Die Diözese Linz hat die Kraft, aus der Krise zu finden – meinte Medienbischof Egon Kapellari bei einer Journalistenreise vergangene Woche in Rom.

Dort wurde die „Linzer Sache“ noch als Randthema gesehen. Alarmstimmung herrschte vor allem wegen der „Schieflage“, die nach der Rücknahme der Exkommunikation von vier lefebvrianischen Bischöfen entstanden ist.
(von Matthäus Fellinger) 

Bild: In den Wasserpfützen der Nacht siegelt sich die mächtige Kuppel des Petersdoms.

Regen, Regen. Seit November immer wieder Regen. Das schlägt auf die Stimmung der Römer. Ihrer Stadt ist die sonst so typische Heiterkeit abhanden gekommen. In den Wasserpfützen der letzten Nacht spiegelt sich die Kuppel des Petersdoms, ein Zerrbild ohne scharfe Konturen. Ein Sinnbild für die gegenwärtige Situation? Das Ansehen des Vatikans hat enormen Schaden genommen.
„Das ist kein GAU, nein, das ist ein Super-GAU“ korrigiert sich Benedikt Steinschulte aus dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel vor der österreichischen Journalistengruppe – und kommt gleich auf „die Sache“ zu sprechen, die auf der Welt, aber auch im Vatikan ein Erdbeben ausgelöst hat: die Aufhebung der Exkommunikation für die vier Lefebvre-Bischöfe und die fast zeitgleiche Enthüllung der Holocaust-Leugnung durch Bischof Williamson im schwedischen Fernsehen. „Der Papst hat davon mit Sicherheit nichts gewusst“, nimmt man den obersten Hausherrn hier in allen Dikasterien in Schutz. Auch Bischof Josef Clemens vom Päpstlichen Laienrat ist sich da sicher. Auf den unteren Ebenen aber, da wurden Fehler gemacht. Es müsse Verbesserungen in der innervatikanischen Zusammenarbeit geben. „Das hätte nicht passieren dürfen.“
 
Das größere Ziel. Der oberste Pressemann des Papstes, Pater Federico Lombardi SJ, hat viel zu tun in dieser Sache. Es sei dem Papst darum gegangen, das Schisma mit der Piusbruderschaft zu beenden, ehe es zu spät wäre. Die Bruderschaft hätte vor allem in Frankreich viel Zulauf. Bereits 600 Priester gäbe es. Die Gefahr, dass die Trennung sich verfestigen würde und nicht mehr umkehrbar wäre, hätte bestanden. Die Aussagen vom inzwischen von der Piusbruderschaft selbst suspendierten Bischof Williamson hätten die gute Absicht in dieses schiefe Licht gebracht.
Als Pater Lombardi am Donnerstag Nachmittag nach einem abschließenden Radio-Vatikan-Interview den New-Yorker Rabbiner P. Frederico Lombardi und Rabbiner Arthur SchneierArthur Schneier zum wartenden Auto begleitete, konnte er aufatmen. Das vormittägige Treffen des Papstes mit den hohen Repräsentanten des Judentums war gut gelaufen. Dem für Mai vorgesehenen Besuch des Heiligen Vaters in Israel scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Jetzt hängt vieles an der Piusbruderschaft – dass sie das vom Papst in sie gesetzte Vorschussvertrauen auch einlöse und den Weg des Konzils wieder beschreite.

Bild: Rabbiner Arthur Schneier (2. von rechts) verlässt nach klärenden Gesprächen den Vatikan. Hier mit dem vatikanischen Pressechef P. Federico Lombardi SJ.

Die Sache Linz. Aber das ist nur die eine Sache. Über den deutschen Sprachraum hinaus hat die Ernennung von Dr. Gerhard Wagner zum Weihbischof von Linz hohe Wellen geschlagen. Die Los Angeles Times berichtete auf der Titelseite. Im Vatikan blockte man letzte Woche noch ab, meinte, dass dies doch eher eine lokale Frage betreffe. Die wirklich großen Themen seien hier andere, etwa der Dialog mit China mit dem Ziel, eine schrittweise Anerkennung der Religionsfreiheit zu finden, erklärt Erzbischof Claudio Maria Celli, der Präsident des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel. Im Fall China anerkennt der Vatikan – um des größeren Zieles willen – sogar Bischofsernennungen, die unter großem staatlichem Einfluss zustande kamen und bei denen Rom praktisch nicht beteiligt war.

