"Mit Haut und Haar" von Ingrid Penner - Teil 1 der 3-teiligen KirchenBlatt-Serie.

Er hatte sich sein Leben anders vorgestellt. Als Spross einer Priesterfamilie war er für den angesehenen Dienst im Tempel vorgesehen. Doch Gottes Ruf macht Ezechiel zum Außenseiter, zum Propheten einer zunächst bitteren Wahrheit, die niemand hören will.

Der Prophet Ezechiel gehört mit Jesaja, Jeremia und Daniel zu den vier großen Propheten der Bibel. Das Ezechielbuch führt hinein in die Zeit und die Lebenssituation der nach Babylon verschleppten Israeliten während des Exils (597–538 v. Chr.). Die Verschleppung geschieht in zwei Etappen: Zunächst wird die Jerusalemer Oberschicht nach Babylon gebracht. Unter ihnen ist auch Ezechiel, der aus einer Priesterfamilie stammt. Noch stehen der Tempel und die Stadt Jerusalem.

In der Fremde
Das Ezechielbuch beginnt mit der Berufung des Propheten (im fünften Jahr nach der Verschleppung): Mit Haut und Haar, mit seiner ganzen Person wird Ezechiel von Gott in Anspruch genommen. Die bilderreiche Sprache schildert das Kommen Gottes gewaltig und eindrucksvoll im Gewittersturm und im Schauen des Thrones. Der Ort der Begegnung ist dabei nicht das Heiligtum, also der Tempel von Jerusalem, sondern das Exil in der Fremde.

Aussichtslos
Ezechiel wird als Sprachrohr Gottes, als Mahner eingesetzt. Zugleich wird ihm aber sofort bewusst gemacht, dass diese Aufgabe eine aussichtslose ist, denn die Angehörigen seines Volkes haben verhärtete Herzen und erstarrte Gesichter und werden als widerspenstig beschrieben. Die Tatsache, dass Gott seine Wohnung – den Tempel in Jerusalem – verlassen hat, lässt keine Hoffnung aufkommen, dass die Verschleppten bald nach Hause zurückkehren könnten.

„Fürchte dich nicht“, wird Ezechiel zugesprochen – ein schwacher Trost angesichts der äußeren Verhältnisse! Gott fordert den Propheten auf, eine Schriftrolle – gefüllt mit Totenklagen, Seufzen und Wehgeschrei – zu essen. Die bittere Botschaft wird im Mund des Propheten süß wie Honig. Was bedeutet: Gott lässt seinen Propheten, dem er zumutet, dem verstockten Volk, das nicht hören will, die bittere Wahrheit zu verkünden, nicht im Regen stehen, er rechtfertigt ihn. Das angekündigte Wehklagen ist unausweichlich, denn Gott wird das Gericht vollstrecken. Etwa 10 Jahre nach der ersten Verschleppung werden der Tempel und die Stadt Jerusalem zerstört und der Großteil der Bevölkerung nach Babylon verschleppt.

Total in Anspruch genommen
Wie sehr Gott den Propheten total, quasi mit Haut und Haar, in Anspruch nimmt, äußert sich in zahlreichen körperlichen Aussagen:
Der Geist stellt Ezechiel auf die Füße. Er wird aufgefordert, den Mund zu öffnen und die Schriftrolle zu essen. Sie füllt seinen Bauch. Gott verspricht dem Propheten, seine Stirn und sein Gesicht hart wie Kiesel zu machen, damit er dem widerspenstigen Volk entgegentreten kann; er lässt den Propheten verstummen und seine Zunge am Gaumen kleben – außer wenn Gott mit ihm redet: Dann wird er den Mund des Propheten öffnen.

„Anstatt als Priester zum Dienst im Jerusalemer Heiligtum wird Ezechiel in der Fremde als Prophet eingesetzt. Anstatt als Priester die Kommunikation zwischen Gott und Volk am Tempel zu garantieren, wird er gesandt, als Sprachrohr Gottes das Scheitern dieser Kommunikation deutlich zu machen. Ezechiel wird als exemplarischer Mensch zum Kontrastbild für alle anderen und gleichzeitig zum Wächter des Volkes. Er steht mit seinem Leben dafür ein, dass das Kommunikationsangebot Gottes, auch wenn es nicht angenommen wird, gegenwärtig bleibt.“ (Susanne Gillmayr-Bucher, Hauptreferentin bei der Bibelpastoralen Studientagung in Puchberg) 

Eine Einladung für Bibelinteressierte

Ezechiel neu entdecken: Darum geht es bei der 1. gesamtöster- reichischen Bibelpastoralen Studientagung vom 19. bis 21. August im Bildungshaus Schloss Puchberg (Wels). Sie steht unter dem Motto: „Das Wort ist ganz nah bei dir.“
Referate, Workshops und ein Rahmenprogramm geben Impulse für die praktische Bibelarbeit und eröffnen neue Zugänge zu Bibeltexten.
Die Hauptreferentin, Dr. Susanne Gillmayr-Bucher (derzeit an der Universität Aachen) lehrt ab Herbst 2010 an der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz. Weitere Referent/innen sind Dipl.-Theol. Anneliese Hecht (Bibelwerk Stuttgart), Dipl.-Theol. Dieter Bauer (Bibelwerk Schweiz) und Franz Strasser (Schauspieler, Wels).

Nähere Infos, Programm und Anmeldung: Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz
Tel: 0732/7610-3231, E-Mail: bibelwerk@dioezese-linz.at
Anmeldeschluss: 30. Juni 2010
Tagungsbeitrag: 70 Euro