Mit dem Pastoralgespräch "Die Wege der Pfarrgemeinden" setzt die Diözese Feldkirch im Jahr 2009 einen klaren Akzent auf drängende pfarrpastorale Fragen und Probleme. Pastoralamtsleiter Dr. Walter Schmolly leitet dieses Projekt und stellt sich im KirchenBlatt-Gespräch den Fragen von Dr. Walter Buder.

KiBl: Wo steht das Pastoralgespräch aktuell nach den intensiven Vorbereitungen im letzten Jahr? Wie ist die "Stimmung"?
Dr. Schmolly: Wie Sie wissen, wurde das Pastoralgespräch im Frühjahr vergangnen Jahres von Bischof Dr. Elmar Fischer in Auftrag gegeben. Es ist dann auch eine Steuerungsgruppe eingerichtet worden, die sich aus der Diözesanleitung, Vertreter/innen des Priesterrates, des Pastoralrates, der Pastoralassistent/innen und der Diakone zusammensetzt.
In den Herbstmonaten ist in allen Dekanaten und in vielen Räten, Gremien und Gruppen über das Pastoralgespräch informiert worden. Dabei ist auch nach den Themen gefragt worden, die ins Gespräch kommen sollen. Mehr als 450 Themen wurden genannt. Wir haben diese zwischenzeitlich gebündelt und den Gesprächsetappen zugeordnet. Nun gehen wir sehr gespannt auf das 1. Diözesane Forum am 30./31. Jänner zu.
Die Initiative stößt im Gesamten auf ein durchaus positives Echo. Viele meinen, dass es an der Zeit ist, sich den Fragen in dieser Form zuzuwenden. Natürlich gibt es auch Unsicherheit und Zweifel, was ein solcher Gesprächsprozess bewirken kann. Bei manchen wirken auch immer noch schlechte Erfahrungen mit dem "Dialog für Österreich" nach und die damit verbundene Befürchtung, dass zwar geredet, aber nichts umgesetzt wird.

Sind diese Befürchtungen nicht berechtigt? Wäre es nicht klüger, um das eine oder andere Wunder zu beten,  anstatt viel Zeit und Energie in Gespräche zu investieren?
Es ist in der Kirche und in den Pfarrgemeinden nicht anders als im persönlichen Leben. Nicht alles steht in unserer Verfügungsmacht. Wir stehen in der Kirche innerhalb einer wirkmächtigen Tradition. Jede und jeder trägt die eine oder andere Enttäuschung oder Befürchtung mit sich. Auch werden wir uns mit den handelnden Personen auf der Diözesanebene und in den Pfarrgemeinden abfinden müssen, d.h. mit unseren Stärken und Schwächen weiterarbeiten dürfen. Und dass die gesamtkirchlichen Regelungen in der Amtsfrage in den beiden nächsten Jahren in Bewegung kommen, ist zwar zu hoffen - ob das aber realistischerweise zu erwarten ist? Solche Dinge dürfen und sollen angesprochen werden und auch so weit verfolgt werden, als es Sinn macht. Aber es braucht dann auch die Bereitschaft, das zu gestalten, was hier und heute in unserer Verantwortung liegt und von uns gestaltbar ist. Und das ist sowohl vor Ort in den Pfarrgemeinden als auch auf diözesaner Ebene nicht wenig.

Was heißt das konkret?
Warum sollen wir nicht glauben, dass das Hier und Heute, so wie es nun eben einmal ist, unser "Kairos" ist, der gute Moment, in dem Gott uns ruft, jetzt gerade unseren nächsten Schritt zu wagen? Und warum sollen wir nicht vertrauen, dass die Menschen, die heute in den Pfarrgemeinden und darüber hinaus Verantwortung tragen, gerade die richtigen sind, die es jetzt braucht? Warum sollen wir nicht versuchen, in dem, was uns im pfarrlichen Leben erfreut oder auch bedrängt, nach IHM zu fragen, der von sich sagt "Ich bin der ‚ICH-BIN-DA'", nach dem Gott der Welt und der Kirche?  Es ist ja nichts anderes als seine Gegenwart, seine Liebe und sein Segen, denen die pfarrlichen Wege folgen wollen und sollen.

