Teil 3 der siebenteiligen Entdeckungsreise durch die Fastenzeit 2010, diesmal mit dem Priester Sebastian Edakarottu aus Indien.

An den Hängen des Berglandes von Kerala in Indien gedeiht der Tee. Und hier wächst der Pfeffer, mit dem auch die Europäer ihre Speisen würzen. Sebastian Edakarottu ist hier aufgewachsen. Begeben Sie sich mit dem Eisenstädter Priester in die Bergwelt des Glaubens.

Ich komme aus dem Land, „wo der Pfeffer wächst“ –  Kerala – Indiens grüner Gewürzgarten. Kerala ist ein Bundesstaat ganz im Südwesten Indiens, ein Streifen Land zwischen dem Arabischen Meer und den Bergen der Westghats. Sein Name bedeutet „Land der Kokospalmen“, die hier tatsächlich überall wachsen und Schatten spenden.

Es gibt viele malerische Bergregionen in Kerala, sie sind ein Abbild reiner Natur. Es wird auch als „Gottes eigenes Land“ bezeichnet.
Die meisten Bergregionen von Kerala befinden sich auf dem Hochland von Westghats und sind ein Zuhause von exotischster Flora und Fauna. Sie werden auch für die Pflanzung von verschiedenen Früchten wie Tee, Kaffee, Gummi oder Pfeffer genutzt. Außerdem werden Gewürze wie Kardamon und Zimt angebaut.Sebastian Edakarottu

Sebastian Edakarottu (re) kommt aus einem kleinen Dorf namens Marykulam im Hochland von Kerala im Südwesten von Indien. Die Berge dort sind durchschnittlich 1500 Meter hoch, der höchste Berg in Kerala ist der 2695 Meter hohe Anamudi. Edakarottus Eltern waren, wie ein Großteil der dort lebenden Bevölkerung, Bauern.

Seit sieben Jahre ist Sebastian Edakarottu Priester in der Diözese Eisenstadt, die mit seiner Heimatdiözese eine Partnerschaft führt. Er ist Aushilfe-Priester in der kleinen Bergkirche Eisenstadt-Oberberg. Gerne verweilt er dort andächtig am Kalvarienberg, er geht auch gerne mit Leuten  über die Berge nach Mariazell. „Die Messe auf einem Berg feiern ist für mich immer etwas Besonderes“, sagt er. 

Bei uns leben die meisten Leute sehr weit verstreut auf den Bergen und in den Tälern. Seit meiner Kindheit bin ich mit den Bergen vertraut. Auch als Priester zog es mich immer wieder in die Berge. Ich besuchte die dort lebenden Menschen, die unsere pastorale Unterstützung brauchten.

Vor zwei Jahren war ich mit einer Jugendgruppe aus dem Burgenland in meiner Heimat. Ich führte sie auch zu einem meiner Lieblingsplätze, dem „Kurisumala-Kloster“. Es ist eine berühmte Bergstation und ein Pilgerzentrum für die Christen. Der nahe gelegene Kurisumala-Ashram ist eine Stätte der Ruhe und geistigen Freude. Von der Spitze überblickt man die Serpentinen, die nach oben führen. Es sind schmale Straßen, die in vielen unübersichtlichen Kehren ihren Weg aufwärts entlang des Berges zeichnen.

Von oben gesehen ist es spürbar, wie der Verkehr sich vorsichtig hinauftastet. Die Lenker wissen nicht, was in der nächsten Kurve entgegenkommt. Von oben jedoch können wir es schon sehen. Dieses Bildnis ist für mich ein Symbol dafür, wie Gott seinen Blick auf uns wirft. Das Auge Gottes ruht auf mir und es gibt mir Kraft und Stärke. In den Gebeten der Psalmen ist oft vom Weg zu Gott als Aufstieg in die Höhe die Rede.

Sehnsucht nach Gottesnähe.
Menschen verspüren die Sehnsucht, Gott nahe zu sein. Dazu pilgern sie zu heiligen Bergen. Sie verlassen den Alltag, suchen die Einsamkeit, um sich selbst zu finden. Sie wollen die Nähe Gottes spüren und in ihr verweilen. Die Berge sind für sie eine Hilfe. Moses, Elija, David und Jesus zogen sich regelmäßig in die Berge zurück, wo sie immer Gottesbegegnung besonders intensiv erlebten.

