Wie Unterschiede anziehend wirken und nach längerer Partnerschaft zum Problem werden

Die Schmetterlinge im Bauch haben naturgemäß keine lange Lebensdauer. Wenn die rosarote Brille abgenommen wird, sind die Partner enttäuscht voneinander.

Aus der Praxis: In den letzten zwei Jahren streiten Wolfgang und Carmen heftig und oft miteinander. Sarkasmus und Abwertung vergiften das Gesprächsklima und der Raum für gegenseitige Achtung wird dabei immer enger. Die Vorwürfe des Mannes lassen
die Frau mit der Zeit zornig und hilflos verstummen. Wenn sie nichts mehr sagt, resigniert den Kopf schüttelt und zu weinen beginnt, fühlt sich Wolfgang von Carmen zurückgewiesen und startet neue Angriffe.
Anlass für die Paarberatung waren die Trennungsgedanken von Carmen. „Ich verkrafte die dauernden Streitereien nicht mehr“, sagt Carmen. „Warum kannst du nicht klar sagen, was du willst, warum bist du immer gleich so emotional und beleidigt?“, verteidigt sich Wolfgang.
Beide berichten, dass sie einmal sehr ineinander verliebt waren und dass sie sich auch heute noch mögen.

Wolfgang ist es beruflich gewöhnt, den Ton anzugeben und auch meistens „Recht“ zu haben. Carmen fühlt sich unterlegen und bedroht von ihm sowie in ihrer Persönlichkeit gar nicht wahrgenommen.

Lösungsschritte:

Die Verschiedenheit annehmen und sie wertschätzen – denn genau diese Verschiedenheit hat sie wahrscheinlich zu Beginn ihrer Beziehung angezogen. Wolfgang muss dabei lernen, dass er Carmen zuhören und verstehen kann. Für Carmen ist es wichtig, ihre Wünsche und Anliegen auszusprechen.

Sie kommen aus verschiedenen Familien. Wolfgang hat gelernt, bei Enttäuschungen laut zu werden und zu attackieren, um wahrgenommen zu werden. Carmen  hat sich traurig in ihr Zimmer zurückgezogen, wenn der dominante Vater seiner Unzufriedenheit Luft machte. Wenn beide diesen Hintergrund erkennen, sehen sie ihr Problem mit anderen Augen.

Wolfgang merkt, dass er mit Vorwürfen nicht das Ziel erreicht. Durch seine Angriffe hebt er die Schwächen und Unzulänglichkeiten bei Carmen hervor, durch die Abwertungen macht er sie klein und hilflos. Er sieht dabei seine Chancen zur Veränderung nicht. Seine Vorwürfe machen ihn einsam, weil sich Carmen zurückzieht.

Carmen kann lernen, nicht zu klagen, zu weinen oder wegzulaufen, sondern Wolfgang standzuhalten und ihm als selbstsichere, erwachsene Frau gegenüberzutreten.

Anstrengender Weg. Diese Schritte können anstrengend und mühsam sein. Eine professionelle Begleitung durch eine erfahrene Beraterin/einen Berater ist wichtig, damit ein Umschwung im Beziehungsmuster passieren kann. Der gemeinsame Weg gelingt diesem Paar, wenn es sich für die Persönlichkeit des anderen interessiert, den anderen verstehen und achten will und im anderen eine gute
Ergänzung für das Wachstum der eigenen Persönlichkeit sehen kann.

Beiter Luisevon Luise Beiter
Psychotherapeutin, Leiterin der Ehe-, Partner-, Familien- und Lebensberatung der Diözese Feldkirch - EFZ
Information: beratungsstellen@kath-kirche-vorarlberg.at, Tel. 0 55 22/8 20 72