„Ob Kürzung von Fraueninitiativen und -projekten oder 12-Stunden-Tag: Frauen verlieren derzeit enorm - an Ressourcen und Partizipationschancen“, so Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

Eine lebendige Demokratie erfordere mehr als das Wahlrecht: „Es braucht vielfältige Beteiligungsstrukturen, z.B. die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements. Und: es braucht Zeit und ökonomische Absicherung, um Teilhabe zu leben“. Mit dem 12-Stunden-Tag würden bestehende geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen in der Arbeitswelt verfestigt und Frauen noch weniger Zeit finden, sich politisch wie beruflich einzubringen: „Frauen, die schon bisher den Großteil der unbezahlten Sorge-Arbeit übernehmen, werden angesichts fortschreitender Flexibilisierung im Sinne des 12-Stunden-Tages noch weniger Chancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt haben und noch stärker in die Rolle der privaten Care-Managerin und Zuverdienerin  gedrängt werden“, so Pernsteiner mit Verweis auf eine Positionierung der kfbö zum 12-Stunden-Tag vom April 2017.

12-Stunden-Tag benachteiligt Frauen

Die katholische Frauenbewegung hatte sich gemeinsam mit der Plattform für Alleinerziehende bereits anlässlich der seinerzeitigen von ÖVP und SPÖ geführten Debatte um die Einführung des 12-Stunden-Tages geäußert und auf Nachteile für Frauen, besonders auch Alleinerziehende, hingewiesen. Erneut fordert die kfbö jetzt Maßnahmen, die eine partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- und Sorgearbeit fördere, eine generelle Arbeitszeitverkürzung als notwendige Voraussetzung dafür sowie ausreichend bezahlbare Kinderbetreuungseinrichtungen. Die staatliche Förderung von Beteiligungsstrukturen, insbesondere für Frauen, müsse aufrechterhalten und ausgebaut werden, so Pernsteiner.

Die Katholische Frauenbewegung Österreichs wird sich in den kommenden beiden Jahren schwerpunktmäßig mit Wesen und Stärkung von  „Demokratie und Partizipation“ auseinandersetzen und befasst sich mit dieser Thematik im Rahmen ihrer jährlichen  Sommerstudientagung vom 21. – 25. August 2018 im Bildungshaus St. Arbogast in Vorarlberg. Rund 100 kfb-Leitungs-Frauen  aus ganz Österreich werden  erwartet, dazu Expertinnen wie die Politologinnen Tamara Ehs und Margit Appel sowie VertreterInnen diverser Beteiligungsmodelle wie „Art of hosting“ oder die Vorarlberger „BürgerInnenräte“ oder das „Demokratie Repaircafé“.  Die kfbö versteht diese Auseinandersetzung u.a. als fortgesetzte Bemühung von Frauen um Teilhabe 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts.

Die Bedeutung von Zeit für die Verwirklichung von Gleichheit und politischer Teilhabe hebt insbesondere die an der Uni Wien lehrende Politologin und Vorsitzende der IG Demokratie Tamara Ehs hervor: „Frauen haben zwar ‚eine Stimme‘, insofern sie bei Wahlen eine solche abgeben können, aber die Gleichheit von Frauen und Männern im Wahlrecht übersetzt sich nicht in die reale politische Macht: nach wie vor besetzen weit überwiegend Männer die machtvollen Jobs in Politik wie Wirtschaft, weil diese systemisch als 60-und-mehr-Stundenwoche angelegt sind“, so Ehs. Frauen, die vor allem aufgrund mehrheitlich noch immer ihnen übertragener privater Sorgearbeit weniger Zeit haben für Erwerbsarbeit und Politik, sind entsprechend weniger repräsentiert, werden weniger gehört, bleiben stimmlos: „Doch wer gehört wird, definiert den status quo“. Jedes Beteiligungsinstrument bleibe letztlich „nutzlos“, wenn es an Ressourcen fehle, wobei Zeit und Geld in engem Zusammenhang stünden: „Soziale Fragen sind immer auch ökonomische Fragen“. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung würde neu definieren, wer in unserer Gesellschaft Gehör findet, so Ehs.

Solidarität: Werkzeug demokratischer Kultur

Mit Ehs ruft die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Veronika Pernsteiner, Männer wie Frauen dazu auf, Solidarität zu leben, um Demokratie und Partizipation voranzubringen. Solidarisches Handeln sei die Grundvoraussetzung für Demokratie. Darüber hinaus will Ehs den „Kompromiss“ als notwendiges, respektables demokratisches Instrument wahrgenommen wissen: „Der Kompromiss wird  in unserer Gesellschaft gern als ‚verwaschene Lösung‘ diskreditiert, tatsächlich ist er das Ergebnis des ernsthaften, aufrechten, ‚guten Gesprächs‘. 100-prozentige Sieger und Verlierer gibt es nur in Diktaturen“.

ChristInnen als AnwältInnen für Gleichheit und Gerechtigkeit

Margit Appel, Politologin an der Katholischen Sozialakademie Österreichs, sieht gerade ChristInnen angesprochen, „Anwältinnen für  Gleichheit und Gerechtigkeit“ und in diesem Sinne demokratisch wirksam zu sein. Dies ausgehend vom Kern allen demokratischen Mühens, der Botschaft: „Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten“.

Link zur Presseaussendung der kfbö zum 12-Stunden-Tag vom 27.4.2017: http://www.kfb.at/kfb/de/presse/aussendungen/2017/article/2018.html

Quelle: http://www.kfb.at/kfb/de/presse/aussendungen/2018/article/2171.html