Eine kurze Geschichte zur "Bildung vor Ort". Von Dr. Hans Rapp, Leiter Katholisches Bildungswerk Vorarlberg

Im Bregenzer Wald ist es Herbst. Noch nicht halb Sieben und es dunkelt. Leichter Nebel liegt im Tal. Ich bin auf dem Weg zu einer Veranstaltung in Schoppernau. Der Vortragssaal sei im Feuerwehrhaus. Armin Willi, der Bildungswerksleiter von Schoppernau hat mich eingeladen. Um etwa Viertel nach Sechs bin ich in Feldkirch aufgebrochen, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Der Vortragsraum ist technisch gut ausgerüstet. Ein Beamer steht zur Verfügung, die Verbindung zu meinem Notebook klappt. Nach und nach treffen die Zuhörer/innen ein. Gegen halb acht sind es etwa 30 Personen, die mein abendliches Referat zum Buch der Offenbarung des Johannes hören wollen. Etwa  45 Minuten trage ich vor, dann stellen die Teilnehmer/innen Fragen, die ihnen im Zug des Referats gekommen sind. Es wird eine angeregte Diskussion ....

Schoppernau, Ortsansicht, totaleSeit 1961 hat Schoppernau (Bild) ein eigenes Bildungswerk, das heißt, dass in dieser Gemeinde pro Jahr mehr als fünf Veranstaltungen durchgeführt werden. Im Jahr  davor war die Schoppernau als "Einsatzort" geführt. Das bedeutet, dass weniger als fünf Veranstaltungen zu verzeichnen waren.  Bereits 1947 begann das Katholische Bildungswerk auf Betreiben von Prof. Eduard Eisterer mit der Organisation von Vorträgen in Vorarlberger Gemeinden. Die erste Statistik aus dem Jahr 1952 weist schon 14.200 Besucher bei 72 Veranstaltungen aus. Das sind gewaltige Zahlen. An ihnen wir deutlich, dass es in diesen Anfangsjahren wenig Konkurrenz gab. Weder im Bildungsbereich noch im kulturellen Sektor. Das hat sich stark gewandelt. Nicht nur, dass die Pfarrgemeinden ihre  zentrale Bedeutung und prägende Kraft für die (politischen) Gemeinden großteils eingebüßt haben, andere Anbieter bieten Bildung und kulturelle Veranstaltungen an, ganz zu schweigen von den übrigen Freizeitangeboten.

Schoppernau, Franz M. Felder, Geburtshaus, TafelDie Anfänge und der "Aufbruch in eine neue Zeit".
1955 hat sich das "Katholische Bildungswerk Vorarlberg" als Verein konstituiert. Ein Jahr zählte man in Feldkirch sogar mehr Vortragsbesucher/innen (6225) als man Einwohner in der historischen Kernstadt (5100)  zählte. Das macht pro Feldkircher/in rund 1,2 Besuche des Katholischen Bildungswerks. Spitzereiter war ein Eheseminar, an dem sich 4000 Menschen beteiligten. Aber auch die Vorträge Maria von Gallis (510 Teilnehmer/innen) und anderer ‚Kapazitäten' erreichten Teilnehmerzahlen, die heute unvorstellbar sind. Das Wachstum dieser und der kommenden Jahre war auch den Referenten zu danken, die einen engagierten Einsatz leisteten. Jedenfalls notierte Eisterer im Jahr 1967: "Manche Referenten sind (...) bis an die Grenze der physischen und psychischen Beanspruchung ausgelastet." (Bild: Hinweistafel am Geburtshaus von F. M. Felder in Schoppernau)


Bildung im Zeichen des  2. Vatikanischen Konzils
1968, das Jahr der Erhebung Vorarlbergs zur eigenständigen Diözese, stand im Zeichen der Auseinandersetzung mit den Neuerungen des 2. Vatikanischen Konzils. Das Bildungswerk hatte sich in den Auseinandersetzungen klar "progressiv" positioniert. Auch die ‚geistige' Vorbereitung auf die Diözesanerhebung,  die am 7. Dezember 1968 in einer Festakademie in der Feldkircher Stadthalle gipfelten, stand unter diesem Stern. Das Interesse für religiöse Themen war in diesem Jahr sehr groß und die Besucherzahlen stiegen: Waren es 1967  ca. 40.000 gewesen, zählte man im Jahr 1968 um 12.000 mehr, wobei 63 Referenten zur Verfügung standen. Dem ehrenamtlichen Leiter, Prof. Eisterer, standen inzwischen zwei hauptamtliche Sekretärinnen zur Seite. Die Bemühungen, einen Akademiker als hauptamtlichen Leiter zu finden - klagt Prof. Eisterer im Jahresbericht -  erwiesen sich bis dato vergeblich.

