Dreiteilige KirchenBlatt-Serie, diesmal "Gott, der Lebendige, führt aus den Sackgassen heraus" von Dr. Werner Urbanz.

Leben durch Gottes Geist

Er stellt den Menschen wieder auf die Beine. Sein Geist macht Lebloses wieder lebendig, und was vertrocknet und verdorrt ist, treibt neu aus. Gott, der Lebendige, führt den Menschen immer wieder aus der Gefangenschaft zu neuen Ufern des Lebens.

Werner UrbanzDr. Werner Urbanz
ist Alttestamentler an der Kath. Privatuni Linz.

Das Leben erhält oft recht dramatische Züge. Politische Fehler oder innere Zerrüttung führen immer wieder zu Katastrophen. Dies haben auch die Menschen des alten Israel erfahren, etwa als im 6. Jh. v. Chr. Stadt und Tempel zerstört werden. Teile der Bevölkerung werden in die Fremde nach Babylonien verschleppt. Wie geht es dort weiter? Was wird aus dem Volk? Was wird aus den Einzelnen? Was ist mit Gott?

Ohne Leben
Der Text von Ezechiel 37, 1–14 greift manche dieser Fragen auf. Hand und Geist Gottes führen den Propheten. Er betritt eine Ebene mit weitem Horizont. Unzählige Gebeine, das innerste Stabile des Menschen (vgl. Ps 22, 15), bedecken chaotisch diese Ebene. Der Prophet muss sich als Augenzeuge diese rundum ansehen. Er erkennt deren Zerstreuung und deren Zustand. Sie sind total ausgedörrt, vertrocknet, ohne Rest von Leben (vgl. Ps 102, 5.12). Die Israeliten sagen von sich: „Ausgetrocknet sind unsere Gebeine, unsere Hoffnung ist untergegangen, wir sind verloren.“ (Ez 37, 11) – So fühlen sich die Menschen im Exil.

Gott handelt
Dieser trostlosen Wahrnehmung gegenüber steht Gott. Er nimmt den Menschen(sohn) in einen Dialog hinein. Ezechiel ist als Prophet nicht nur Beobachter, sondern auch aktiv Handelnder. Im Auftrag Gottes verkündet er sein Wort. Gottes Wort bewirkt etwas auf dieser Erde (vgl. Jes 55, 10–11), wenn man es hört. Aber Sehnen, Fleisch und Haut machen noch keinen lebendigen Menschen aus. Es ist wie am Anfang der Schöpfung (Gen 1, 2; 2, 7). Der Geist Gottes macht lebendig und richtet die Menschen wieder auf, stellt sie auf die Beine. Dies alles sind Gegenbilder. Sie sollen Widerstand leisten gegen die erdrückende Gegenwart.

  • An die Stelle geschlossener Gräber sollen lebendige Menschen treten.
  • An die Stelle lebloser Zerstreuung in die Weite, soll lebenswerte Heimat in den Blick kommen.
  • Letztlich ist es die Nähe Gottes, die Leben und Heimat schenkt: „Dann werdet ihr erkennen, dass ich der HERR bin.“ (Ez 37, 6.13.14); Symbol dieser Nähe Gottes ist sein Geist, wehend und belebend.

Neue Schöpfung
Für das Volk Israel damals bedeutete dies, dass ein Leben im Exil nicht der Endpunkt ist. Durch Gott, nicht durch eigene Kraft, vermag es wieder in das eigene Land zurückzukehren, in ein Leben in Freiheit. Dies hat Israel in seiner Geschichte erfahren. Es ist wie ein neuer Exodus und wie eine neue Schöpfung. Gott schenkt seine Zuwendung wieder und immer wieder neu. Das Leben des Menschen führt oft in eine Sackgasse, der Mensch fühlt sich mitunter in einem tiefen Loch. Gottes Perspektiven sind aber andere. Den Erfahrungen menschlicher Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit stehen die unabsehbaren schöpferischen Möglichkeiten des Geistes Gottes gegenüber. Prophetische Gestalten werden in diese Dramatik einbezogen. In ihrem Wort wird das Gotteswort wirksam und man kann Gotteswort im Menschenwort vernehmen.

Auferstehung
Diese Hoffnung, dass Gottes Nähe auch über die Grenzen des Lebens hinaus erfahrbar wird, ist Kern der Auferstehungshoffnung. Wenn wir Ezechiel 37 als Lesung in der Osternacht hören (können) oder bildlich dargestellt auf Grabdenkmälern sehen (z. B. Renaissance-Hochgrab der Schaunberger in der Stadtpfarrkirche Eferding) werden wir daran erinnert: Gott will Leben. Er schenkt es durch seinen Geist.

Mich von Gott anfragen lassen

Auch mein persönlicher Lebensweg führt oft in Phasen der Minderung des Lebens, der Vitalität, der äußeren und inneren Dürre, der Trockenheit. Diese sind nicht zu leugnen, nicht zu verdrängen. Sie sind da. Ich kann mich durch diese von Gott anfragen lassen: Wann habe ich selbst aus solch hoffnungslos scheinenden Situationen wieder neues Leben gewinnen können? Wo habe ich schon neue Perspektiven gewonnen?
Welche Menschen sind dabei hilfreich für mich? Entwickeln andere mit mir neue Visionen und Bilder vom Leben?
Es ist immer wieder eine provokante Zumutung des Glaubens, dass Gottes Zuwendung auch durch Leid und Not nicht verschwindet. Es bleibt eine durch die biblischen Texte verbürgte Hoffnung, dass Gott das Leben der Menschen und jeder/jedes Einzelnen möchte. Gott sucht die Nähe zu den Menschen. Auch und gerade an den Rändern des Lebens.
Werner Urbanz