit.

Auf ein Wort

Clown Kasperli

von Clown Kasperli
clown.kasperli@tele2.at

Vom Lächeln
Als meine Freund/innen allmählich Nachwuchs bekamen, wurde ich gerne zum Babysitten eingeladen. Pädagogisch geschult versuchten die jungen Eltern stets, mich den Kindern vorzustellen. Doch ein Kind konnte partout mit meinem fremdklingenden Namen nichts anfangen. Flugs übersetzte der kleine Mann meinen schönen Namen in seine Kindergartenwelt.

Aufgeregt teilte er nämlich den Eltern mit, heute käme wieder der „Clown Kasperli“ vorbei. Nun sucht man sich im religiösen Leben seine Berufung nicht aus, man erfährt sie einfach. Noch heute bin ich dem kleinen Leander für diese überraschende “Profess” dankbar. Der mit dieser “Berufung” einhergehende neue Name hebt mich heraus aus dem Alltag und führt mich hinein in eine fröhlichere Existenz.

Jüngst geisterte Papst Johannes Paul II. durch den Blätterwald. Er habe sich gegeißelt, hieß es. Doch der „Jahrhundert-Papst“ war nicht nur ein Asket, er besaß auch, wie die meisten Heiligen, eine gehörige Portion Ironie: „Eure Heiligkeit“, räusperte sich eine Schwester, als sie den zittrigen Greis betrachtete, der unter Parkinson litt: „Ich fürchte um Eure „sanita“ (Gesundheit)!“ „Ehrwürdige Schwester“, antwortete der Papst, „auch ich bin sehr besorgt um meine „santita“ (Heiligkeit). Also: Kümmern Sie sich um Ihre Heiligkeit! Und achten Sie auf ein Lächeln.

Zur Sache

G.K.ChestertonG. K. Chesterton: „Die katholische Kirche ist die einzige Sache, die den Menschen vor der erniedrigenden Sklaverei bewahrt, ein Kind seiner Zeit zu sein.”

„Karneval“ bedeutet Abschied vom Fleisch und weist wie das Wort Fasching (von vast-schank = dem letzten Ausschank vor der Fastenzeit) auf die Verbindung mit der Fastenzeit hin. Jesuitische Missionare trugen den Fasching gar bis ins ferne Japan, wo er „shanikusai“ heißt und ebenfalls „Fest der Absage an das Fleisch“ bedeutet.
Die Kernzeit des Faschings dauert sechs Tage vom “Unsinnigen Donnerstag” bis zum Faschingsdienstag. Im Vergleich zur biblischen Schöfpungsgeschichte, deren sieben Tage Fülle und Vollkommenheit symbolisieren, weisen die sechs Tage des Faschings auf die Unzulänglichkeit der Welt hin. 

Nun - schnell herbei mit den Clowns

Es mag merkwürdig erscheinen, dass der Fasching eine spezifisch katholische Erscheinung darstellt.  Gemeinhin ist unsere Kirche ja nicht unbedingt für ihren überbordenden Humor bekannt. Weniger die rote Clownsnase, sondern eher der mahnend erhobene Zeigefinger gilt als ihr Kennzeichen. Manche Forscher stellen daher lapidar fest, der Fasching sei wohl mehr ein Vorspiel der strengen Fastenzeit, man müsse sich eben austoben, wenn man anschließend so lange fasten soll.

Das gefährliche Lachen:
Vielleicht aber sei der Fasching auch nur ein Relikt aus prärationaler, heidnischer Zeit? Und überhaupt, das Katholische sei halt immer schon ein bisschen südländischer, lockerer gewesen als das eher ernste Protestantische. Der Schriftsteller Umberto Eco ging in seinem Roman „Der Name der Rose“ sogar so weit, dass er einen Mönch gleich zum ausgefuchsten Mörder werden ließ, nur um eine Schrift über das Lachen verschwinden zu lassen. Denn das Lachen, so wird argumentiert, bedrohe das Heilige, es fördere die Verächtlichmachung aller Obrigkeiten und es leiste letztlich der Blasphemie Vorschub. Mit derlei Argumenten bewaffnet wird der Glaube zu einer ernsten Angelegenheit erklärt.

Doch Gott selbst macht lachen:
Dabei ist Gott ja einer, der lachen macht. Abraham, der Vater des Glaubens, gibt seinem Sohn den Namen Isaak, und das heißt: „Gott hat mich lachen gemacht.“ Auch der heilige Paulus ermahnt seine Gemeinde: „Seid allezeit fröhlich … und dämpfet nicht den Geist” (Thess 5,16). Wer zu wenig lacht, der wird gallig und eng, und das vertreibt den Geist.

