Eltern müssen sich klarmachen, dass ihre Kinder genauso erziehen lernen wie sie selbst

Aus der Praxis: Wenn Söhne und Töchter Eltern werden, stellt das die Beziehung zu ihren eigenen Müttern und Vätern auf eine harte Probe. Es geht um Nähe und Distanz, um Freiheit und Verlust, um Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein. Die „Kinder“ sind nun in erster Linie selbst Mütter und Väter. Sie übernehmen diesen Part von ihren Eltern, interpretieren ihn jedoch ganz anders. Die Älteren müssen sich als Großeltern neu definieren und zunächst einmal damit anfreunden, ungefragt eine Generation weiter in Richtung Lebensende geschoben zu sein.

Junge Paare ärgern sich oft über die Ratschläge ihrer Eltern, wenn es um Erziehungsfragen geht. Und andersherum hören Oma und Opa bei jeder Meinungsverschiedenheit den Vorwurf heraus: „Das habt ihr bei mir falsch gemacht.“ Ein Familienkonflikt, der entschärft werden kann.

Für manchen ist das eigene Kind der Anlass, endlich erwachsen zu werden und den Eltern vielleicht zum ersten Mal Grenzen aufzuzeigen. Ihnen zu sagen, dass sie aufhören sollen, das Leben ihres längst erwachsenen Kindes zu beobachten und zu bewerten. Die häufigste Quelle für Konflikte ist die, dass Eltern, die Großeltern werden, sich schwer damit tun, ihre Kinder für erziehungstüchtig zu halten. Sie neigen dazu, sich ungefragt einzumischen. Dabei müssen sich Großeltern klarmachen, dass ihre Kinder ebenso lernen werden, Eltern zu sein, wie sie es selbst auch erst lernen mussten.

Aussprechen.
Geradezu ein Garant fürEnttäuschungen sind unausgesprochene Erwartungen auf beiden Seiten. Die gestresste Mutter, die sich von den Großeltern Hilfe erwartet, oder die verärgerte Großmutter, die ungefragt und selbstverständlich zum Babysitten eingeteilt wurde. Für beide Seiten gilt: Aussprechen, was man wünscht und denkt. Und dabei auch Grenzen ziehen.

Sensibles Thema.
Wenn junge Mütter und Väter fragen, wie sie ihr Kind erziehen wollen, setzen sie sich zwangsläufig auch mit der eigenen Kindheit auseinander. Was wollen wir übernehmen, was anders machen? Ein sensibles Thema. Über Erziehung lässt sich mit den eigenen Eltern selten neutral diskutieren. Denn jeder Meinungsunterschied wird von den Großeltern so interpretiert: Ich finde, das habt ihr bei mir falsch gemacht.

Generationen-Miteinander.
In jedem Fall lohnt es sich, an einem harmonischen Miteinander der Generationen zu arbeiten. Wenn es gut läuft, können Großeltern, Eltern und Enkel wunderbar voneinander profitieren. Großeltern erhalten bei gleichbleibender Freiheit die Reichtümer eines Lebens mit Kindern, ohne jedoch verantwortlich dafür zu sein. Eltern können ihre Kleinen auch mal abgeben und wieder zu zweit oder allein sein. Sie verstehen nun besser, mit welchen Mühen ihr eigenes Aufwachsen verbunden war, und empfinden für ihre Eltern vielleicht eine neue Form der Hochachtung. Enkel schließlich genießen die Zeit, die sie mit Oma und Opa verbringen, die Geduld und die Gelassenheit, mit der sie sich ihnen widmen.
Ingrid Holzmüller, Leiterin des Ehe- und Familienzentrums Feldkirch

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