Wer liebt, muss akzeptieren, dass die Bedürfnisse beider Partner nicht immer zusammenpassen

Zwei Liebende tun sich in einer Beziehung nicht nur zusammen, um etwas zu geben, sondern auch um etwas zu bekommen.Nur: Eine Beziehung ist keine Einrichtung für garantierte Bedürfnisbefriedigung.

Es gibt Momente und Situationen, in denen die Bedürfnisse nicht zusammenpassen. Das kann zu Konflikten und Enttäuschung führen. Liebe ist nicht selbstlos. Wer liebt, will etwas. Und begibt sich darum in eine Abhängigkeit. Denn er will es ja nicht von irgendwem, sondern von diesem einen Menschen, der sich dafür entscheiden kann. Oder dagegen.

Recht auf Glück. „Nie fragst du, wie mein Tag war“, sagt Anna zu Richard. Ein Vorwurf, in dem mitschwingt, dass sie seine Nachfrage für ihr gutes Recht hält. Denn wenn man ein Recht einfordern kann, muss man sich nicht abhängig fühlen. „Du bist egoistisch und gefühlskalt“, legt sie nach, wenn ihr sein Interesse besonders schmerzlich fehlt. So drückt sie aus, dass mit ihr alles in Ordnung ist, aber mit ihm etwas nicht stimmt. „Es ist dir völlig gleichgültig, dass es mir schlecht geht“, klagt sie und macht deutlich, dass ihr Glück Richards Aufgabe ist. Doch Vorwürfe, Druck und Zwang sind ein schlechter Boden um das Gewünschte zu erreichen.

Abhängigkeit schmerzt. Forderungen zu stellen und dann zu klagen, wenn diese ohne Resonanz bleiben, mögen zwar den Schmerz der Abhängigkeit im ersten Moment lindern, aber der andere wird immer weniger Lust verspüren, sich auf Wünsche einzulassen.

Am Glück mitarbeiten.Wenn Anna bekommen will, was sie wirklich braucht, muss sie zuerst ihre eigene Abhängigkeit akzeptieren. Abhängig zu sein bedeutet aber nicht, ohnmächtigausgeliefert zu sein. Im Gegenteil. Sie kann viel dafür tun, dass Richard ihre Wünsche erfüllen mag: „Ich habe mich heute maßlos über einen Kollegen geärgert“, sagt sie, „ich möchte dir das gerne erzählen und deine Meinung dazu hören.“ – „Muss das jetzt sein?“, brummt Richard unwillig. „Es würde mir gut tun, mit dir darüber zu sprechen“, sagt sie einfach. Er ist irritiert, blättert aber weiter in seinen Unterlagen. „Jetzt nicht“, sagt er unfreundlich. „Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?“ – „Gut, dann eben später. Wann hast du Zeit?“. Verblüfft über ihre Reaktion schaut Richard sie an: „In einer halben Stunde habe ich diesen Bericht hoffentlich fertig geschrieben.“ Sein Ton ist schon versöhnlicher. „Fein“, sagt Anna einfach. „Ich warte im Wohnzimmer auf dich.“

(KirchenBlatt-Bericht von Ingrid Holzmüller aus der Nr. 32/2009)