Wen rufen Sie an, wenn Sie jemanden zum Reden brauchen? Eine Leitung, die wirklich immer offen ist, ist die der Telefonseelsorge. Egal ob telefonisch unter 142, per Mail oder Chat - Sepp Gröfler und sein Team hören zu.

Man könnte fast meinen er arbeite beim Geheimdienst, wenn Sepp Gröfler über "seine" Telefonseelsorge spricht. Weder die Büroadresse noch die Namen der Ehrenamtlichen sind der Öffentlichkeit bekannt. Zum Schutz für die aktuell 93 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen und die zahlreichen AnruferInnen, die bei der Telefonseelsorge sicher sein können, dass man ihnen zuhört und sie ernst genommen werden. Zu jeder Tages- oder Nachtzeit. 365 Tage im Jahr.

Die Kunst ist zuzuhören und Fragen zu stellen

16.928 Mal wurde letztes Jahr die „142“ gewählt. 95% der Anrufe seien „Alltagssorgen“ wie z.B. Einsamkeit, Ängste oder Fachauskünfte.
Die restlichen 5% sind Krisenanrufe wie sexueller Missbrauch oder ein „letztes Gespräch“, spricht Gröfler aus der Praxis. Gemeinsam mit seinem Team gibt er „Pannenhilfe für die Seele“. "Die Kunst ist zuzuhören, Fragen zu stellen. Wir haben nicht die Lösungen, sondern wir haben die Fragen, die hoffentlich jemanden zu seinen nächsten Schritten bringt", erklärt Gröfler. "Und das ist eine Kunst, die man lernen kann und die nicht von einem Doktortitel abhängt", spielt er nicht nur auf die berufliche Vielfalt innerhalb der TelefonseelsorgerInnen, sondern auch auf die intensive Ausbildung an.

200 Stunden: Ein ganzer Monat "Ehrenamt"

TelefonseelsorgerIn wird man nämlich "nicht einfach so". Ein Bewerbungsgespräch und eine sehr intensive Ausbildung mit hohem Selbsterfahrungsanteil, die zudem 200 Stunden dauert, müssen die AnwärterInnen u.a. absolvieren, bevor man sie ans Telefon lässt. Im Schnitt bleiben die Ehrenamtlichen dann rund zehn Jahre bei der Telefonseelsorge und arbeiten jährlich 200 Stunden "gratis", ist Gröfler auf sein Team stolz. „Kein/e MitarbeiterIn hat je gesagt, er oder sie gibt zu viel“, zeigt sich der Leiter erfreut und demütig zugleich. Auch Gröfler selbst greift zum Telefon oder berät online. "Ich bin so eine Art Springer", lacht er. "Ich schaue, dass Schokolade und Obst da ist, genauso wie Subventionen und Spenden - und manchmal bin ich auch mit dem Staubsauger unterwegs", gibt er Einblick in seinen "Alltag".

Wenn das Telefon klingelt...

Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm sorgt nicht nur für gute Stimmung, sondern auch für professionelle Weiterbildung, erzählt der Leiter von Veranstaltungen zu Angst, Gewalt, Suizidprävention bei Jugendlichen, Genderseminaren, Biathlonkursen und einem Clownseminar. Dazu kommen 20 Stunden verpflichtende Supervision pro Jahr. "Sobald das Telefon läutet, könnte einer vor dem letzten Gespräch stehen oder ein Jugendlicher sich auch einen Scherz erlauben", betont Gröfler, dass jedes Gespräch ernst genommen wird. Erst dieser Respekt und die Anonymität ermögliche, dass sich Menschen trauen, auch schwierige Themen anzusprechen und man ins Gespräch komme, ist er sich sicher.

"Du musst Menschen mögen"

Aber was muss man denn mitbringen, um diesen "Dienst" machen zu können? "Die größte Herausforderung ist, dass du bereit bist etwas von deinem eigenen Leben zur Verfügung zu stellen", spricht Gröfler den bereits erwähnten Selbsterfahrungsanteil an. Und: "Du musst Menschen mögen". Manchmal seien die Anrufe sehr motivationsraubend, aber man müsse sich in Erinnerung rufen, dass sie sonst niemanden mehr haben. Und natürlich muss man gut zuhören können und sich (und seine Fehler) selbst reflektieren. Welchen Job, sexuelle Orientierung oder Religion man hat, ist unerheblich; wichtig sei, was gerne als "Nächstenliebe" bezeichnet wird: "aufeinander schauen, niemanden zurücklassen", bringt es Gröfler auf den Punkt.

Wir sorgen für die Seele

Bei der Frage, ob der Name "Telefonseelsorge" förderlich oder hinderlich sei, muss er lachen. Klar ist, dass der Verein u.a. von der Diözese Feldkirch (45%), dem Land Vorarlberg und der evangelischen Kirche finanziert wird. Der Name sei eine "ewige Diskussion", aber er bringe es auch auf den Punkt. "Eine Anruferin hat mal gesagt wir sind der Pannendienst der Seele: Wir sorgen für die Seele." Apropos Namen: Zum Schutz der MitarbeiterInnen werden diese nach der Ausbildung mit einem selbstgewählten Decknamen getauft. Egal ob "normaler Name" oder Fantasiename.

Zehn Jahresgehälter: geschenkt

Im Gespräch wird schnell klar, wie sinnstiftend die Arbeit ist. Nicht nur, weil Menschenleben gerettet oder neue Perspektiven eröffnet werden. Das beste Beispiel sind zwei MitarbeiterInnen, die von der ersten Stunde - also 42 Jahre - dabei sind. "Wenn man das umrechnet, sind das zehn Jahresgehälter, die die beiden der Bevölkerung geschenkt haben", rechnet Gröfler vor. Und spätestens jetzt weiß man auch, warum der Leiter der Telefonseelsorge sagt, er sei "noch keinen einzigen Tag ungern arbeiten gekommen“.

Telefonseelsorge Vorarlberg

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