Was tun, wenn die Ehe scheitert? - Bietet die Ostkirche, in der "Zweitehen" gesegnet werden, ein Modell? Bericht von Klaus Gasperi.

Auf Einladung von Bischof Elmar Fischer trafen sich Seelsorger und Eheberater/innen im Bildungshaus St. Arbogast. Im Zentrum stand die schwierige Frage: Wie soll die Kirche reagieren, wenn die Ehe scheitert?

Nach dem katholischen Kirchenrecht ist Paaren, deren Ehe geschieden wurde, eine neuerliche Beziehung untersagt. Sie leben beständig „in Sünde“, es sei denn, die Ehe wird aufgrund diverser Mängel in einem aufwändigen Verfahren anulliert. In unserem Nachbarland Deutschland etwa werden jährlich an die 500 Ehen von kirchlichen Gerichten für ungültig erklärt.

Wo aber Liebe ist, da gilt es auch Ausdrucksformen dafür zu finden.
Gefragt sind Rituale, die solchen Paaren Zuversicht auf eine gelingende Beziehung vermitteln. Eingangs schilderte Dr. Liborius Lumma von der Universität Innsbruck die Praxis der Ostkirche. Diese kennt nämlich nach einer bestimmten Bußzeit die Möglichkeit einer erneuten kirchlichen Segnung. Sie anerkennt die staatliche Existenz der Zweitehe und ermöglicht dafür auch eine kirchliche Form, indem sie festhält: „Die Ehe ist keine legalistische Norm, die um jeden Preis verteidigt werden muss, sondern ein Gebot, das, wie auch andere Postulate, oft verletzt wird.“

Die Reue des Sünders.
Im Hinblick auf die „Schwachheit des Menschen“ und in „Nachahmung der göttlichen Barmherzigkeit“ übt die orthodoxe Kirche daher Nachsicht und ermöglicht die Segnung einer zweiten und dritten, sogar vierten Ehe. Dass es sich bei dieser Regelung nicht um bloße Nachgiebigkeit handelt, die einem beliebigen Sich-Verheiraten Tür und Tor öffnen könnte, wird in der Liturgie deutlich: Bei der zweiten Ehe wird nicht nur auf feierliche Symbole wie die Brautkrone verzichtet, auch der Ton der biblischen Texte ist ein völlig anderer: Nicht mehr das Lob der ehelichen Gemeinschaft als Feier des irdischen Daseins steht im Mittelpunkt, sondern die Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit des Menschen, der hinter seinem Ideal zurückbleibt und scheitert. Die Reue und Umkehr der biblischen Sünder wird den Heiratswilligen als heilsames Beispiel vorangestellt.

„Tatsächliche Exkommunikation?“
Im Anschluss an den Vortrag wurde das orthodoxe Beispiel teilweise recht kontrovers diskutiert. Das kirchliche Ideal entspreche nicht mehr der Wirklichkeit, die römischen Leitlinien seien keine geeignete Antwort auf die  pastorale Situation, äußerten Teilnehmer ihre Bedenken: „Wir müssen aufpassen, dass uns die Menschen nicht abhanden kommen, wenn wir auf ihre Nöte keine Antworten wissen!“ Auch wenn wiederverheiratete Geschiedene rechtlich gesehen Teil der Kirche bleiben, werde der Ausschluss vom Kommunionempfang de facto doch meist als „tatsächliche Exkommunikation“ erlebt.

Es gehe aber gerade darum, das Ideal nicht vorzeitig zu demontieren, sondern den Menschen auch Kreuzerfahrungen zuzumuten, erwiderten andere. Bischof Elmar Fischer kritisierte, dass in der Orthodoxie der Aspekt der Vorbereitung übersehen werde. Im Hinblick auf seine Erfahrungen als Psychologe wies er darauf hin, dass die Ostkirche hier einfach zu wenig personal denke. Neuere Untersuchungen zeigten nämlich, dass Paare, die auf natürliche Weise verhüten, eine signifikant höhere Chance auf das Gelingen ihrer Beziehung haben. Der Bischof appellierte daher an die Teilnehmer, noch mehr als bisher auf eine sorgfältige Ehevorbereitung zu achten.
Klaus Gasperi

aus dem Kirchenblatt Nr. 51 vom 20. Dezember 2009