Helmut Binder ist seit dem Sommersemester 2010 Professor für Orgel am Landeskonservatorium in Feldkirch. Im KirchenBlattgespräch wird klar, mit welchem Enthusiasmus, persönlicher Betroffenheit und musikalischer Tiefsinnigkeit der neue Orgel-Professor seine Aufgabe wahrnimmt. Das Gespräch führte Wolfgang Ölz.

zur Person - Helmut Binder

Niveau und Emotionalität müssen sich in der Kirchenmusik nicht ausschließen. Nur eine Bitte hat Professor Helmut Binder: „Bitte kein Kirchenmusikantenstadl.“  

Was bedeutet die Berufung zum Professor für Orgel ans Landeskonservatorium in Feldkirch für Sie?
Ich komme aus einer Lehrerfamilie und unterrichte gerne. Mein Aufgabenbereich in der Musikschule Dornbirn hat sich immer mehr eingeschränkt. Ich habe das Gefühl gehabt, ich bin hier unterfordert. Ich habe mir damals vor zwölf Jahren,  als die Stelle nach Günther Fetz ausgeschrieben wurde, schon ein bisschen Hoffnungen gemacht, zumal ich von meinem damaligen Lehrer Günther Fetz auch protegiert wurde. Damals hat es leider nicht geklappt, dafür freue ich mich jetzt umso mehr, dass ich mich jetzt dieser pädagogischen Herausforderung stellen kann.

Günther Fetz steht für einen Aufbruch in der Orgelszene im Land. Können Sie schildern, wie dieser Aufbruch Anfang der 80er Jahre geschehen konnte?
Es war eine Zeit, in der ungemein viele Orgeln entstanden sind, auch in kleineren Dörfern. Ich kann mich noch gut erinnern, dass damals ein richtiger Orgelbau-Boom stattfand. Es war auch eine Aufbruchstimmung, weil es Günther Fetz gelungen ist, viele junge Leute für das Instrument zu begeistern. Es hat vor ihm noch nicht so viele Organisten gegeben. Wenn jemand gut Orgel gespielt hat, dann war das beinahe schon etwas Exotisches.
Da kommt jemand wie Günther Fetz, der andere Dimensionen öffnet und auch ein hervorragender Pädagoge war, und plötzlich gibt es viele junge Leute, die Orgel lernen. Das hat sich beispielsweise auch in den österreichweiten Wettbewerben manifestiert, weil Vorarlberg dort in dieser Zeit immer sehr, sehr stark abgeschnitten hat.

Wie ist die Situation für die jungen Organist/innen im Land? Ist es ähnlich dramatisch wie bei den jungen Diözesanpriestern?
Ich wage es nicht, hier einen Zusammenhang herzustellen, zu der allgemeinen Einstellung der Leute zur Kirche. Klar ist: Die Orgel steht immer im Zusammenhang mit der Kirche, mit der Institution Kirche, mit dem Gebäude Kirche, mit einer gewissen religiösen Grundeinstellung. Ich glaube, ganz trennen kann man das nicht, aber umgekehrt soll man das Instrument einfach einmal als Instrument betrachten und die Vielseitigkeit und das Faszinierende an diesem Instrument in den Vordergrund rücken. Klar ist auch, dass man als Organist nicht losgelöst davon leben kann, dass man Gottesdienste spielt und Gottesdienste mitgestaltet, aber das ist etwas Tolles. Die Kirchenmusik ist etwas ungeheuerlich Lebendiges, wenn man die richtige Einstellung dazu hat, und das versuche ich auch zu vermitteln. Der Stellenwert der Kirchenmusik im Rahmen der Orgelausbildung soll ein möglichst großer sein.

Haben Sie selbst, wenn Sie während des Gottesdienstes Orgel spielen, auch einen spirituellen Zugang zum liturgischenHelmut Binder Geschehen?
Ich bemühe mich natürlich immer. Wenn man etwa an einem Wochenende vier Gottesdienste zu spielen hat, gelingt das nicht immer. Was mich betrifft, passiert bei mir Vieles impulsiv. Ich versuche, in meinem Spiel auch bewusst darauf einzugehen, was in der Messe an Wechselwirkungen zwischen dem Pfarrer und den Gläubigen passiert.

Welche Komponisten bevorzugen Sie, Sebastian Bach oder auch die modernen, wie Olivier Messiaen?
Bezüglich der Komponisten, die ich spiele, ist zu sagen, dass ich immer die Leute, die das hören, im Hinterkopf habe, dass sie auch eine Freude daran haben und sich davon emotional angesprochen fühlen sollen, ohne dass sie zum gespielten Stück eine Erklärung brauchen.

Welchen Stellenwert sollte die Orgel im katholischen Gottesdienst haben? 
Bei den evangelischen Gottesdiensten habe ich sehr oft erlebt, was für einen hohen Stellenwert die Orgel dort hat, dass zum Beispiel ein Nachspiel angesagt wird und der Pfarrer selbstverständlich in der Kirche bleibt, und das einfach als wichtigen Bestandteil des Gottesdienstes auch sieht. Mich freut auch, wenn ich bei uns in der Herz Jesu Kirche in Bregenz relativ spontan erfahre, der Pfarrer predigt heute nicht, und anstelle dessen findet als Meditation zum Evangelium ein Orgelspiel statt. Das sind die Herausforderungen, die ich wünschenswert finde.

