Der katholische Religionsunterricht hat hohe pädagigische Qualität - Dr. Hans Fink, Leiter des Schulamtes der Diözese Feldkirch, im KirchenBlatt-Interview von Dietmar Steinmair und Walter Buder.

Anlässlich der österreichweit diskutierten Ergebnisse einer Forschungsarbeit zum Islamunterricht ist von verschiedenen Kreisen eher undifferenziert auch der katholische Religionsunterricht in die Diskussion gebracht worden. Auch im Gegenüber zum Ethikunterricht hatte der RU die Nase vorn: 60% votierten PRO Religionsunterricht. Wer eine „Schlappe“ des im wahrsten Sinn des Wortes ‘guten, alten’ Religionsunterrichts prognostizierte, sah sich heftig enttäuscht. Wieso das so ist und wo die Gründe dafür liegen können, klärt Dr. Hans Fink, Leiter des Schulamtes der Diözese Feldkirch, im KirchenBlatt-Interview.

Fink HansMit der Diskussion um den muslimischen Religionsunterricht wird der konfessionelle Religionsunterricht in Frage gestellt. Wie stellt sich die medial geführte Diskussion aus Ihrer Sicht dar?
Es ist tatsächlich so, dass eine Studie über die muslimischen Religionslehrer der unmittelbare Anlass für die momentane Diskussion über den Religionsunterricht war. In dieser Umfrage wird festgestellt, dass es bei einem Teil der muslimischen Religionslehrer/innen Ausbildungs- und Einstellungsdefizite gibt, z.B. bezüglich des Demokratieverständnisses. Ich halte es für unsachlich und auch für unverantwortlich, deshalb die ganze „Institution Religionsunterricht“ in Frage zu stellen. Dieser erfreut sich übrigens in Österreich einer hohen Akzeptanz: Fast 90 % der kath. Schüler/innen nehmen am Religionsunterricht teil.

Wie ist die aktuelle Situation des katholischen Religionsunterrichts in Vorarlberg? Wie steht es um die Qualität im katholischen Religionsunterricht?
In Vorarlberg sind ca. 620 Religionslehrer/innen haupt- und nebenamtlich tätig. Besonders im Pflichtschulbereich erteilen viele literarische Lehrer/innen auch Religionsunterricht. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Religionslehrer/innen geschieht seit Jahrzehnten parallel zur übrigen Lehrerbildung: Für den Pflichtschulbereich heute an den Pädagogischen Hochschulen, im höheren Schulbereich immer schon an den Universitäten. In unserer Diözese sind es auch an die 90 % der katholischen Schüler/innen, die am Religionsunterricht teilnehmen.

Ist für Sie der Ethikunterricht eine Alternative zum Religionsunterricht?
In Vorarlberg gibt es derzeit an 12 höheren Schulen Ethikunterricht, in ganz Österreich sind es 132. Die Regelung ist bisher so: Wer sich vom Pflichtfach Religion abmeldet, oder wer keinen pflichtigen Religionsunterricht hat, ist zur Teilnahme am Ethikunterricht verpflichtet, sofern dieser an der Schule erteilt wird. Ich halte diese Vorgangsweise für besser als die Einführung eines zweistündigen Pflichtgegenstandes Ethik neben dem Religionsunterricht. Muss alles staatlich verordnet werden, hinein bis in den sensiblen Bereich der Religion? Steht es einer freiheitlichen Gesellschaft nicht besser an, Eltern und Schüler/innen die Wahlfreiheit zu lassen zwischen Ethikunterricht und konfessionellem Religionsunterricht? Beides aber in der Hauptunterrichtszeit mit Noten, Zeugnisrelevanz und Maturamöglichkeit. Freiheit oder staatliche Bevormundung, das ist eigentlich die Frage.

