Eindrücke von einer Gedenkreise auf den letzten Spuren von Dr. Carl Lampert. Es berichten Susanne Emerich und Klaus Gasperi. Mit einer ausführlichen Bildergalerie (Bilder: Hans Rapp / Texte: Walter Buder).

Geradlinig und unbeugsam
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Geradlinig und unbeugsam ...

Von Susanne Emerich und Klaus Gasperi

„Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon“, meinte schon der  Kirchenlehrer Augustinus. Eine Reisegruppe aus Vorarlberg folgte den letzten Spuren des Göfners Carl Lampert, um die Seiten eines sehr dunklen Kapitels unserer Geschichte aufzuschlagen.

„Ich bin an einem furchtbaren Ort!“, raunte Carl Lampert seinem Landsmann, dem Meininger Pfarrer Alois Knecht zu, als er diesen hinterm Stacheldraht erblickte: Im Sommer 1940 war der gebürtige Göfner ins KZ Sachsenhausen verschleppt worden. Carl Lampert kam alsbald in dessen schlimmste Abteilung - die Strafkompanie: tage- und nächtelanges Stehen, ununterbrochen, bei Kälte und Regen, Zwangsarbeit auf der „Schuhprüfstrecke“ im Laufschritt, 35 km pro Tag mit 15 kg Gepäck, randvoll gefüllt mit Sand und Steinen. Zur Belustigung der SS wurden dabei gerne zu kleine Schuhe ausgegeben, hinzu kamen Prügel und ständiger Hunger. „Es herrschte“, berichtet Knecht, „die Ansicht, von der Strafkompanie gibt es nur einen Ausweg, den durchs Krematorium!“

In der Verbannung
Wider Erwarten kam Lampert aus der Hölle des KZs frei, doch es blieb nur eine Galgenfrist, ein Leben in der Verbannung im fernen Polen, stets überwacht von der Gestapo, um dann nach einem fadenscheinigen Prozess hingerichtet zu werden.

Steile Karriere
Nach frühen Kaplansjahren in Dornbirn und weiterem Studium in Rom hatte Lampert eine steile kirchliche Karriere absolviert. In Innsbruck wurde er zunächst mit dem Aufbau des kirchlichen Gerichtes betraut, eine Aufgabe, die er mit „unendlicher Mühe unter kärglichen Mitteln“ bewerkstelligte. Er widmete sich der Aufgabe mit großem seelsorgerlichen Engagement, verschiedene Zeitgenossen loben vor allem sein „freundliches Entgegenkommen, welches man von Ämtern sonst nicht gewohnt ist“. Prompt wurde Lampert von der römischen Kurie wegen „zu laxer Auffassung gegenüber Ehefällen“ gerügt, eine „vollständig ungerechtfertigte“ Beschuldigung, die ihn sehr verletzte.

Engagiert für die Menschen
Dennoch waren seine Leistungen eindrucksvoll genug, sodass er 1939 zum Bischofsstellvertreter in Innsbruck ernannt wurde.  Da der noch unerfahrene Bischof Paulus Rusch gesundheitlich stark angegriffen war, stand Carl Lampert weitgehend allein den Nazis gegenüber. Als unter dem berüchtigten Gauleiter Hofer die gewalttätigen Maßnahmen gegen die Kirche ständig zunahmen, so kam etwa der junge Reinhold Stecher wegen „Organisation einer Wallfahrt“ in Gestapohaft, stellte sich Lampert weitgehend einsam, aber umso mutiger, dem nationalsozialistischen Terror entgegen, engagierte sich für die inhaftierten Priester und trat für Gerechtigkeit und Menschlichkeit ein. Indem Lampert an der Beerdigungsfeier für den im KZ Buchenwald ermordeten Dorfpfarrer Otto Neururer teilnahm, machte er seinen Protest gegen das Nazi-Regime auch öffentlich klar. Daraufhin wurde er ins KZ verschleppt.

