Ingrid Holzmüller leitet das Ehe- und Familienzentrum (efz) und beantwortet Fragen zum Jahresbericht 2008.

Holzmüller Ingrid„Als Drehscheibe für Familien- und Beziehungsthemen“ versteht Ingrid Holzmüller das Ehe- und Familienzentrum (efz) der Diözese Feldkirch, das sie seit Herbst 1998 leitet.

Ihr Jahresbericht für 2008 ist ansprechend gestaltet. Das hat sicher mehr als nur ästhetische Gründe?
Eine zeitgemäße Aufmachung ist uns ganz wichtig. Als Kirche gilt man mit dem Familienthema schnell einmal als verstaubt. Unsere Idee war: Es darf nicht etwas Trockenes sein, denn wir haben es mit Menschen und Gefühlen zu tun. Das wollten wir in den Bildern sprechen lassen.

Was zeichnet das efz aus?
Wir befinden uns in einer stetigen Entwicklung. Dabei versuchen wir, direkt an den Menschen und Familien zu sein und ihre Bedürfnisse aufzugreifen. Ferner beobachten wir die gesellschaftliche Situation, um darauf aus christlich-humanen Wertvorstellungen zu reagieren.

In welchen Bereichen sehen Sie das efz besonders gefordert?
Sicher im Bereich Alleinerziehende. Scheidungen und Trennungen waren in unserer Gesellschaft früher die Ausnahme, heute haben sie sich fast zum Regelfall entwickelt. Dass sich gerade eine kirchliche Einrichtung mit dem Gigagampfa-Projekt um Scheidungs- bzw. Trennungskinder kümmert, finde ich persönlich sensationell.

Wenn jemand eine Beratung braucht, muss er oder sie lange darauf warten?
Darauf sind wir stolz, dass es im Bereich Beratung so gut wie keine Wartezeiten gibt. Im Durchschnitt dauert es nicht mehr als eine Woche. In akuten Krisen oder Konflikten wird innerhalb von 24 Stunden eine Beratung vermittelt. Wenn das Zeitfenster dafür sehr klein ist, wie mitunter bei einem Schwangerschaftskonflikt, dann haben wir es auch schon innerhalb von zwei Stunden geschafft.

Wo sieht man im efz gegenwärtig das drängendste gesellschaftliche Problem?
Im steigenden Druck, dem die Menschen ausgesetzt sind: Druck am Arbeitsplatz, Leistungsdruck in der Schule, Druck in der Beziehung durch ganz hohe Ansprüche aneinander.

Welche Aufgaben sehen Sie für das efz prioritär, im Vordergrund ?
Eine erste Herausforderung sind die unterschiedlichen Familienformen. Wo finden sie im kirchlichen Umfeld ihren Platz? Dann gilt es, realistische Bilder und Vorstellungen über Ehe, Partnerschaft und Familie im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Insbesondere, dass eine konfliktfähige Ehe oder Familie gefragt ist und keine konfliktfreie.
Weiterhin wollen wir vermitteln, dass Paare ihre Unterschiedlichkeit als Herausforderung begreifen. Sonst droht die anfängliche Faszination der Andersartigkeit des Partners zum Vorwurf von heute zu werden: Die vormalig bewunderte Großzügigkeit wird zur Verschwendungssucht, der ruhige Fels in der Brandung ist zum Langweiler geworden. Die zunehmende Vereinzelung in der Gesellschaft bietet die Chance, dem Wunsch nach Kontakt, Austausch und Vernetzung zu entsprechen. Beispielsweise in einer neuen Form von Familienrunden.
(Das Gespräch führte Walter Greußing)

Beratungsbedarf steigend

„Nicht Belehrung, sondern lebensnahe Begleitung“ steht gewissermaßen als Leitmotiv über der Arbeit im Ehe- und Familienzentrum (efz) der Diözese. Der Jahresbericht  2008 belegt, dass seine wertvollen Dienstleistungen nach wie vor gefragt sind.

Mit 165 Veranstaltungen im Jahr 2008 sind gegenüber 2007 um ein Drittel mehr angeboten worden. Die 3.043 TeilnehmerInnen dabei bedeuten ein Plus von gut 42%. Der Löwenanteil der Steigerung gegenüber dem Vorjahrgeht auf das Konto der Familienbegleitung mit  868 TeilnehmerInnen (+198%) bei 46 Veranstaltungen (+142%).
Der Bereich Jugend und Liebe konnte 58 sexualpädagogische Orientierungstage abhalten (+ 29%). „Sie haben das Ziel, die jungen Menschen in ihren vielfältigen emotionalen Erlebnissen zu begleiten, diese behutsam mit ihnen zu werten und aufzuarbeiten.“

Was heißt hier Vorbereitung? 378 Paare (+ 1,3%), die kirchlich heiraten wollten, besuchten eines der 46 Eheseminare. Der Begriff „Ehevorbereitungskurs“ trifft die Wirklichkeit längst nicht mehr. Die Paare leben meist schon jahrelang zusammen, die Bandbreite reicht von 5 bis zu 15 Jahren und bis zu drei Kindern, weiß efz-Leiterin Ingrid Holzmüller (vgl. Interview S. 3.) aus Erfahrung. Erfreulicherweise sind die Sonderform der epl-Kurse immer weit im Voraus ausgebucht. „Ein partnerschaftliches (Kommunikations-) Lernprogramm“ senkt nachweislich die Wahrscheinlichkeit einer späteren Scheidung! Gespräch ist der Weg zum Du.
Die Ehe-/Paarbegleitung will mit Seminaren, Vorträgen und Workshops – zum Teil mit Kooperationspartnern – das Wachstum und die Entfaltung der Beziehung fördern.

Das Modell „Familie“ wandelt sich, neue Formen des Zusammenlebens und der Geschlechterrollen sind verbreitet, allgemein anerkannte Richtlinien fehlen. Die Familienbegleitung bietet Müttern und Vätern eine Fülle von Anregungen und Begleitung an, ausgehend davon,wer sie sind und was sie mit ihrer Familie – die aktuellen Konflikte eingeschlossen – erreichen möchten.
Gefragt blieben die Angebote für Alleinerziehende: Seminare, Workshops, Frühstücktreffs, begleitete Elterngruppen, eine Ferienwoche. 79 Kinder und Jugendliche aus Trennungs-/Scheidungsfamilien (+25%) nahmen an „ihrem“ Gruppenprogramm „Gigagampfa“ teil.

(Bericht aus dem Kirchenblatt Nr. 13/2009)

www.efz.at