lorenz_hildegard_Ein  professioneller Bildungsanbieter
Dies änderte sich in den Siebzigerjahren. Seit dem 1. August 1973 wurde es von Mag. Hildegard Lorenz (Bild)  geleitet. Die Akademikerin als Leiterin war gefunden. Die Zahl der Bildungswerke war auf 90 gestiegen, die der Teilnehmer wird mit  73.633 angegeben. Auf die Weiterbildung der ehrenamtlichen Bildungswerksleiter/innen wird großer Wert gelegt, das ist auffallend, wie das zunehmen professionelle Profil in jeder Hinsicht. Die Jahresberichte des katholischen Bildungswerk geben einen schönen Einblick in die Entwicklungen der Bildungslandschaft nicht nur inhaltlich, sondern auch der Form nach.  Zehn Jahre später, 1988, übernahm Dr. Markus Hofer nach Mag. Herbert Nußbaumer die Leitung des Bildungswerkes. Zwei Großprojekte fallen in diesem Jahr auf. Ein mit dem ORF Landesstudio Vorarlberg durchgeführtes Medienverbundprogramm zum Thema "Ersatzreligionen - Religionsersatz" und die "Dorfgeschichte 1988".  In diesem Jahr wurde auch ein Leitbild und erstmals ein eigenes Logo erarbeitet. Seit 1984 verstärkte Mag. Werner Längle als Projektmitarbeiter für die Elternbildung das Team der Hauptamtlichen. In 791 Veranstaltungen wurden insgesamt 42.000 Menschen erreicht.  Als Brigitta Schuchter die Leitung des KBW am 1.Dezember 1996  übernahm, war die Position des Katholischen Bildungwerkes als bedeutsamer Bildungsanbieter stabilisiert und 1998 verzeichnet die Statistik ca. 35.0000 Teilnehmer/innen bei über 1000 Veranstaltungen.

Entfaltung und Fortschritt
40 Jahre nach der Errichtung der Diözese Feldkirch ist die Professionalisierung weiter fortgeschritten. Bereits unter Dr. Walter Schmolly, der das Bildungswerk von 1999 bis 2005 geleitet hatte, wurde vor allem in der Elternbildung Personal aufgestockt. Diese Entwicklungen waren aus diözesanen Mitteln allein nicht möglich, sie waren das Resultat verstärkter Förderung durch Land und Bund. Seit 2001 hat das Bildungswerk gemeinsam mit der Caritas mit dem Projekt ALT.JUNG.SEIN auch ein hochwertiges Angebot im Bereich der Senioren/innenbildung entwickelt.

Geblieben ist und bleiben wird der Fokus auf der Bildung vor Ort und das gilt heute vielleicht noch stärker als vor 40 Jahren, als das Bildungswerk auch noch Großveranstaltungen organisiert hatte. Bildung vor Ort - durch Ehrenamtliche organisiert -  hat einen  hohen Grad an Individualität und persönlicher Prägung, und das ist ein Vorteil und Gewinn.
VW Beetle Modell 1968
....Gegen halb Elf verlasse ich den Vortragsraum in Schoppernau und  steige wieder ins Auto und fahre durch den jetzt dunklen Bregenzerwald wieder nach Hause, Richtung Rheintal und Feldkirch. Ich lege mir eine Musik-CD ein und denke daran, wie es vor vierzig oder fünfzig Jahren für die Referenten - es waren damals hauptsächlich Priester - gewesen sein muss, als Referenten diese ‚Bildung vor Ort' zu garantieren. Damals gab es noch keine Autobahn, die Straßen waren schlechter und auch die Autos hatten nur in den allerseltensten Fällen Radios.


Der Beitrag ist in der Jubiläumsnummer des Vorarlberger KirchenBlattes (Nr. 49, 8. Dez. 2008) erschienen.