„Damit sie eins werden in deiner Hand“ (Ez 37,17) ist das Motto der heurigen Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. Die Vertreter von drei im Ländle aktiven christlichen Kirchen sprechen im KirchenBlatt-Interview über ihr Verständnis von Einheit und Ökumene. Von Petrick Gleffe und Walter Buder.

Alexandru Nan

lebt in Chur (CH), ist orthodoxer Priester und Pfarrer der rumänisch- orthodoxen Gemeinde in Vorarlberg, die es seit einem Jahr gibt.

Jürgen Schäfer

ist reformierter Theologe und Pfarrer der evangelischen Gemeinde St. Paulus in Feldkirch (Augsburger und Helvetisches Bekenntnis - A. u. H. B.).

Paul Riedmann ist römisch-katholischer Priester und Mitglied der bischöflichen Ökumenekommission der Diözese Feldkirch und betreut die charismatische Erneuerung (CE). 

KirchenBlatt: Was bedeutet für Sie „Einheit“ für Sie?
Pfr. Alexandru Nan (orth.): Jeder wahre Christ soll sich nach dem sichtbaren Einssein sehnen, wie es dem Wunsch des Herrn (Joh 17,21) entspricht. Eine ehrliche und tiefere Einheit kann es nur geben, wenn die Gaben aller Menschen – Frauen und Männer, Jungen und Alten, Laien und Ordinierten – anerkannt werden, wenn jeder Mensch Einspruch gegen alle Trennungen aufgrund von Rasse, Geschlecht, Alter oder Kultur  erhebt.
Pfr. Jürgen Schäfer (evang.): Auf jeden Fall nichts was mit Äußerlichkeiten wie  Kirchenmitgliedschaft, Kirchenrecht, sakramentalen oder sonstigen religiösen Handlungen etc. zu tun hat. Ich denke da eher an Neugier und Phantasie, an Kennenlernen und Miteinander in Kontakt kommen, an Verstehen lernen - an die Sprache des Herzens, an alle echte Menschlichkeit und menschliche Echtheit...
Pfr. Paul Riedmann (kath.): Einheit heißt für mich aufeinander zugehen ohne Angst und Vorurteile, den jeweils anderen Charakter der verschiedenen Konfessionen nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung sehen. „Einer für alle, alle für einen“ - dieser Titel einer österreichweiten, überkonfessionellen Begegnungskonferenz 2008 in Schlierbach ist gleichzeitig Vision: Jesus Christus ist für alle Menschen gestorben, deshalb wollen wir uns „wie ein Mann“ für IHN, die Verbreitung seines Evangeliums und sein Reich einsetzen – in Liebe und gegenseitiger Wertschätzung, ohne Neid und Eifersucht.

Es scheint,  dass viele sich mit den Kirchenspaltungen abgefunden haben. Was spricht für ökumenische Bemühungen?
Pfr.  Nan (orth.): Wie schon ein Dokument unterstreicht, das von der orthodoxen Seite vor einigen Jahren herausgegeben wurde, ist die Teilnahme der Orthodoxie an der heutigen ökumenischen Bewegung keine Revolution in der Geschichte der Orthodoxie, sondern eine natürliche Konsequenz des beständigen Gebetes der Kirche für die Einheit aller.In der säkularisierten und globalisierten Welt, in der wir leben, ist es sehr wichtig, dass diese Einheit realisiert wird, um ein gemeinsames christliches Zeugnis der Wahrheit für die ganze Menschheit geben zu können.
Pfr. Schäfer (evang.):  Die Frage ist, was mit "Spaltungen" gemeint ist.  Der eigentliche Skandal ist nicht, dass die Wiese viele unterschiedliche Blumen hat, sondern, dass manche glauben, sie seien die einzigen oder die wahren Blumen.
Pfr. Riedmann (kath.): Der Auftrag Jesu Christi, dass alle eins seien, damit die Welt glaube (Johannes 17, 21). An diesem Wunsch und Willen unseres gemeinsamen Herrn kommen wir nicht vorbei. Weiters: Jede christliche Kirche hat ihr je eigenes Charisma, das die anderen herausfordert und ergänzt.

