Dreiteilige KirchenBlatt-Serie, Teil 2 "Ezechiel - Gott lässt sein Volk nicht im Stich" von Dr. Franz Kogler

Ein Herz aus Fleisch

zum Bild rechts: Ezechiel: „Ich nehme das Herz aus Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz aus Fleisch . . . Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein.“ 
Foto: Angelika Gerlach

Weherufe über sein Volk, das von seinen Eliten in den Abgrund geführt wird; aber auch Visionen von einem neuen Verhältnis von Gott und Mensch – Ezechiel verkündet beides. Vor allem aber: Gott ist es, der die Initiative ergreift. Er reißt ihnen das Herz aus Stein aus der Brust und sammelt sein Volk.

Auf den ersten Blick wirken die Texte dieses großen Propheten fremd – und weit weg. Sie scheinen so gar nichts mit uns und heute zu tun zu haben: Eine Fülle von Droh- und Gerichtsworten zunächst über das eigene Volk, dann über die Fremdvölker – und schließlich doch auch noch Heilsworte.

Trotz allem
Der Prophet Ezechiel schaut eine Menge von Gräueltaten direkt in Jerusalem, die schließlich die Stadt in den Abgrund und Untergang führen werden. Und es kommt noch schlimmer: Gott verlässt diese (seine) Stadt (vgl. Ez 11, 23). Eigentlich vollkommen undenkbar in der damaligen Zeit – im 6. Jh. v. Chr.: Gott, so war die feste Überzeugung, ist doch an Jerusalem, an „seinen Tempel“ gebunden. Vor allem war das die Meinung der herrschenden Priesterschaft. Denn: Wäre Gott nicht mehr in der Stadt, hätten auch der Kult und ihre  wichtigen Positionen ein Ende. Undenkbar – zunächst auch für den Priestersohn Ezechiel. Doch sein Blick wird (von Gott) geweitet: Gott schaut nicht mehr länger zu, dass sich die Menschen von ihm ab- und zu anderen Göttern hinwenden. Und als der Untergang da ist, zieht er – trotz allem – mit seinem Volk in die Gefangenschaft. „So spricht Gott, der HERR: Auch wenn ich sie weit weg unter die Völker geführt und in alle Länder zerstreut habe, so bin ich doch in den Ländern, wohin sie gekommen sind, beinahe zum Heiligtum für sie geworden“. (Ez 11, 16)

Versagen der Hirten
Mit drastischen Worten wird das massive Versagen der Führenden von Ezechiel angesprochen: „Weh den Hirten Israels, die nur sich selbst weiden … Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung und schlachtet die fetten Tiere; aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide. Die schwachen Tiere stärkt ihr nicht, die kranken heilt ihr nicht, die verletzten verbindet ihr nicht, die verscheuchten holt ihr nicht zurück, die verirrten sucht ihr nicht, und die starken misshandelt ihr. Und weil sie keinen Hirten hatten, zerstreuten sich meine Schafe.“ (Ez 34, 2–3) Dies ist nicht aus dem Manifest von „Kirchenvolksbegehrern“, sondern steht so in der Bibel.

Ich führe euch
Trotz aller Untreue Israels lässt Gott sich jedoch in seiner Treue nicht beirren. Er lässt sein Volk nicht im Stich, sondern nimmt die Führung selbst in die Hand. Die bisher Verantwortlichen haben gleichsam ausgedient. Ein Neubeginn ist nun weit weg von Jerusalem zugesagt. Weil Gott bei und mit seinem Volk ist, ergeht an Ezechiel der Aufruf, von Gott her zu verkünden: „Ich führe euch aus allen Völkern zusammen, sammle euch aus allen Ländern, in die ihr zerstreut seid, und gebe euch das Land Israel. Ich nehme das Herz aus Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz aus Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Vorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein. (Ez 11, 17–20)

Bis heute aktuell
Bibeltexte wollen nicht wortwörtlich, sondern „ernst“ genommen werden. Nachdenklich machen diese Gedanken allemal. Vor allem auch deshalb, weil die Juden diese Sätze auch nach der Heimkehr aus dem Exil nicht aus ihrer Glaubensüberlieferung gestrichen haben. Sie sind bis heute Bestandteil ihrer – und auch unserer – Bibel. Sie sind uns sozusagen ins Stammbuch geschrieben –  als Anregungen, die unser Handeln in aktuellen Herausforderungen inspirieren können – und wollen!

Visionen von einem Neuanfang

„Nichts ist mehr so, wie es einmal war.“ Mit diesen oder ähnlichen Worten wird oft die Bedeutung großer Ereignisse charakterisiert, die zu Umbrüchen führen. Der Prophet Ezechiel stand in so einer Umbruchszeit. Für das Verständnis des Ezechiel-Buches ist es wichtig, die Einzeltexte immer im Horizont des Ganzen zu lesen. Dazu will das Buch von Christoph Dohmen eine Unterstützung anbieten, um so in ein selten beachtetes Prophetenbuch einzuführen.
Das Buch Ezechiel kann auch uns heute helfen, von Gottes Nähe und einer Zukunft mit Gott zu sprechen, gerade dann, wenn Vieles uns fraglich erscheint oder Traditionelles schon weggebrochen ist: „Nichts wird so werden, wie es war, denn alles wird neu!“
Franz Kogler

Buchtipp:
Christoph Dohmen, Visionen von einem Neuanfang. Hinführungen zum Buch Ezechiel.
Klosterneuburg (Verlag Österr. Kath. Bibelwerk), 116 Seiten,  € 9,90 Euro.
Zu bestellen bei der Buchhandlung „Die Quelle“, T 05522/72885

(aus KirchenBlatt Nr. 26 vom 4. Juli 2010)