Wenn’s dich nicht freut, hat’s keinen Wert:
Es ereignete sich in den Jahren des Großen Krieges, da kam ein Mann zu Seelsorgeamtsleiter Dr. Fasching, und er kam über Wochen immer wieder zum Unterricht, denn er wollte katholisch werden. Doch dem Dr. Fasching kam die Sache spanisch vor: „Wenn’s dich nicht freut, hat das Christentum keinen Wert!“, meinte er und schickte den Mann fort. Selbiger ging nun weiter zu den Jesuiten, zum P. Grimm, denn er war ein Spitzel der Gestapo. Beim P. Grimm nun hatte er „Erfolg” und brachte ihn an den Galgen. „Gebt gut Acht bei Leuten, die kein Lächeln kennen!“, soll der Dr. Fasching seine Gefährt/innen hernach ermahnt haben.

Und wenn die Welt voll Teufel wär:
Es darf also vermutet werden, dass das Lächeln wesentlich zum Christentum dazugehört. So hat auch die närrische Zeit ihren Platz im katholischen Jahreskreis. Nach christlichem Verständnis ist die Geschichte noch nicht zu Ende: Die Welt stellt den Menschen immer noch vor die Entscheidung zwischen Gut und Böse. Doch das Böse ist besiegt. Luzifer steht nicht mehr in den Sternen, sondern ist quasi auf  die Erde heruntergefallen. Das katholische Brauchtum inszeniert nun das Böse mittels grauslicher Figuren als Teil der Welt. Indem das Böse  dargestellt wird, verliert es seinen Reiz und seine  Macht. In ähnlicher Weise wurden auch menschliche Laster wie Stolz und Hochmut inszeniert und in ihrer trügerischen Vergänglichkeit vorgeführt. Zwischen den christlichen Festgeheimnissen der Weihnacht und der Osterzeit erhalten so für wenige Wochen die Narren der Welt ihre Bühne.

Die „verkehrte“ Welt als Chance:
Für eine begrenzte Zeit inszeniert der Fasching eine „verkehrte Welt“. Er lässt uns andere Lebensmodelle ausprobieren und eröffnet ein Stück Freiheit. Deshalb erlaubte Papst Clemens XI. bereits 1701 auch den Frauen, sich in Masken am Faschingstreiben zu beteiligen. Die verkehrte Welt des Faschings zeigt die Narrheit und Vordergründigkeit menschlichen Daseins. Sie weist aber auch die Herrschenden auf ihre Grenzen hin und wird so zum Korrektiv der Realität. Insofern erinnert der Fasching mehr an das Dribbeln beim Fußball, wenn man die Gegner austrickst und sich geschickt freispielt. Der Theologe Jürgen Moltmann spricht von den Glaubenden als „den ersten Freigelassenen der Schöpfung“. Es ist die Figur des Clowns, der den Ernst der Welt durchbricht und die Ketten der Gewohnheit sprengt. Der Clown ist auch der wehrlose Narr, der die Ohrfeigen einsteckt – und wird darin zum Doppelgänger Christi, der von Pilatus verhöhnt wird: „Seht, was für ein Mensch.“

ClownDer Clown als Erlöser:
Den frühen Christen schien das Symbol von Christus dem Clown im Innersten berechtigt, urteilt der amerikanische Theologe Harvey Cox und verweist auf den Wanderprediger Jesus, der wie ein Schausteller herumzieht und wie ein guter Hofnarr seine Ankläger aufs Glatteis führt. Und es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet der „Gaukler Gottes“, Franz von Assisi, im Mittelalter als “zweiter Christus“ verehrt wurde. In einer Kirche aber, die Macht und Respekt einforderte, musste Christus der Clown wieder verschwinden. Eine Kirche, die Macht ausübt, wird zwangsläufig ernst und ist zur Ironie nicht mehr fähig. Es blieb daher der Moderne überlassen, Christus den Clown wiederzuentdecken, angefangen bei Dostojewskij, der in seinem Roman „Der Idiot“ eine bizarre Christusfigur gestaltete, bis hin zum französischen Maler Georges Rouault oder Bölls „Ansichten eines Clowns“.

Der scheiternde Clown:
Eine der populärsten Gestaltungen des Clowns findet sich in dem Lied „Send in the Clowns“ aus dem Musical „A Little Night Music“: Im Theateralltag schickt man die Clowns rasch auf die Bühne, wenn eine Panne passiert. Die herbeieilenden Spaßmacher sollen von der entstandenen Peinlichkeit ablenken. Denn nur, wenn die Scham außen vorgelassen wird, ist es möglich, weiterzuspielen. Das Lied erzählt von einem Patzer, einem falschen Timing, schlimmer noch: einer unerwiderten Liebe. „Wo sind die Clowns?”, wird gefragt. Doch sie sind schon hier – denn wir selbst sind die Clowns. Der Ruf nach den Clowns wird zum Schrei nach Erlösung von der eigenen Scham angesichts der zerbrochenen Hoffnungen. Wer da noch lachen kann, auch über sich selbst, der ist schon mitten auf dem Weg nach Ostern zu.
Klaus Gasperi

Sa 6. Feb, 19 Uhr, Festmesse der Spältabürger im Feldkircher Dom mit Pfarrer Rudolf Bischof.

(aus Kirchenblatt Nr. 5 vom 7. Februar 2010)