Ein fastnächtlicher Blick auf die aktuelle Kirchenwelt - von Walter Buder

Wir wissen es von Kindesbeinen an und spüren es tagtäglich. Wir sind fehlbar. Weil wir Menschen sind, freie Wesen - auch und besonders im Angesicht Gottes. Das gilt für jeden von uns, aber auch hier gilt George Orwells Einsicht: Einige sind gleicher als gleich. Und der Papst und die Bischöfe stehen unter einem hohen Anspruch.

Das Dekret betreffend die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvre- Bischöfe bewirkt innerhalb der römisch-katholischen Kirche weder Versöhnung, noch Entspannung, geschweige denn Erheiterung. Die tiefreichende Konsternation ist noch nicht vorüber. Rom und vor allem die vatikanische Verwaltung standen und stehen noch ganz ordentlich „im Regen“ eines internationalen Kommunikationsgewitters der Sonderklasse.

Noch ist dieses Sturmtief nicht ganz vorbei und seine österreichischen Ausläufer hatten sich in den vergangenen Tagen und Wochen gezeigt. Das Sturmtief „Gerhard Maria“ schlug massive Schneisen in der kirchlichen Geisteslandschaft.  Fast „über Nacht“ stellte sich die - seit fast einer Generation mehr oder weniger virulente - Richtungsfrage und gerade bei „guten“ Katholik/innen war für Unwillen, Verunsicherung, Verärgerung, aber auch für Zorn, Wut, Kopfschütteln und viele Austritte gesorgt.
Auch die KatholikInnen im äußersten Westen blieben vor klimatischer Unbill nicht veschont. Inmitten der Ferien war für tagelange, nicht nur geografisch weitreichende, Aufregung gesorgt. Schwer abzuschätzen ist, wie bedeutsam dieser regionale Beitrag zum kirchlichen Gesamtscherbenhaufen ist. Bleiben wird, dass ein Gutteil der für Aufbauarbeit so notwendigen Kraft und Energie wieder einmal in die Aufräumarbeit gesteckt werden muss - und das in einem diözesanen Kernbereich, der seit jeher dem lokalkirchlichen Epizentrum gleichkommt, dem Klerus nämlich. 

Im Verhältnis von Orts- und Weltkirche wie in anderen innerkirchlichen Beziehungsfeldern ist ein vernünftiges Gleichgewicht zu suchen. Nicht nur römischer Zentralismus liegt mit dem Lefebvre-Debakel und offensichtlichen personellen Fehlentscheidungen offen. Der gegenwärtige Zustand ist auch theologisch-ekklesiologisch nicht haltbar, und der innerkirchliche Dialog ist ernste Aufgabe. Die vielberedete „Communio“ muss auch gelebt werden, so wie bischöfliche Kollegialität weder beim Papst noch bei den Bischöfen Leerformel bleiben darf.

Was hilft? Selbstverständlich nützt es nichts,  noch mehr mit gegenseitigen Vorwürfen um sich zu schlagen. Kleinlichkeit und Misstrauen beherrschen das kirchliche Klima sowieso schon allzuoft (und zwar so ziemlich überall). Und mehr als Zynismus – in diesen Tagen eine Versuchung – hilft wohl in diesen Tagen besonders der Humor. Der „carnevale romano“ - Hans Urs von Balthasars private Bezeichnung für den „römischen Hof“ könnte  ein wenig zurückgenommen werden, und zwar nicht nur im Vatikan, sondern auch in den Regionalkirchen. Und was Johannes XXIII. einem neugeweihten Bischof, der aufgrund seiner hohen Verantwortung nicht mehr schlafen konnte, als ein Heilmittel empfahl, könnte bedeutsam sein: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig.“ Die Herzen vieler Katholik/innen schlagen gleich leichter. Worte wie jene des jüngsten Hirtenbriefes sind - wenn sie sich bewahrheiten und wirklich werden - wie Balsam für die Gemeinschaft der Gläubigen, die in diesen Tagen nicht wenig auszuhalten hat. Ein bisschen Selbstkritik, Realismus und viel, viel Humor.

aus dem Kirchenblatt 8/2009