ekir2007-06-06dekt-buchstaben_0425g.jpgGibt es einen Mehrwert des Religionsunterrichts gegenüber dem Ethikunterricht?
Ich denke, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Der Ethikunterricht beschäftigt sich schwerpunktmäßig, wie schon der Name sagt, mit ethischen Fragen, aber sicher nicht ausschließlich. Werte, Werterziehung und ihre Begründung stehen im Vordergrund. Das Gebiet der Religion und damit des Religionsunterrichts ist aber breiter: Es geht um die großen Fragen des Menschen nach dem Woher, Wozu und Wohin und um authentische Antworten. Nochmals anders: Eine ganzheitliche Erziehung und Bildung muss auch die religiöse Dimension des Menschen im Blick haben. Die Frage nach Gott, wie immer sie gestellt oder beantwortet wird, gehört grundsätzlich zum Menschen. Wer nichts von der christlichen Religion, die unsere abendländische Kultur grundlegend geprägt hat, weiß, geht blind durch die Welt. Gerade der säkulare Staat muss auch an der Religion interessiert sein, denn er lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Er ist auf die Sinnstiftung vorstaatlicher Institutionen angewiesen.

Was sagen Sie zum Vorschlag, den Religionsunterricht auf eine Stunde zu kürzen?Religionsunterricht - Symbolbild
Eine solche Kürzung würde eine erhebliche Schwächung des Religionsunterrichts bedeuten. Inhaltlich wäre das eine Halbierung des Religionsunterrichts. Ich sehe aber noch ein anderes Problem: Einstundenfächer, ganz allgemein, erschweren die Verankerung der Lehrperson in der Klasse. Wer nur einmal wöchentlich in die Klasse kommt, tut sich schwerer, Beziehungen aufzubauen und damit die Voraussetzungen für einen optimalen Unterricht zu schaffen.
Den/die Religionslehrer/in trifft eine solche Kürzung noch speziell: Der Religionsunterricht gilt allgemein als das schwierigste Fach, da der/die Religionslehrer/in als einziges „Unterrichtsmittel“ nur sich selbst, das heißt seine/ihre persönliche Autorität hat. Außerdem: Fällt das Einstundenfach aus, ist 14 Tage kein Unterricht. Aus lernpsychologischen Gründen ist das für ein Fach nachteilig.

RU_kinder an der tafel.jpgStimmt es, dass im Kanton Zürich der Religionsunterricht abgeschafft und jetzt wieder eingeführt wurde?
Ja, das stimmt. Vor fünf Jahren wurde im Kanton Zürich das Fach „Biblische Geschichte“ abgeschafft und im letzten Jahr wurde das Fach „Religion und Kultur“ eingeführt. Der Anstoß ging nicht von einer Kirche aus, sondern vom Dachverband Schweizer Lehrer und Lehrerinnen: Es gehe darum, den „unverbrüchlichen Kern unserer Gesellschaft“ in der Schule hochzuhalten und zu vermitteln. Überdies könne der Großteil unserer Geschichte ohne Grundkenntnisse der jüdisch-christlichen Wurzeln nicht verstanden werden. Die Bildungsdirektorin des Kantons Zürich, Regine Aeppli, wies darauf hin, es gehe darum aufzuzeigen, dass Werte eine religiöse Verankerung haben. Und das in der säkularen Gesellschaft der Stadt und des Kantons Zürich!

logo_pro Reli.jpgIn Berlin gibt es derzeit einen Kampf Ethik oder Religion. Die Initiative "PRO RELI" fordert ein Pflichtfach Religion, ansonsten verkomme der Unterricht zur unverbindlichen GOTT-AG am Nachmittag. Gegen alle Erwartungen sammelte die Initiative 200.000 Unterschriften zur Unterstützung für ihr Anliegen. Muss der Religionsunterricht zuerst abgeschafft werden, um seinen unverzichtbaren Wert zu erkennen?

Artikel aus dem KirchenBlatt 7/2009 von Dietmar Steinmair/Walter Buder