Die Kräuterpädagogin Susanne Türtscher geht der mystischen Bedeutung von Heilkräutern nach, Pater Anselm Grün verbindet Heilkräuter mit dem Kirchenjahr.

Susanne TürtscherPflanzen können mehr als das, was wir mit dem Kopf verstehen; dieses „Mehr“ möchte Susanne Türtscher vermitteln.

Die Liebe zur Natur hat Susanne Türtscher seit der Kindheit. „Da war ich in meiner Welt, in meiner Phantasiewelt.“ Derzeit absolviert sie eine Ausbildung, mit der sie Menschen auf ihrer Visionssuche begleiten wird. „Das klingt sehr amerikanisch, aber das gab es auch in unserer Kultur“, weiß sie. Jugendliche wurden für mehrere Tage in die Natur geschickt mit dem Auftrag, ihre Aufgabe für das Dorf zu erkennen. „Das überschreitet zwar das Thema mit den Kräutern, aber es geht auch im Buch (Beschreibung siehe weiter unten) immer wieder um dieses ,In-Resonanz-Kommen‘“, so die 47-Jährige.

Botschaften für das Leben.
Auf ihre Inhaltsstoffe möchte Susanne Türtscher Pflanzen nicht reduzieren. Damit steht sie in einer langen Tradition, auch Heilkundige wie Paracelsus oder Hildegard von Bingen haben Kräuter ganzheitlich betrachtet. „Eine Pflanze kann auch eine Heilwirkung haben, wenn wir sie betrachten“, sagt die Kräuterpädagogin. „Wir sind weit mehr als Wesen mit diesem materiellen Körper.“ Sie begleitet Gruppen durch den Jahreskreis. „Das Christentum gibt Antwort auf diese alten Feste“, sagt Türtscher. Sie ist den Wurzeln der Feste nachgegangen, mit Götterglauben und Mythen. „Mir ging es darum, den Strang zu erwischen, der eine Botschaft für uns hat und unserem Leben dient.“

Das Kirchenjahr wurde von der keltischen Kultur eingeteilt. Da gab es die Erdmutter-Göttin und ihren Gemahl, die Sonne. Die Menschen haben Erde und Sonne verehrt. Susanne Türtscher ist aufgefallen, dass in alten christlichen Liedern Christus als Sonne besungen wird. Im Gegensatz zum alten Gott ist er die Sonne, die nicht untergeht, die Menschen in Dunkelheit, in Krisen begleitet. Viele meinen, die Kirche sei schuld, dass dieses Wissen verschwunden ist und Frauen und Männer als „Hexen“ oder „Hexer“ umgebracht worden sind. „Das stimmt nicht“, sagt Türtscher: „Die Kirche hat ganz viel von diesem Wissen integriert.“

Kräuter in Hochlage.
Susanne Türtscher bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bergbauernhof im Großen Walsertal in Vorarlberg als Mutterkuhbetrieb in Drei-Stufen-Landwirtschaft: Im Winter im Tal, dann geht es hinauf in das Maisäß, wo die Kühe die Weide bis Mitte Juni abfressen, um dann in die Hochalpe weiterzuziehen, wo sie den Sommer verbringen. Von dieser Hochlage kommen die Kräuter, die Susanne Türtscher erntet. Bis zu 80 Arten von Pflanzen wachsen auf den ungedüngten Magerwiesen.

Das Große Walsertal ist ein Biosphärenpark. Es wurde von der UNESCO ausgezeichnet als Region, in der Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Auf Initiative von Susanne Türtscher ist das Projekt „Alchemilla“ (Frauenmantel) entstanden, in dem 13 kräuterkundige Frauen Seminare anbieten und ihre Gärten für Besucher/innen öffnen. Sie bieten auch Kräuter-Produkte an: Balsame, Öle, Seifen …
Judith Moser-Hofstadler

Ab kommender Woche (Nr.15/2010) verfasst Frau Türtscher im Vorarlberger KirchenBlatt die Kolumne für „Bewusst Leben“ und erzählt aus der Welt der Kräuter. 
www.alchemilla.at


Anselm GrünHeilkräuter im Kirchenjahr

von P. Anselm Grün,
Benediktiner der Abtei Münsterschwarzach

An den Festen des Kirchenjahres feiern wir unsere Erlösung durch Jesus Christus. Die Kirche hat
jedoch mit ihren Festen oft alte Naturfeste mit ihrer Sehnsucht nach Heilung des Menschen aufgegriffen. So war Ostern nicht nur das Fest, das uns an die Auferstehung Jesu oder an den Auszug Israels aus Ägypten erinnert, sondern auch ein altes Naturfest, ein Frühlingsfest, das den Sieg des Lebens über die Erstarrung und den Tod gefeiert hat.
Die heilende Wirkung der Feste
wurde bei uns immer auch mit heilenden Pflanzen verbunden. Das, was im einzelnen Fest gefeiert wurde, haben die Christen des Mittelalters mit der Symbolik der Heilkräuter verbunden,
die in der jeweiligen Festzeit
gewachsen sind.

Um dieses Wissen der christlichen Tradition für uns neu zu vermitteln, habe ich mit Susanne Türtscher gemeinsam ein Buch geschrieben über die Weisheit der Natur und die Feste des Kirchenjahres, das im Herbst 2010 im Vier Türme Verlag erscheinen wird. Susanne Türtscher, die seit Jahren das Projekt „alchemilla, ein Kräuterprojekt vom Biosphärenpark Großes Walsertal“ leitet,  versucht, das Wissen der verschiedenen Traditionen um die heilende Wirkung der Kräuter und der Jahreszeiten mit der christlichen Botschaft zu verbinden. Sie wird nun alle zwei Wochen Heilkräuter darstellen, die in ihrer Symbolik etwas
aussagen über die Feste und Festzeiten, die wir gerade feiern.
P. Anselm Grün OSB

(aus KirchenBlatt Nr. 13/14 vom 4. April 2010)