Anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums der Pfarre Wolfurt war Prof. Rainer Bucher, Pastoraltheologe und Pastoralpsychologe an der Universität in Graz, auf Einladung des Kath Bildungswerkes in Wolfurt zu Gast. Roland Poiger moderierte in bewährter Weise den Abend.

Andrea Hinteregger, Walter Reis

Prof. Bucher sprach von den großen Veränderungen, die unsere Gesellschaft und in ihr auch die Kirche immer wieder durchlaufen musste. Er meinte, dass diese Veränderungen für die Kirche besonders schmerzlich gewesen seien. Sie habe im Laufe der Jahrhunderte den Verlust ihrer Machtposition gegenüber der Wissenschaft und den Verlust ihres politischen Einflusses zur Kenntnis nehmen müssen. Und auch ihre Macht über die Definition der Moral in der Gesellschaft habe sie in den letzten Jahren endgültig verloren. Während die Kirche früher das Dach der Gesellschaft war, ist sie heute nur ein Segment unter vielen – und im Wettstreit mit vielen Anbietern, die auf die Sinnfrage der Menschen antworten wollen.

Programm des II. Vaticanums für sich entdecken

Wenn die Kirche heute bei Menschen Gehör finden will, dann muss sie nach Prof. Bucher das Programm des II. Vatikanischen Konzils, das vor 50 Jahren eröffnet wurde, endlich für sich zu entdecken beginnen.
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ (Gaudium et spes 1).
Kirche wird dann Zukunft haben, wenn sie die Menschen in ihren Freuden und Nöten und mit ihren Bedürfnissen wahrnimmt, wenn sie Interesse an den Menschen und ihren persönlichen Lebenswegen zeigt, auch wenn diese Wege vielleicht nicht mehr unseren überkommenen Vorstellungen entsprechen. Und wenn sie dann den Menschen hilft, ihr persönliches Leben mit der befreienden Botschaft Jesu in Berührung zu bringen. Dafür müsse die Kirche – wir in unseren Pfarren – neue Räume schaffen.

Auf Menschen zugehen

Manches sei in der Zeit nach dem II. Vatikanum durchaus zum Positiven hin bewegt worden – z.B. was das Verhältnis der Kirche zu den anderen Religionen anbelangt. Vieles ist aber offen. So könne man heute eben nicht mehr – auch innerkirchlich nicht – von oben herab über Menschen bestimmen. Um wieder zu einer Autorität in der Gesellschaft werden zu können, gelte es für die Kirche, sich von jeglichem Machtgehabe zu verabschieden und neu auf die Menschen zuzugehen. Die heutigen Menschen wählen aus, sie treten auf, aber eben auch aus, wenn sie von den Werten ihrer Religion nicht mehr begeistert, überzeugt und berührt werden.

Prof. Bucher hatte auch Tröstliches dabei: Die Kirche erlebt momentan eine „Winterzeit“ (K. Rahner). Aber Gegenwart und Zukunft haben immer Chancen und Überraschungen parat. Als geschichtliches Beispiel nannte Prof. Bucher den Fall der Berliner Mauer, den noch kurz vorher niemand für möglich gehalten hatte.