Gesellschaftspolitischer Stammtisch zum Thema Wirtschaftskrise - Bericht von Daniel Furxer

Spätestens seit den gescheiterten Verhandlungen mit der Firma Hirschmann (einer der größten Auto-Zulieferer) über die Kurzarbeit ist klar: Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat Vorarlberg erreicht. Wie dick kommt es wirklich? Wie reagiert das Land Vorarlberg auf diese Herausforderungen und wie bezieht die Kirche dazu Stellung? Dies waren die Brennpunkte des gesellschaftspolitischen Stammtisches, organisiert vom Ethik-Center der Diözese, der am 2. Februar erstmals im 4. Stock des Kolpinghauses stattfand.

Bild - Hochkarätiges Podium:  Caritasseelsorger Elmar Simma, der Landesgeschäftsführer des AMS, Anton Strini, Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser, ehemalitger Bildungsbeauftragter für Lehrlingsfragen, Egon Blum (von li)

Anton Strini, Landesgeschäftsführer des AMS, zeichnete ein nicht gerade erfreuliches Bild der Arbeitsmarktsituation. Momentan gebe es in Vorarlberg 10.400 Arbeitslose, was 6.6 % der Bevölkerung entspricht. Der Zuwachs sei im Vergleich zum Vorjahr um 19,2% gewachsen. Im bundesweiten Vergleich würden wir Vorarlberger aber noch gut dastehen, da der Bundesschnitt bei 8,3% Arbeitslosigkeit liegen würde. Auffallend sei, dass 50% der momentan Arbeitslosen gering Qualifizierte seien, also nur über einen Hauptschulabschluss verfügen. Trotz allem sei die Situation im europäischen Vergleich noch nicht erschreckend, Vorarlberg aber auch Österreich insgesamt hätten ein gutes Standing.

Vorarlberg wird es schaffen! Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser schlug in eine ähnliche Kerbe: Vorarlberg habe gute Voraussetzungen, die Krise zu meistern. Durch einen verantwortungsvollen Finanzhaushalt, mehr Geld für Forschungs- und Entwicklungsprojekte und durch das Vorziehen von Bauprojekten könne viel abgefedert werden. Auch das Lehrlingsförderungspaket und das Modell zur Kurzarbeitszeit seien Schritte, die Finanzkrise zwar nicht zu lösen, aber doch zu entschärfen.

Vom Blum-Bonus und Caritasprojekten. Egon Blum, ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung, betonte vor allem die Wichtigkeit der Qualifizierung der Jugendlichen. Man müsse die Jugendlichen nach ihren Möglichkeiten qualifizieren und für den Arbeitsmarkt vorbereiten. Dies sei immer noch eine Hauptaufgabe der Ausbildung. Sein kreierter Blum-Bonus und einen Qualifikationsbonus für Lehrlingsbetriebe sieht er dabei immer noch als den richtigen Weg an.
Caritasseelsorger Elmar Simma appellierte an die Kirche, sie solle deutlicher benennen, wo die Probleme liegen. Alte Werte wie Solidarität, Gemeinwohl teilen und teilhaben lassen seien gerade in dieser Situation enorm wichtig. Eine Ethik des guten Lebens und Überlebens für alle zu sichern sei der Auftrag an die Menschen. Dies könne zum Beispiel mit einem Projekt wie der „Startbahn“, bei dem Jugendliche in den Arbeitsmarkt wieder integriert werden, sowie einer bedarfsorientierten Grundsicherung erreicht werden.

Furxer DanielKommentar von Daniel Furxer:
Insel der Seligen?

10.400 Arbeitslose im Land. Das ist der höchste Wert seit 2005. Allein diese Zahl zeigt sehr deutlich, dass auch Vorarlberg massiv von der Wirtschaftskrise betroffen ist. Umso erstaunlicher war daher, wie Wirtschaftslandesrat Rüdisser aber auch AMS-Chef Strini die Situation für Vorarlberg weitgehend schönredeten. Bei ihren Statements entstand der Eindruck, dass wir doch noch auf einer „Insel der Seligen“ leben. Ob dies die vielen Arbeitslosen, die in den nächsten Monaten entlassen werden, auch so sehen, bleibt dahingestellt.

Keine Frage: Das Land Vorarlberg tut sicher alles Menschenmögliche, um die Krise abzufedern. Und natürlich führt allzu viel Pessimismus dazu, dass sich die Spirale der Wirtschaftskrise weiter nach unten bewegt. Was an diesem Abend zu kurz gekommen ist, war jedoch ein realistischer Blick auf die Gesamtlage der Krise, wie sie sich in Vorarlberg darstellt. Viel lieber sonnten sich die Podiumsgäste in den schon getroffenen Hilfsmaßnahmen.

Was aber noch viel schwerer wiegt ist die Tatsache, dass das Finanz- und Wirtschaftssystem, wie es praktiziert wird, nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde - sehr wohl wurde von Solidarität und Gemeinwohl gesprochen (v. a. von Pfr. Elmar Simma). Wie aber ein Wirtschaftssystem in Vorarlberg auf diesen Werten aufgebaut werden kann, davon war keine Rede. Wenn sich 2010 die Wirtschaftslage wieder beruhigt hat, wird man wieder zum ‘business as usual’ zurückkehren. Bis zum nächsten Finanz-Crash, vielleicht...?

Artikel aus dem Kirchenblatt 5/2009