Auf dem Friedhof des Landeskrankenhauses Rankweil steht ein Gedenkstein für zu früh verstobene Kinder. Rainer Juriatti sprach mit einer der Hauptinitiatoren dieser Gedenkstätte, der im Landeskrankenhaus Feldkirch täigen Seelsorgerin Mag. Daniela Bohle-Fritz.

Am 21. April segnete Generalvikar Dr. Benno Elbs die nach längerer Bauzeit fertiggestellte neue Grabstätte ein. Wenige Tage darauf fand ein „Christliches Gemeinschaftsbegräbnis mit islamischem Gebetsteil für alle zu früh verstorbenen Kinder“ statt.
Daniela Bohle-Fritz und Benno ElbsRainer Juriatti befragte die Seelsorgerin Mag. Daniela Bohle-Fritz (im Bild mit Generalvikar Dr. Benno Elbs bei der Einsegnung der neuen Gedenkstätte).

Auf dem Gedenkstein steht „In stillem Gedenken an alle zu früh verstorbenen Kinder“. Kann ein Kind „zu früh“ sterben?
Daniela Bohle-Fritz: Für viele Eltern ist es eine völlig unerwartete, erschütternde Erfahrung, ihr Kind zu verlieren. Es ist unbegreiflich, dass so kleine Wesen schon sterben müssen, ohne überhaupt gelebt zu haben. Jede vierte Schwangerschaft endet mit einer Fehl- oder Totgeburt. Es tut so weh und ist immer zu früh. Es ist, „als ob mir ein Arm ausgerissen worden ist“, „als ob mein Herz zerrissen würde“, haben Mütter schon zu mir gesagt. Diese Gedenk- und Begräbnisstätte ist eine unverzichtbare Hilfe im Trauerprozess der Familien. Dieser konkrete Ort, an den man gehen und Geschenke und Kerzen mitbringen kann, und das Begräbnisritual helfen, Abschied zu nehmen, das Kind in Gottes Arme zu legen, zu trauern und den Verlust mit der Zeit ins Leben zu integrieren.

Gedenkstein für zu früh verst. KinderWie viele Beerdigungen finden beim Gedenkstein statt, der zunächst auf der Rückseite des Friedhofes zu finden war?
Daniela Bohle-Fritz: Wir gestalten zwei Begräbnisse im Jahr und eine Gedenkfeier mit Gräbersegnung im November. Jährlich werden 60-80 Fehl- und Totgeburten aus ganz Vorarlberg hier beerdigt.
Seit 1973 gibt es Aufzeichnungen darüber. Aufgrund des Bedürfnisses und Einsatzes betroffener Frauen konnte 1999 der Gedenkstein eingeweiht werden. Seit damals können alle Familien am Begräbnis ihrer Kinder teilnehmen. Wichtig ist, dass betroffene Frauen ihre Adresse der Seelsorge Feldkirch (05522/303/4060) melden, damit ich die Mütter und Väter zur Beerdigung einladen kann.

Welchen Stellenwert hat die Gedenkstätte abseits der Bestattungen?
Daniela Bohle-Fritz: Es gibt Eltern, die jede Woche hier auf diese Grabstätte kommen und Frauen, die drei oder vier Fehlgeburten zu verkraften haben. Untersuchungen der letzten Jahre belegen die Erfahrung, dass die Trauer in einem frühen Entwicklungsstadium des Kindes genauso stark sein kann, wie wenn der Embryo älter ist. Deshalb ist die Bestattungsrichtlinie, eine herausragende in Vorarlberg, für die Eltern auch so bedeutsam. Früher wurde der Schmerz heruntergespielt mit Bemerkungen wie: wird schon wieder - klappt halt beim nächsten Mal - war ja noch nichts. Heute weiß man: Länger anhaltende starke Trauer und wiederkehrende Trauer sind eine normale Reaktion auf die Erfahrung einer Fehlgeburt.

In diesem Zusammenhang wird von „guter Trauerarbeit“ gesprochen.
Daniela Bohle-Fritz: Es ist wichtig, dass Trauer und Schmerz sein dürfen und Eltern verständnisvolle Menschen finden, denen sie ihre Erfahrung erzählen und die mitfühlen können. Weinen hilft, Abschied zu nehmen und durch den Schmerz durchzugehen, so wird er mit der Zeit leichter zu ertragen und ermöglicht auch eine unbeschwertere nächste Schwangerschaft. Frühere Trauer kommt in neuen Verlustsituationen wieder zum Vorschein. So melden sich auch viele ältere Frauen bei mir, die ihr Kind vor 20 oder mehr Jahren verloren haben und keinen Begräbnisort besitzen. Diese Gedenkstätte und der Gedenkgottesdienst sind heilsam für ihr Leben und für eine nachträgliche Verarbeitung ihres Verlustes.

Sie nennen die Bestattung „Christliches Gemeinschaftsbegräbnis mit islamischem Gebetsteil“.
Daniela Bohle-Fritz: „Wir möchten ihnen danken, für das Bewusstsein, dass Trauer um einen Menschen religionsunabhängig ist.“ schreibt eine betroffene Frau. Dieser Ort ist ein Zeichen für die Humanität unserer Gesellschaft: Allen Kindern wird Respekt gezeigt und sie haben hier einen würdevollen Ort, an dem sie ruhen können.Friedhof beim Landeskrankenhaus Rankweil

„Früher mussten die Frauen ihre Trauer immer verstecken. Man hat den Schmerz heruntergespielt mit Bemerkungen wie: wird schon wieder - klappt halt beim nächsten Mal“. Mag. Bohle-Fritz