Gabriele Bösch, Der geometrische Himmel. Von Walter Buder.


Wie groß und bedeutsam die Welt auch sein mag
, über das Format des Familienalbums kommt sie nicht hinaus. Vater, Mutter, Sohn und Tochter sind die vier Seiten des Weltenvierecks und darüber wölbt sich ein blaues Firmament, ein Gewölbe, das alles trägt. Fluchtpunkt und wahre Heimat gleichzeitig ist es einzig tragfähige, gültige Perspektive in der geometrisierten Welt der Regulative, der abgezirkelten Bereiche eines ausgemessenen Lebens. Das Leben im (Jahres)Kreis, ohne besondere Vorkommnisse, ausgerechnet, planbar wie „es“ sich gehört, bei „sich“ bleibt und es und „man“ halt ist und tut und lässt.

Gabriele Böschs Erzählung bringt das in eine Sprache, feilt Satz für Satz an dieser fatalen Geometrie, deren Maßgabe und Angemessenheit die Normalität der 60er- und 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts in Vorarlberg aufarbeitet. Dazu gehören - der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte - die echten Türken. Der Vater hat das halbe Haus an Gastarbeiter vermietet. Andere Welten, fremde Regeln schleichen sich ein, unberechenbar die Angst, unerhört die Sehnsüchte, uneingestanden die tiefe Wahrheit der Begegnung, deren Kraft nur in Gewalt zu sich finden kann.

Das ist keine leichte Lese-Kost. Die Mühe des Lesens verdoppelt die Mühe des Lebens. Das ist gut so, weil nahe der Wirklichkeit. Die Genauigkeit der Sprache tut weh, hie und da, und Erinnerungen werden lebendig. Das macht es nicht leichter, lohnt aber die Lesearbeit. Über allem wölbt sich verlässlich ein Firmament, genannt Himmel, Maßgabe und Maßnahme in einem, eine Art Sinn, wortlos, blau, tröstlich und irgendwie verfügbar.

Cover_der geometrische himmelDie Autorin:
Gabriele Bösch, geboren 1964 in Koblach/Vorarlberg. Ab 1982 Studienjahre (Medizin, Geografie, Geschichte) in Innsbruck. Literarische Arbeiten, Veröffentlichungen in Zeitschriften und Lesungen seit 1996. 2004 Literaturstipendium des Landes Vorarlberg. 2005 Zweite beim Prosapreis Brixen-Hall. Gabriele Bösch lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Hohenems.

Das Buch:
Gabriele Bösch, Der geometrische Himmel. Skarabaeus (2008). Euro 16,90, ISBN  978-3-7082-3228.

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