Die Erzählung von der Sintflut macht deutlich: Gott steht auch zu einer "schlechten" Welt. Von Prof. Dr. Christiane Koch.

Gott sagt Ja zu DIESER Welt

Bei der Erzählung über die Sintflut denken wir normalerweise an den „Beinahe-Untergang” der Welt. Doch in der Bibel geht es nicht um den universalen Untergang, sondern um Gottes Ja zu seiner Schöpfung!

Christiane Koch

von Christiane Koch (li)
Professorin für Biblische Theologie
Kath. Hochschule NRW, Paderborn

Spannungen und Widersprüche
Genau genommen muss man im Hinblick auf die biblische Sintfluterzählung im Buch Genesis 6-9 eigentlich von mehreren Erzählungen sprechen. Denn wenn man den Text in der vorliegenden Endgestalt liest, ist unschwer zu erkennen, dass hier mindestens zwei Erzähltraditionen zusammengeführt werden. Zu sehen ist dies daran, dass sich in der Erzählung mehrfach Spannungen und Doppelungen, ja sogar Widersprüche finden: Wodurch etwa entsteht die Sintflut? Gen 7,12 und 8,2f. verweisen auf einen mächtigen Sturzregen; Gen 7,11 auf den Einbruch der Urflut durch die geöffneten Himmelsschleusen. Und wie lange dauert sie? 40 Tage und Nächte nach Gen 7,4.12 bzw. 150 Tage nach Gen 8,3.
Wenn auch auf unterschiedliche Art erzählt, liegt den beiden ursprünglich eigenständigen Textfassungen eine gemeinsame Aussage zugrunde, die durch die absichtsvolle redaktionelle Zusammenführung deutlich wird.

Menschliches Leben ist immer bedroht
Zum Verständnis der Sintfluterzählung ist wichtig, dass es dabei nicht um die Erinnerung an ein konkretes und einmaliges Geschehen irgendwann in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte geht. Vielmehr wird hier eine menschliche (Ur-)Erfahrung verarbeitet, nämlich das Wissen, dass verhängnisvolle Naturkatastrophen, aber auch Gewalt und Gier das Leben auf der Erde aufs Äußerste gefährden. Nach der Aussage des Textes ist es Gott selbst, der angesichts der Verderbtheit der Welt die Sintflut „beschließt“ und herbeiführt (vgl. Gen 6,5.12). Ähnliche Aussagen finden sich auch außerhalb der Bibel in der Umwelt Israels.

Vom Ende her den Text verstehen:
Zu verstehen ist dieser Text allerdings von seinem Ende her: nämlich von der feierlichen Bestandszusage Gottes, dass „solange die Erde besteht, nicht aufhören sollen Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (Gen 8,22). Beide Erzähltraditionen, die der Sintfluterzählung zugrunde liegen, kulminieren in dieser unwiderruflichen Zusage. Die zentrale Aussage ist also keinesfalls, dass es einmal in der mythischen Urzeit eine weltweite Sintflut gegeben hat. Vielmehr geht es darum, die Angst des Menschen zu bewältigen, dass es jemals eine solche kosmische Katastrophe geben könnte.

Nie wieder!
Anders gesagt: Es geht um die Hoffnungsbotschaft, dass es eine solche Flut nie geben wird. Und diese Botschaft wird derart vermittelt, dass eben erzählt wird, Gott habe angesichts einer universalen Flut in der Urzeit bereits geschworen, dass so etwas nie wieder geschehen wird. Nicht die Vernichtung, sondern die Rettung aus der Flut ist also die Sinnspitze der biblischen Fluterzählung.

Eine Ergänzung zur Erzählung vom Paradies
Im Anschluss an die vorausgehenden Schöpfungstexte, in denen von einem idealen und paradiesischen Anfangszustand die Rede ist, bildet die Fluterzählung eine unverzichtbare Ergänzung: Hier wird deutlich, dass der Schöpfergott eine Beziehung der Liebe und der Treue zur Erde hat und dass er unwiderruflich „Ja“ zu dieser Welt und zu diesem Menschen sagt, und zwar in all seiner Begrenzung und Schwäche.

(aus KirchenBlatt Nr. 25 vom 27. Juni 2010)