In Erinnerung an den Vorarlberger Architekten und Kirchenbauer Hans Purin (1933-2010) - Nachruf von Willibald Feinig

Er hat im Land viele Kirchen wie z.B. die  Altacher Pfarrkirche, die Mehrerauer Klosterkirche oder das Evangelische Zentrum in Bregenz gebaut. Das KirchenBlatt bringt einen sehr persönlichen Nachruf auf diesen Vorarlberger Baumeister der ersten Stunde.

Der Vater – der Ausdruck kann in seinem Fall nicht patriarchalisch missverstanden werden - der international angesehenen Vorarlberger Bauschule, der Bregenzer Baukünstler Hans Purin, ist am 7. Juni überraschend  im Alter von 77 Jahren gestorben.
So plötzlich wie 2001 seine Frau Gerti, die dem in Vorkloster aufgewachsenen gelernten Maurer, Enkel eines Trentiners und Schüler Roland Rainers durch Jahrzehnte die Verbindung von Familienleben, Zeichentisch, Baustelle und öffentlichem Engagement mit ermöglicht hatte.
Rainer zog den Studenten, der eine Lehre am Bau hinter sich hatte, als Mitarbeiter bei der Planung der Wiener Stadthalle heran. Zurück im Ländle, bekommt er trotz seiner Jugend den Auftrag, die Kirche der Abtei Mehrerau umzubauen, wo er in die Schule gegangen war. Er beweist erstmals seine Beharrlichkeit  und bewältigt ihn durch Reduktion im Geist des Ordensgründers – und des Lehrers an der Wiener Akademie, der den Schülern die Augen für die Schönheit sichtbarer Konstruktion und die Qualitäten anonymer Architektur geöffnet hatte. Welcher Spaziergänger am Seeufer kennt das unübersehbare Glasrund am Querschiff der alten Kirche  nicht, etwas wie ein Symbol für die Öffnung der Kirche, für Weite, See und Himmel?
Dieser Mann, damals 28, sollte das Gesicht Vorarlbergs mitprägen, indem er Kollegen förderte, den Respekt vor Amt und Amtsträgern in Schranken hielt, den Dialog mit den Bauherrschaften pflegte und kritischen Stellungnahmen in der Öffentlichkeit nicht auswich.

Sein zweites Gesellenstück,1965 begonnen, nahm mitten in der Wiederaufbaueuphorie vorweg, was erst viel später auf Verständnis stieß: Verdichtetes Bauen in Eigeninitiative und die Verwendung von Holz. In der Siedlung in der Halde ob Bludenz legten die Familien selbst  beim Bau Hand an die Holzkonstruktionen zwischen den Trennmauern. Das war der Auftakt zu einer langen Serie von Einfamilienhäusern und Siedlungen, Aufträgen, um die sich Architekten nicht zu „reißen“ pflegen: Alltags-Architektur, viel Arbeit, nicht gerade das große Geld.
Ob aus Holz oder nicht, auch die Wohnhäuser nach Plänen Hans Purins erkennt man gleich. Sie ruhen in sich, „japanisch“, wie ein Architekturfachmann es nannte.

Purin wirkte zur hellen Freude von Clemens Holzmeister
In der Kirche seiner Kindheit, Mariahilf, verstand er es, Altar und Volk einander räumlich näher zu bringen, zur hellen Freude von Clemens Holzmeister. Frastanz pflegte das Privileg, in ihm eine Art Pfarr-Baumeister im besten Sinn des Wortes zu haben: Viele Baumaßnahmen, kirchliche wie soziale zeugen von seiner Sorgfalt.
Bis zum Schluss ließ sich Hans Purin (1933-2010) das „einzige Vergnügen“ nicht nehmen, das einem Architekten bleibe, auch wenn es mit dem PC schneller und bequemer gegangen wäre: Das Zeichnen von Hand. Das wertvollste Stück aus dem Nachlass, das er in Ehren halten und weiterbenützen möchte, ist für Sohn Bernhard (heute Direktor des Jüdischen Museums in München) des Vaters Hobelbank.

Der Purin-Nachlass kommt geschlossen nach Wien in das Architekturzentrum. Zu Recht: Der Senior der Vorarlberger Bauschule hat zwar in der Region geplant, gebaut und beraten, aber seine Arbeit ist von überregionaler Bedeutung. Bis zu seinem plötzlichen Tod betreute der 77-Jährige über 20 Baustellen. Er  war kein bequemer Zeitgenosse, und er sah in der Architektur nicht das Heil. Aber wenn jeder in Kirche, Familie, Gemeinde und Gesellschaft seine Aufgabe so erfüllte wie dieser Baukünstler, wäre vom Heil unter uns vielleicht mehr zu spüren.
Willibald Feinig

Im Gedenken - Die Liebe zum Detail

Vor einer Woche war ich wieder einmal Kantor. Wir haben einen einfachen Ambo in unserer Kirche: Vier massive Holzfüße, ein kleines 45°-Pult mit Ablage. Einfacher geht es nicht. Die Altäre, die Beistelltische und die Sitze für Gottesdienstleiter und Ministranten, alle haben diese Form. Bei genauerem Zusehen entdeckt man etwas: Die Verzinkung  der Massivhölzer  bildet ein Kreuz. An den Ecken des Altars wird das Symbol des Auferstehungsglaubens durch Silberplättchen auf dem Stirnholz betont.
Kein Marmorgebirge als Altar, kein metallener Urwald; ein Tisch, der ein Tisch bleibt, auch in der Kirche, und bei Bedarf entfernt werden kann: Kurzum – wir sind in einem der Gotteshäuser zwischen Hard und Frastanz, die Hans Purin ihre Gestalt verdanken. Man erkennt sie an ihrer Funktionalität, am Respekt und Mut im Umgang  mit der vorhandenen Bausubstanz.

Mein Blick geht über die (leidlich gefüllten) Bankreihen, dahinter steigen wie Wirbelwinde die leichten Wendeltreppen zu den Emporen auf, die den Raum umfassen. Die Fenster sind in der Höhe geblieben, aber nun sieht man zwischen ihnen die Wolken des Himmels ziehen. Hinter dem Altartisch hängt eine Hinterglasmalerei, ein Geschenk, das den Architekten besonders freute: Der Gekreuzigte im Rosen- und Traubenhag, ein Bild des Altacher „Naiven“ Otmar Burtscher. Hans Purin hat ihm noch selbst ein Blumenbild abgekauft, das er in Ehren hielt und das in seinem letzten ORF-Interview zu sehen ist. Links vom Ambo hat er in der  Wand des Altarbereichs eine Tür als Kreuz und Lebensbaum gestaltet, die bei Begräbnissen geöffnet wird: Immer ein lichter Moment, in dem die Verbindung der Gemeinde und  ihrer Verstorbenen räumlich zu spüren ist. Zu ihnen gehört nun auch Hans Purin.
Willibald Feinig

(aus KirchenBlatt Nr. 30 vom 1. August 2010)