Das Zentralnervensystem der Kirche. Über den „Fall Linz“ scheint man in den Dikasterien dann doch gut informiert zu sein – aber aus welchen Quellen? Das ist die große Frage. Bischof Clemens sieht Schuld bei Medien, die den damaligen Weihbischofskandidaten auf wenige Themen hin einordnen – in der Pfarre hätte er doch einen guten Ruf. Beim abschließenden Pressegespräch ahnte Medienbischof Egon Kapellari noch nichts von der dramatischen Wendung, die die Ernennung Wagners wenige Tage später nehmen würde.
„Wie ich die handelnden Personen kenne, ist eine Rücknahme nicht zu erwarten“, meinte er noch. Seine grundsätzlichen Aussagen scheinen dennoch aktuell: Es müsse alles darangesetzt werden, dass das Weihesakrament als „Zentralnervensystem der Kirche“ nicht ausgehöhlt werde. Hier hätte sich in Linz sehr viel zugespitzt, betonte er, und: „Das Bischofsamt darf nicht demontiert werden.“ Möglicherweise war genau das der Grund, dass Rom die Ernennung zurückzog.
Über die Diözese Linz selbst findet Medienbischof Kapellari gute Worte: „Es ist eine Diözese mit ausgeprägten Flügeln und einer vitalen, breiten Mitte, die es zu stärken gilt“, meinte Kapellari in Rom.
Und die Diözese hätte auch die Kraft aus der Krise herauszufinden.

Audienz im Vatikan. Mittwoch Vormittag. Mit rund 8000 Menschen ist die große Audienzhalle auch jetzt im Februar voll. Viele junge Leute sind da, Schülerinnen und Schüler vor allem aus dem französischen Raum, aber auch Gruppen aus aller Welt. Auch die steirischen Dechanten sind da und eine oberösterreichische Pilgergruppe. Die meisten hier erwarten nicht, dass der Papst auf aktuelle Themen zu sprechen kommt. Die wichtigste Botschaft für sie ist, wenn ihre Gruppe mit Namen begrüßt wird. Der Papst hält eine Katechese über den frühmittelalterlichen Mönch Johannes Klimakos. Dieser hätte den christlichen Weg des Menschen wie den Aufstieg auf einer Leiter dargestellt. Oben steht das ganz Einfache: Glaube, Hoffnung, Liebe. Es geht darum, auf der Höhe zu leben – nicht auf der Höhe der Zeit, sondern auf der Höhe Gottes.

Mehr Denker als Lenker. Der langjährige Leiter von Radio Vatikan P. Eberhard v. Gemmingen SJ hält den Papst nicht für den großen politischen Papst, der sein Vorgänger war. Benedikt XVI. sei überzeugt, dass es wichtiger sei, das Wesentliche zur Sprache zu bringen. „Er ist ein Denker und Vordenker“, meint v. Gemmingen, medial daher schwieriger zu vermitteln als der kantige Johannes Paul II. Aber Benedikt glaube eben, dass die Denker für die Menschheitsgeschichte wichtiger gewesen wären als die Lenker in den Geschicken der Zeit. Und P. v. Gemmingen  sagt, er freue sich darauf, wenn er im Herbst aus dem Vatikan zurückkehren wird ins bayerische München.

Dialog ist unverzichtbar

Bisch.Kapellari und Kurienkardinal KasperKurienkardinal Walter Kasper (im Bild rechts, mit Medienbischof Dr. Egon Kapellari) ist der deutsche Weggefährte des deutschen Papstes. Er macht kein Hehl daraus, dass er manche Formulierungen des Papstes lieber anders gesetzt hätte, vor allem jene, die den protestantischen Kirchen abspricht, Kirchen im vollen Sinne zu sein.

„Manchmal“, spielt er auf die jüngsten Verwirrungen im Zusammenhang mit der Piusbruderschaft an, „würde ich mir auch innerhalb der Kurie mehr Ökumene wünschen“. Er meint damit, dass die rechte Hand wissen sollte, was die linke tut. Wenn Kardinal Kasper Papst Benedikt XVI. bei den jüngsten Turbulenzen in Schutz nimmt, hat das Gewicht.

„Die Weltsituation ist so, dass wir uns nicht leisten können, gegeneinander aufzutreten“, spricht er sich für den Dialog mit Muslimen, Judentum und in der Ökumene aus.

Artikel von Matthäus Fellinger (Kirchenblatt 8/2009)