3. Teil der Serie mit P. Anselm Grün: Die Sieben Haupsünden, diesmal: Zorn, Groll, Bitterkeit

Die Emotionen, an die uns die dritte Hauptsünde erinnert, haben alle mit Aggressionen zu tun. Die Aggression ist eigentlich die Kraft, die das Verhältnis von Nähe und Distanz regelt.

Anselm Grün

P. Anselm Grün:
(Benediktiner der Abtei Münsterschwarzach)

Die Aggression ist also eine gute Lebensenergie. Sie treibt uns an, etwas anzupacken und auf etwas zuzugehen, um ein Problem oder einen Konflikt zu lösen. Ohne Aggression werden wir leicht depressiv. Wir haben keine Kraft, unser Leben zu bewältigen. Zur Gefährdung wird die Aggression nur, wenn wir nicht gut mit ihr umgehen. Dann kann sie sich wandeln in Zorn, Groll oder Bitterkeit oder gar in Hass. Hass oder Bitterkeit können uns zerstören. Zorn kann uns aus unserer eigenen Mitte reißen. Aber die Aggression wandelt sich meistens dann in diese zerstörerischen Emotionen, wenn wir sie zu lange unterdrückt haben.

Jesu Zorn. Es geht nicht darum, die Aggression unkontrolliert auszuagieren. Manche meinen, sie müssten alle negativen Gefühle sofort loswerden, damit sie keine Magengeschwüre bekommen. Aber dass meine Aggressionen in den anderen Magenschmerzen hervorrufen, das übersehen sie. Aggressionen müssen immer angemessen geäußert werden.
Von Jesus heißt es, dass er die Pharisäer, die ihn genau beobachteten, ob sie ihn anklagen könnten, „voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz“ (Mk 3,5) angeschaut hat. Er hat sie nicht angeschrieen. In seinem Zorn hat er ihnen vielmehr vermittelt: „Ich mache euch keinen Vorwurf, dass ihr ein so hartes Herz habt. Aber das ist eure Sache. Ich lasse euch da, wo ihr seid. Doch ich gebe euch keine Macht über mich. Ich tue das, was ich von Gott her als richtig erkannt habe.“ Trauer heißt im Griechischen „syllypousthei = mitfühlen“. Jesus distanziert sich von den Pharisäern, aber er reicht ihnen auch die Hand. Er schneidet die Beziehung nicht einfach ab. Er möchte weiterhin mit ihnen in Kontakt bleiben, aber in Freiheit und nicht in Anpassung, damit sie mit ihm zufrieden sind.

Hass als Impuls. Wenn die Aggression bei mir in Hass oder Bitterkeit zeigt, soll ich mich deshalb nicht verurteilen. Vielmehr soll ich den Hass als Impuls nehmen, mich zu wehren und zu distanzieren von dem, dem mein Hass gilt. Eine Frau verurteilte sich, weil sie Hassgefühle ihrem Mann gegenüber hatte, der sie als Alkoholiker ständig belogen hat. Sie meinte, sie sei eine schlechte Christin. Denn als Christ dürfe man keinen Hass haben. Doch der Hass hatte ja durchaus eine Berechtigung.
Wenn ich den Hass auslebe, schade ich mir und dem andern. Wenn ich ihn unterdrücke,, wird er trotzdem immer wieder in mir auftauchen. Ich kann nur mit dem Hass sprechen und schauen, welcher Impuls im Hass stecken mag.
Im Hass könnte der Impuls sein: „Ich habe auch ein Recht zu leben. Ich lasse mich nicht kaputtmachen.“ Wenn ich diesen Impuls lebe, brauche ich den Hass nicht mehr. Das starke Gefühl beherrscht mich nicht mehr. Es hat mich nur daran erinnert, dass ich selber leben soll, anstatt mich von andern bestimmen und leben zu lassen.

Gift in der Seele. Das Gleiche gilt von der Bitterkeit. Bitterkeit kann wie ein Gift in meiner Seele wirken. Sie tut mir nicht gut. Sie lässt das ganze Leben bitter erscheinen und sie vergiftet meine Beziehungen zu andern Menschen.
Bitter kommt von „beißen“. Die Bitterkeit hinterlässt in mir einen beißend scharfen Geschmack. Sie kann dazu führen, dass ich verbittere, dass alles in mir vergiftet wird. Die Bitterkeit kann wie eine Giftschlange sein, die mich beißt und ihr Gift in meine Seele träufelt. Groll kommt ursprünglich von „grellen, laut schreien, vor Zorn brüllen“. Der Groll
äußert sich also in einem lauten Geschrei. Er zeigt, dass ich außer mir bin, dass ich beherrscht werde von meinen negativen Emotionen. Auch wenn ich nicht nach außen losbrülle, so grollt es doch in meinem Innern.

Fragen. Wenn ich in mir Bitterkeit oder Groll wahrnehme, dann soll ich sie befragen, was sie mir sagen wollen. Wo habe ich ein Gefühl von Ausgenutztwerden übersehen oder ein Gefühl von Enttäuschung? Wo habe ich meine eigenen Aggressionen übersprungen und mich zu sehr angepasst? Groll und Bitterkeit tun mir auf Dauer nicht gut. Aber wenn sie in mir auftauchen, dann wäre es wichtig, auf diese Gefühle zu antworten, damit sie mich nicht mehr beherrschen, sondern mich zu dem führen, was ich in Angriff nehmen muss.

Sich befreien. Vielleicht sollte ich mich besser abgrenzen, vielleicht sollte ich mich befreien von der Macht anderer Menschen. Manchmal kann der Groll auch eine Einladung sein, über den oder jenen Menschen nicht mehr zu sprechen. Vor allem wenn ich merke, dass ich nur über ihn schimpfe, dann wäre es gut, mir zu verbieten, über diesen Menschen zu reden. Auf diese Weise kann sich der Groll legen. Und ich werde innerlich frei von diesem Menschen. Ich gebe ihm keine Macht mehr.

Übung 

Es gibt zwei Wege, mit der Aggression, mit dem Zorn, dem Groll und der Bitterkeit umzugehen.

Der erste Weg besteht im körperlichen Ausagieren. Du kannst auf ein Kissen hauen und dabei deine Aggressionen ausleben. Oder du gehst in den Wald und schreist deine Aggressionen heraus. Das kann dich befreien. Es befreit auf jeden Fall mehr, als wenn du über andere schimpfst.
Die Erfahrung zeigt, dass das Schimpfen unsere Aggressionen nur noch vermehrt. Das Ausagieren im Laufen, im Holzhacken, im Schreien oder im Boxen dagegen löst unsere Aggressionen auf.

Der zweite Weg besteht darin, mit seiner Aggression zu sprechen. Beobachte dich genau, wo du aggressiv bist.
Was will dir deine Aggression sagen? Was würde es bedeuten, diesem oder jenem Menschen gegenüber einmal nein zu sagen und dich abzugrenzen?
Warum hast du Angst davor? Hast du Angst, du könntest nicht mehr so beliebt sein?
Du kannst ja auch freundlich nein sagen. Wenn du dem andern keine Vorwürfe machst, dass er Erwartungen an dich hat, wirst du auch nicht aggressiv auf ihn reagieren, sondern in aller Ruhe und Freiheit und Freundlichkeit nein sagen. Das wird die Beziehung klären und vertiefen.