Sprechende Orte
Durchwegs sonnige, aber kalte Tage erwarteten die Vorarlberger Reisegruppe auf ihren Stationen. Die Herbstsonne erleuchtete die Orte des Grauens und verstärkte das Gefühl des Unfassbaren. Besonders ergreifend war der Besuch der Gedenkstätte „Roter Ochse“ in Halle an der Saale. Dort befand sich der Sitz des Wehrmachtsgerichtes, welches Carl Lampert zum Tod verurteilte. Noch vor der Urteilsverkündigung nahm sich der zuständige Richter aufgrund von Gewissensqualen das Leben. Die Hinrichtungsstätte heute: ein kahler Raum, weißgetünchte Wände, nur die Verankerungen der Guillotine sind im Boden sichtbar geblieben und verdeutlichen so die schreckliche „Funktion“ dieses Raumes. Dann folgte vor den Toren Berlins ein Besuch im ehemaligen KZ Sachsenhausen.

Eindrucksvolle Begegnungen
Dass Lamperts Glaubenszeugnis bis heute wirkt, wurde in eindrucksvollen, emotionalen Begegnungen mit Christen der ehemaligen DDR deutlich. Als die noch junge Pfarre Halle-Nord  nach einem Patrozinium gefragt wurde, wünschte sie sich, dass Carl Lampert diese Rolle nach seiner Seligsprechung übernehmen sollte: Denn Lampert ist ein Symbol für den Widerstand in schwieriger Zeit, und es zeigte sich, dass unter den vielen Ideen keine so stark die Menschen miteinander verband wie er. Es ist dies eine Erfahrung, die die Gläubigen auch während des DDR-Regimes prägte. Der Vorarlberger Lampert ist in der Erinnerung dieser Menschen lebendig. Vor Ort erinnert auch eine Gedenkstele an ihn und die ebenfalls mit ihm hingerichteten Seelsorger Friedrich Lorenz und Herbert Simoleit.

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Renate WeithasRenate Weithas (Höchst)

Lampert wirkt bis heute nach: Wie kann man Christ sein nach Auschwitz? Um den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren, interessiere ich mich für Personen des Widerstandes. Die Auseinandersetzung mit Carl Lampert hat mich berührt: zu sehen, wie stark sein Glaubenszeugnis bis in die heutige Zeit wirkt, etwa hier in der Pfarre Halle-Nord, die Lampert nach seiner Seligsprechung als Patron wählen wird.

Erich Summer, AltachErich Summer (Altach)

Ich wollte mich vor Ort informieren, da ich mit meinen Schülerinnen nach Berlin kommen möchte, um das Widerstandsthema anhand von Carl Lampert zu vermitteln. Bei der Seligsprechung von Franz Jägerstätter war ich auch mit einer Schulklasse dabei. Mich erschüttert, welche Qualen und Folterungen Carl Lampert damals über sich ergehen lassen musste.

Pfr. Rudi SieglPfr. Rudi Siegl (Nofels)

Um Carl Lampert besser kennen zu lernen bzw. mein vorhandenes Wissen „vom Kopf ins Herz“ rutschen zu lassen, habe ich an dieser Gedenkfahrt teilgenommen. Ich bin beeindruckt, wie Lampert dieses große Leiden ertragen hat und wie seine Kraft und seine Überzeugung bei den Mitgliedern der Pfarre Halle-Nord lebendige und berührende Spuren hinterlassen haben.

Pfr. Josef SchwabPfr. Josef Schwab (Dornbirn)

Carl Lampert war 12 Jahre lang Kaplan in Dornbirn-Stadt, auch ich bin schon lange in dieser Pfarre tätig. Pfarrangehörige, die Lampert noch persönlich gekannt haben, sind heute noch emotional berührt und erzählen voller Begeisterung von ihm. Ich wollte mich auf seine Spuren begeben, um seine Person besser erfassen zu können.

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Bildergalerie: Reisetagebuch in Bild und Wort

Durch einen Klick ins Bild ganz rechts oben gelangen Sie zu einer ausführlichen Bildergalerie. Die ausgewählten Bilder von Dr. Hans Rapp hat Reisebegleiter Dr. Walter Buder mit ausführlichen Notizen versehen. Ein Reisetagebuch in Bild und Wort.

Hier finden Sie das Programm von "Carl Lampert erinnern 2010": Vorträge, Gottesdienste, Kunst

 

(Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 45 vom 14. November 2010)

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