Was wünschen Sie sich von den Priestern und Entscheidungsträgern vor Ort bezüglich der Pflege des Orgelnachwuchses?
Was den Nachwuchs betrifft, so ist die Situation, wie sie sich heute darstellt, so, dass wirklich sehr wenige junge Leute anfangen Orgel zu spielen. Das sehe ich schon als sehr dramatisch. Mittel- oder langfristig gibt es dann wirklich keine Organisten mehr, weil viele, die jetzt noch spielen, schon in einem fortgeschrittenen Alter sind. Da ist die Hellhörigkeit der Pfarrer und pfarrlichen Mitarbeiter gefragt, die sich aktiv umhören müssen, wo spielen junge Leute gut Klavier, die vielleicht auch noch einen Bezug zur Kirche haben. Wenn sich da etwas anbahnt, sollte man wirklich alle Türen öffnen, und dafür sorgen, dass sie einen Schlüssel der Kirche bekommen, dass sie nicht auf Pfarrsekretariatsöffnungszeiten angewiesen sind, und dass sie, wenn es im Winter kalt ist, womöglich einen Ofen bei der Orgel haben, und man es den Jugendlichen so angenehm wie möglich macht.
Wenn ein junger Mensch das erste Mal an einer Orgel brilliert, dann sollte das wie eine Primiz gefeiert werden. Genauso wie ein junger Priester bei seiner ersten Eucharistiefeier Wertschätzung und Anerkennung erfährt, so sollte ein(e) angehende(r) Organist(in) erfahren, wie sehr ihr Dienst und ihr Spiel zum Gottesdienst für die gesamte Gemeinde wichtig ist und nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Hatten Sie ein persönliches Berufungserlebnis für Ihre Aufgabe als Organist ? Erzählen Sie uns, wie Sie selbst zur Orgel gefunden haben! 
Ich persönlich hatte in meiner frühen Jugend diesbezüglich sehr viel Glück. Mein Vater war Organist im Gallusstift, der jetzigen Landesbibliothek, und ich habe einfach den Schlüssel zur Verfügung gehabt, und habe als Klavieranfänger all das, was ich auf dem Klavier geübt habe, gleich auf der Orgel ausprobieren können, wo es natürlich viel imposanter geklungen hat, als auf dem Klavier. Wenn mein Vater krankheitsbedingt ausgefallen ist, dann musste ich relativ spontan für ihn einspringen. So wurde ich ins kalte Wasser geworfen, ich habe es auf diese Weise gelernt und war gezwungen zu improvisieren. Das ist inzwischen über 40 Jahre her, und da bekommt man eine gewisse Routine, aber die Begeisterung ist nie verlorengegangen.

Was wünschen Sie sich in Bezug auf das Niveau von einer guten Kirchenmusik?
Ich lege sehr großen Wert darauf, dass die Kirchenmusik eine qualitätsvolle Sache ist und bleibt. Ein David-Vaterunser soll nicht der Maßstab aller Dinge werden. Die Tradition, die da mitspielt, soll nicht vergessen werden. Die Qualität des Gemeindegesangs, die Gesangsbegleitung, die, wenn sie gut ist, viel schwieriger ist, als man denkt. In der Kirche soll Musik geboten werden, die die Leute emotional berührt. Beides: Qualität und Emotionalität dürfen im Gottesdienst nicht zu kurz kommen. Bitte kein Kirchenmusikantenstadl!
Wolfgang Ölz

Zur Person - Helmut Binder

Eine Musikerkarriere
Der 1961 in Bregenz  geborene Helmut Binder ist seit dem Sommersemester 2010 Professor für das Fach Orgel am Vorarlberger Landeskonservatorium. Helmut Binder setzte sich in einem Auswahlverfahren gegen 40 internationale Bewerber durch. Er lernte zunächst in Vorarlberg bei Günther Fetz, der als Organist zu den renommierten Vertretern seines Faches gehört. Die „strenge und gute Ausbildung“ bei Günther Fetz war, wie der neue Orgelprofessor sagt, eine „sehr gute Grundlage“ für das Orgel-Konzertfach-Studium bei Peter Planyavsky in Wien. Der frühere Domorganist von St. Stephan gilt als „der“ Kirchenmusiker in Österreich.

Viele Talente und viele Aufgaben
Seit 1988 ist Binder Lehrer für Orgel und Klavier an der Musikschule Dornbirn. Er ist zudem Organist der Herz Jesu Kirche in Bregenz. Neben seiner internationalen Konzerttätigkeit gibt Helmut Binder auch regelmäßige Orgelworkshops.
Er ist auch Mitglied der Diözesanen Orgelkommission, die den Pfarren des Landes in allen Fragen rund um die Orgel als Servicestelle zur Verfügung steht. Alle Belange zu Orgel-Restaurierungen, Neuanschaffungen und dgl. mehr finden hier fachlich kompetente Beratung.

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(aus KirchenBlatt Nr. 30 vom 1. August 2010)