Der Vorarlberger Sozialethiker und emeritierte Innsbrucker Ordinarius Dr. Herwig Büchele SJ machte in seinem Impulsreferat am Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus in Dornbirn deutlich, dass an einem grundlegenden Wandel des Wirtschafts- und Lebensstil vor allem in den Industriestaaten kein Weg vorbei führt. Auf dem Podium diskutierten unter der Leitung von Roland Poiger Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller (Büro für Zukunftsfragen), Mag. Siegfried Metzler (Landesobmann der Wirtschaftstreuhänder) und Landtagsabgeordnete Theresia Fröwis (Unternehmerin und Spartenvertreterin Handel von der Wirtschaftskammer Vorarlberg).

Ein aktuelles Thema

Die Straßen versinken im Schneematsch. Halb regnet, halb schneit es. Das hindert etwa 100 Personen  jedoch nicht daran, ins Kolpinghaus Dornbirn zum Gesellschaftspolitischen Stammtisch zu kommen. Das Thema „Umsatzplus im Überfluss. Wachstumsparadigma und Konsumgesellschaft im Zeichen notwendiger Veränderung“ beschäftigt viele Menschen.

Quantitatives und Qualitatives Wachstum

In seinem Impulsreferat setzt sich Büchele vor allem mit dem Begriffspaar des quantitativen und des qualitativen Wachstums auseinander. In unserem Wirtschaftssystem herrscht das Gesetz des „immer mehr, immer schneller, immer besser“. Auch die technische Entwicklung gehorcht diesem Gesetz. Vom ökonomischen Wachstum hängen überall in der Welt Existenzen ab. Ein negatives quantitatives Wachstum bedeutet: mehr Arbeitslosigkeit und eine Zunahme sozialer Probleme.

Die Grenzen des Wachstums

Bereits seit der Veröffentlichung des ersten Berichts des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ ist klar, dass diese Art des Wachstums als Grundlage menschlicher Existenz keine Zukunft hat. „Die wohl wichtigste Grenze wird die zunehmende Knappheit an Ressourcen sein,“ hält Büchele fest. „Wir stoßen an die Grenzen des ökologischen Haushalts dieser Erde“. Technologischer Fortschritt allein kann hier keinen Ausweg bieten, auch wenn wir auf ihn nicht verzichten können.

Von der Erwerbsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft

Hoffnung sieht Büchele in einem Übergang von einer erwerbsorientierten Gesellschaft, die die Menschen im Hamsterrad der Maximierung von Produktivität gefangen hält, zu einer Tätigkeitsgesellschaft. In einer solchen Gesellschaftsform sind die Grundbedürfnisse der Menschen gedeckt. Fremdbestimmte Erwerbsarbeit nimmt einen geringeren Teil ihrer verfügbaren Zeit ein. Dafür können sie selbst gestalteter Tätigkeit mehr Zeit widmen: dem politischen Gemeinwesen, den sozialen Netzwerken, der Kultur.

Eine Utopie ohne Alternativen

Dass seine Visionen utopisch sind, gibt Büchele in seinem Referat unumwunden zu. Doch was sind die Alternativen? Die ökonomischen, militärischen und ökologischen Grundkonflikte dieser Welt lassen nichts Gutes erahnen. Ein Perspektivenwechsel wird sich aber nur einstellen „wenn in breiten Teilen der Bevölkerung ein grundlegender Wandel des Wirtschafts- und Lebensstils einsetzt,“ konstatiert der Sozialethiker. „Eine Politik des ‚muddling through‘, eines ‚Sich-Durchwurstelns‘“, richtet sich Büchele am Schluss seines Referats an die Politik, „wird uns aus dem aufgezeigten Grunddilemma sicher nicht erlösen“.

Und wie weiter?

Die Diskussion bringt viel Konsens zu Tage. Die meisten Voten auf dem Podium und aus dem Publikum äußern sich zustimmend zur These Bücheles, dass an einem grundlegenden Wechsel von einem rein quantitativen Wachstum zu anderen Formen des Wirtschaftens kein Weg vorbei führt. Fertige Rezepte, diesen Übergang zu gestalten und fertige Visionen einer ganz anderen Wirtschaft sind nicht greifbar. Die Analyse ist, wie immer, einfacher als die Formulierung schlüssiger und politisch umsetzbarer Strategien. Politik kann und muss in der Suche neuer Wege unterstützen.

Dr. Hans Rapp MSc 

Literaturhinweis: Büchele, Herwig; Pelinka, Anton (2012): Qualitatives Wirtschaftswachstum - eine Herausforderung für die Welt. Innsbruck: innsbruck university press (IUP). ISBN 978-3-902811-65-3.