Und warum gerade jetzt ein so breit angelegter diözesaner Prozess?
Das Pastoralgespräch reagiert auf die beträchtlichen Veränderungen im pfarrlichen Leben in den letzten Jahrzehnten und auf die Fragen, die diese Veränderungen aufwerfen. Es sind zum einen strukturelle Fragen, die sich aus der abnehmenden Zahl der Priester und längerfristig wohl auch überhaupt der Hauptamtlichen und der finanziellen Möglichkeiten ergeben: Wie wird mit künftig deutlich weniger Priestern Leitung in den Pfarrgemeinden wahrgenommen? Welche überpfarrlichen Kooperationen müssen und können sein? Wie ist es mit den Gottesdiensten am Sonntag? Zum andern spüren wir deutlich die gesellschaftlichen Veränderungen. Der kirchliche Glaube ist den Menschen heute nicht mehr in die Wiege gelegt und überhaupt hat sich in den letzten 10 bis 20 Jahren die Rolle der Religion im persönlichen und gesellschaftlichen Leben stark verändert. Am deutlichsten wird das im Blick auf die jungen Menschen. Aber es sind nicht nur die jungen Menschen. Jährlich gehen kurz vor Weihnachten die Ergebnisse von Studien durch die Medien, die behaupten, dass der deutlich größere Teil der Österreicher/innen nicht einmal mehr weiß, was an Weihnachten gefeiert wird. Sicher ist, dass für ganze Gruppen von Menschen unsere Sprache und Zeichen, unsere Fragen und Antworten fremd sind und unzugänglich bleiben. Es bleibt aber, dass viele an den Wendepunkten ihres Lebens bei der Kirche rituelle Begleitung und göttlichen Segen suchen. Nicht zu übersehen ist auch manch kraftvoll Neues im Leben der Pfarrgemeinden, z.B. die lebendigen Familien- und Kindergottesdienste; das sich vertiefende soziale und caritative Engagement; die zunehmend größere Zahl von Menschen, die es ein Stück weit als ihre "Berufung" sehen, das pfarrliche Leben mitzutragen, weil es ihnen wichtig ist, dass ihr Lebensraum, und der ihrer Kinder, auch religiös gestaltet ist.

Nehmen wir an: das Pastoralgespräch gelingt - was kann es bewirken? Was wird anders? Welche Chancen sind mit dem Gespräch verbunden?
Die oben angedeuteten Veränderungen werden - so weit sich das heute sagen lässt - nachhaltig sein. Viele Pfarrgemeinden setzen sich auch längst mit ihnen auseinander und suchen einen guten Umgang mit ihnen. Was nun aber deutlich zunimmt, ist der Druck, in vielen Fragen klarer zu werden und Entscheidungen zu treffen. In dieser Situation wird es für alle Beteiligten eine große Unterstützung sein, sich gesamtdiözesan vernetzt mit den wichtigsten Fragen auseinander zu setzen.
Das Arbeitsprogramm gibt dabei der altbewährte, in vielen kirchlichen Aufbruchsbewegungen erprobte Dreischritt "sehen-deuten-handeln" vor: miteinander sehen und benennen, was sich in unseren Pfarrgemeinden tut, fragen und mit den Augen des Evangeliums und dem Herzen des Glaubens verstehen lernen, was die Dinge bedeuten, und Orientierungsbilder für die pfarrlichen Wege entdecken.
Im Gesamten wird das Pastoralgespräch also ein Innehalten sein, um gemeinsam zu lernen und uns auf diese Weise zu stärken und zuzurüsten für die nächsten guten Schritte, die eine Pfarrgemeinde, die Diözesanleitung und Einzelne dann je für sich zu gehen haben. Wir alle wollen ja unsere Schritte sehenden Auges, in größt möglicher Freiheit und im Hören auf den Ruf des nahe gekommenen Gottes Jesu Christi gehen. Dafür kann das Pastoralgespräch Ermutigung und Stütze sein - vorausgesetzt, viele geben dem Gespräch eine Chance.

Die Vorarlberger Herangehensweise an die pfarrpastoralen Themen ist also durch das Innehalten zum gemeinsamen Lernen und die gründliche und breite Auseinandersetzung mit den Veränderungen im pfarrlichen Leben charakterisiert?
So ist es. Wer Interesse an der Gegenwart und Zukunft unserer Pfarrgemeinden hat, ist herzlich eingeladen, sich in diesen Lernweg einzuklinken. Wir werden gemeinsam gute Entdeckungen machen.

Und der nächste Schritt im Pastoralgespräch?
Am 30./31. Jänner 2009 findet das Erste Diözesane Forum statt. Es ist überschrieben "Quo vadis, meine Pfarrgemeinde?" und wird die Veränderungen an der Basis pfarrlichen Lebens ins Zentrum rücken. Ich bin schon sehr neugierig auf den gemeinsamen Lernertrag. Wir werden versuchen, diesen dann in einigen Thesen zu der sich abzeichnenden Entwicklung der Pfarrgemeinden zu fassen. Diese Thesen werden dann wieder in den Dekanaten und auf Regionalforen diskutiert werden. So entsteht Schritt für Schritt ein gemeinsamer Boden, auf dem wir Ende April beim Zweiten Diözesanen Forum die Leitungs-, Rollen und Strukturfragen diskutieren werden.

Dieses Interview ist in einer gekürzten Version im Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 2/09 (Seite 2/3) publiziert.