Wo sehen Sie derzeit die Probleme und die Chancen in der Ökumene?
Pfr. Nan (orth.): Es sind Probleme dort, wo die Wahrheiten einer Kirche (Konfession) relativiert werden und der Dialog nur oberflächlich geführt wird. Diese Haltung kann kurzfristig Früchte bringen aber  wird sich in der Zukunft als Fehler erweisen. Die Chancen sehe ich in dem Bewusstsein, dass das, was uns verbindet, stärker ist als das, was uns trennt.
Pfr. Schäfer (evang.): Ich sehe die Chance der Ökumene im 3. Weg. Das ist der einzige für Frieden und Miteinanderauskommen. Der 1. Weg - von der Häufigkeit her gesehen - ist zu sagen, du bist gut, weil du genauso bist wie ich, du wählst die selbe Partei, du gehst in dieselbe Kirche wie ich. - Der 2. Weg ist: Entweder ich bekehre dich für meinen Glauben, für meine Weltanschauung etc. oder du bist schlecht, böse, ich muss dich bekämpfen...- Der 3. Weg heißt: Du bist anders als ich, du glaubst anderes als ich, du lebst anders als ich, aber wir überwinden die Angst, die wir voreinander haben, und wir gehen miteinander in Achtung und Respekt um, vielleicht lernen wir sogar  ein bisschen voneinander und wir lassen einander so, wie wir sind.
Pfr. Riedmann (kath.): Die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Abendmahl (Herrenmahl) ist bei sehr vielen Christen sehr groß. Deshalb bedeuten die diesbezüglichen, unterschiedlichen Auffassungen ein Problem für viele. Es sind auch noch viele Wunden aus Abspaltungen vorhanden, die nach Versöhnung und Heilung rufen. Chancen sehe ich vor allem darin, wenn einer dem anderen Einblick in seine Glaubensgeschichte gibt. Dadurch kann gegenseitiges Erkennen geschehen, Respekt wachsen und Schritt für Schritt Annäherung und eine „Ökumene der Herzen“ entstehen.

Ökumene - Bibel und KreuzWo liegen im Hinblick auf ein gemeinsames christliches Zeugnis in Europa die Stärken Ihrer eigenen Kirche?
Pfr. Nan (orth.): Zuerst möchte ich die Spiritualität des Ostens nennen, die ein wahrer Gewinn für die ganze Christenheit sein könnte.  Aber auch in Sachen Bewahrung der Schöpfung kann die Orthodoxie einen Beitrag leisten.
Pfr. Schäfer (evang.): Immer wieder stelle ich trotz allem fest, dass die reformierte Kirche doch auch Raum für Liberalität und Toleranz  bietet.
Pfr. Riedmann (kath.): „Die katholische Kirche hat uns den christlichen Glauben über die Jahrhunderte hin bewahrt und sich in der Treue bewährt“: solche Kontinuität benannten selbst Christen anderer Kirchen als eine unserer Stärken. Das eine, gemeinsame Lehramt in unserer Kirche hat viel Gutes, Einheit stiftendes an sich. Und schließlich ist auch die Diakonie (zum Beispiel die Caritas) eine unserer Stärken.

Was bedeutet Ihnen die gemeinsame Vesper in der katholischen St. Peter und Paul-Kirche in Lustenau?
Pfr. Nan (orth.): Sehr viel! Von einer Seite die Tatsache, dass ich und die Mitglieder unserer jungen Pfarrgemeinde in Vorarlberg das erste Mal an einem ökumenischen Gottesdienst in diesem Lande teilnehmen werden. Von der anderen Seite freue ich mich auch, dass uns die Möglichkeit gegeben wird,  die von Christus erwünschte Einheit  mindestens im Gebet mit allen Christen des Landes  zu realisieren.
Pfr. Schäfer (evang.): Ich bin kein Priester, deshalb möchte ich keinem Gottesdienst vorstehen. Ich zelebriere übrigens auch keine Gottesdienste. Jedoch feiere ich gerne mit anderen gemeinsam einen Gottesdienst, auch gerne mit römisch-katholischen, altkatholischen und orthodoxen Priestern. Mit Leuten anderer Kirchen zu kommunizieren ist nicht zuletzt lehrreich und spannend in Bezug auf den eigenen Standpunkt.
Pfr. Riedmann (kath.):  Mit meinem Amtskollegen, dem evangelischen Pfarrer Jürgen Schäfer, verbindet mich aus meiner Zeit als Pfarrer in Feldkirch-Tisis eine gute, persönliche Beziehung. Wir haben schon den einen und anderen Gottesdienst gemeinsam gefeiert. Das ist ein kostbares Anknüpfen an früher. Den orthodoxen Mitbruder Pfr. Alexandru Nan kenne ich bisher leider noch nicht. Am Rande der ökumenischen Versammlung von Sibiu (im Sommer 2007) habe ich ein wenig Einblick in die Tradition und Liturgie der rumänisch-orthodoxen Kirche bekommen. Ich habe diese, vor allem auch deren Gastfreundschaft, schätzen gelernt. Somit freue ich mich auf diese Begegnung.

Einladung zur Ökumenische Vesper zum Abschluss der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen.
25. Jänner, 19 Uhr, Lustenau, Pfarrkirche St. Peter und Paul (Kirchdorf)