Elijas Einsamkeit.
Der Prophet Elija machte auf dem Berg Horeb eine ganz besondere Erfahrung. Er war am Ende seiner Kräfte, lebensmüde und gottesmüde. Der starke Elija – er kann nicht mehr. Elija sieht nur noch Widerstand, er verzweifelt an seinen Möglichkeiten und – schlimmer – auch an denen Gottes. Wahrscheinlich gibt es im Leben eines jeden Zeiten, in denen man am Ende ist. Man weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Man fühlt sich mutterseelenallein, verlassen von Menschen und von Gott.
Doch es gibt einen Weg zurück ins Leben. Die Geschichte von Elija erzählt davon. Nach der Begegnung mit dem Engel schläft Elija wieder ein. Schlaf und Stärkung. 40 Tage braucht Elija, bis er am Berg Horeb, dem Gottesberg, ankommt. Diese Zahl bezeichnet in der Bibel einen Zeitraum, in dem sich eine tiefgreifende Veränderung vorbereitet.
Wallfahrten und Pilgerwege haben eine ähnliche Funktion. In helleren und dunkleren Abschnitten, Höhen und Tiefen – abseits vom Alltag – finden wir wie Elia die Rückkehr ins Leben und zur Begegnung mit Gott. Nur eine Begegnung mit Gott, weiß der Prophet, kann dem Leben die entscheidende Wende geben: „Da hörte Elija es sprechen: Komm heraus, stell dich auf den Berg vor mein Angesicht! Und siehe, Jahwe zog vorüber.“ Gott aber ist nicht im Sturm, der Berge zerreißt und Felsen zerbricht, sondern in einem leisen Wehen und Säuseln. In der Stille ist Gott zu erfahren (1Kön19,11–13).
In den Erzählungen vom Leben Jesu ragen auch die Berge heraus. Jesus stieg nach anstrengenden Tagen nicht selten auf einen Berg, um sich in der einsamen Natur zu erholen und zu beten. Der Berg ist für ihn auch ein Ort, wo er sich von den Menschen zurückzieht, um zu beten (Mt 14,23). Man denke etwa an die Gebetsnacht auf einem Berg vor der Apostelwahl (Mk3,13–19) oder an die wohl berühmteste Rede Jesu, die „Bergpredigt“ (Mt5–7), wo er das Grundgesetz für ein Gott wohlgefälligens Leben darlegte.

Verklärt auf dem Berg.
Geheimnisvoll ist die Geschichte von der Verklärung auf dem Berg Tabor (Mt17,1–9). Jesus nimmt einige Jünger mit auf einem hohen Berg. Petrus möchte am liebsten auf dem Berg bleiben. Nichts anderes tun, als die Gegenwart von Jesus, Mose und Elija genießen. Wenn es einem gut geht, wenn man begeistert ist, wenn man ganz intensiv Gottes Nähe spürt, dann möchte man das festhalten. Dann möchte man, dass das immer so bleibt.
Aber Jesus ging mit seinen Jüngern wieder ins Tal. So ist es in unserem Leben als Christ: Wer hohe Berge erklimmt, kann nicht ewig dort oben bleiben. Er muss irgendwann wieder hinab ins Tal. Und dort unten erwartete Jesus und die Jünger auch schon wieder die altbekannte kranke und verlorene Welt. Schon sind sie wieder mitten drin im Alltag. In dem Alltag, in dem es so viel Leid und Schmerz gibt. Jesus ist nicht nur oben auf dem Berg dabei, sondern vor allem auch unten im Tal. Er ist bis ans Ende des Lebens bei uns. Jesus hat nie einen Ort als „heiligen Berg“ bezeichnet. „Weder auf diesem Berg (Garizim) noch in Jerusalem, sondern im Geist und in der Wahrheit soll Gott fortan angebetet werden.

Unzählige Berg-Bilder sehen wir in der Bibel. Und es wird klar, dass es hier nicht allein um Landschaft geht. Immer sind es auch symbolische Berge, die uns erzählen von Nähe, Liebe und Botschaft Gottes. Oft wird der Berg für uns zum Symbol für Hindernisse im Leben, und ich muss an den Ausspruch von Jesus denken: „Wer Glauben hat wie ein Senfkorn, kann Berge versetzen.“
Sebastian Edakarottu

Meine Fastenzeit

Erlebt

Sebastian Edakarottu erzählt:
Ich habe in meinem Leben im Urwald Nilakel-Kerala, als Administrator des International Dialogue Zentrum, eine kleine, aber doch ähnliche Erfahrung wie Elija erlebt.
Am Ende des arbeitsamen Tages bin ich immer allein auf den Berg, meinen Lieblingsort, gegangen, um mein Inneres still werden zu lassen. Hineinhorchen, die Stille ertragen, das Nichts aushalten. So lang, bis ich fähig wurde, diesen Augenblick zu genießen.
Dann fluteten die Gedanken und Gefühle wieder, ich wurde wieder fähig zu träumen und zu hoffen. Ich erfuhr zugleich, dass Ruhe und Stille nicht leer waren, sondern mir Kraft gaben für meinen weiteren Weg, der bei und mit den Menschen war und ist.“

Impuls

Begeben Sie sich – je nachdem, wie es möglich ist – auf eine Anhöhe oder auf einen Berg. Es kann auch eine Dachterasse in einer Stadt sein.Verweilen Sie dort und lassen Sie die Stille wirken. Sie können dort eventuell die Bergpredigt Jesu meditieren (Mt  –7) oder auch die Erzählung „Elija auf dem Berg Horeb“ (1 Könige 19).

Gebet

Groß ist Jahwe
und hoch zu preisen
in der Stadt unseres Gottes.
Sein heiliger Berg
ragt herrlich empor,
er ist die Freude
der ganzen Welt
Psalm 48,2–3

Schreiben auch Sie uns Ihre Erlebnisse zum Thema Fasten:
leserbriefe@kirchenzeitung.at, Betreff: „Meine Fastenzeit“

Nächste Folge:
Iris Lorenz heiratete vom Flachland Niederösterreichs nach Tirol – und erlebte die Lawinenkatastrophe von Galtür.

(aus KirchenBlatt Nr. 9 vom 7. März 2010)