Wissen Sie, seit wann der Vatikan eine eigene Internetpräsenz hat? Seit Weihnachten 1995! Da soll noch einer sagen, die Kirche würde nicht mit der Zeit gehen. Was die Erzengel Raphael, Michael, Gabriel und "Sister Web" Judith Zoebelein damit zu tun haben, lesen Sie hier.

Wir schreiben das Jahr 1995, als die erste eigene Webseite des Vatikan online geht. Und das einen Tag, nachdem bekannt wurde, dass Papst Johannes Paul II.  sich eine Grippe eingefangen hatte. "Kaum waren wir online, gingen Tausende E-Mails ein, mit denen Leute dem Papst ihr Hühnersuppenrezept und andere Tipps und Hausmittelchen schickten, damit er wieder gesund werde. Das fand ich sehr berührend: Der Papst war immer eine geheimnisvolle, unberührbare, ferne Person. Dann kam das Internet, und plötzlich war er jemand, der viel nahbarer erschien. Die Leute schrieben ihm, als würden sie mit ihm im Wohnzimmer zusammensitzen: Auf einen Schlag hatten wir um die 5.000 E-Mails, jedoch überhaupt keine Strukturen, die darauf ausgerichtet waren", erinnert sich Schwester Judith Zoebelein.

Drei Erzengel fürs vatikane Internet

Die Franziskanerin war Mitte der 1990er-Jahre für die Entwicklung und den Betrieb der Webseite des Vatikans zuständig – zusammen mit wenigen Mitarbeitern und drei Erzengeln: Der Rechner „Raphael“ war für die Inhalte zuständig, die Firewall hieß „Michael“, und der Server für die E-Mails „Gabriel“. Nur wenige Vatikan-Mitarbeiter hätten sich damals für "Internet und Emails" interessiert, so Schwester Judith Zoebelein. Joaquín Navarro-Valls, Pressesprecher des Vatikans, teilte ihre Vision und schlug dem Papst vor, dass das Internet "eine großartige Möglichkeit für die Evangelisierung sei, und dass es gut wäre, wenn auch hier die Kirche ihre Stimme erheben könnte".

Das Netzwerk als Einfallstor für den Teufel

Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte: "Johannes Paul II. war ein großer Visionär. Er hat sofort zugestimmt." Zwar bestand der Webauftritt zu Anfang nur aus einer einzigen Seite mit einem Bild und einer Papstrede - bald aber seien die  "Seiten dann wie Pilze aus dem Boden geschossen". Nicht jeder sei Fan dieser neuen "Internet-Vision" gewesen, berichtet Zoebelein  von einem älteren Monsignore, der in dem Netzwerk "ein Einfallstor für den Teufel" sah: "Und dann bewegt sich der Teufel hier im Vatikan umher!" Kurz darauf sei er aber in Pension gegangen.

Gott hat auch für die Technik einen Platz in seinem Plan

Und was denkt Zoebelein, die übrigens auch den Spitznamen "Sister Web" trägt, darüber? "Auch Technik ist Teil der Schöpfung. Viele Leute denken, dass Technik überhaupt nichts mit Spiritualität zu tun hätte. Aber ich sehe die Hand Gottes auch da am Werk: Durch uns Menschen hat Gott auch die Technik geschaffen, und so können wir ihn auch dort finden. Sobald wir etwas aus Gottes Gegenwart herausnehmen, wird es problematisch. Meine Mission war es immer, zu zeigen, dass Gott auch für die Technik einen Platz in seinem Plan hat."

Gibt es bald einen offiziellen Schutzpatron des Internets?

Bis heute ist "Sister Web" ihrer Passion treu geblieben: "Ich habe einen Twitter-Account, einen Facebook-Account … Ich habe sogar einen Social-Media-Kurs unterrichtet", erzählt sie. Da wäre es doch auch nett, wenn es einen offiziellen Schutzpatron des Internets geben würde. "Mir scheint, dass Carlo Acutis am geeignetsten wäre, denn er steht als Person auch für das Wirken im Internet", hat die Ordensfrau schon einen Vorschlag parat. Der mit 15 Jahren verstorbene Acutis (1991-2006) wurde letztes Jahr selig gesprochen. Vorschläge wie Klara von Assisi (1193-1253) oder der Gründer der paulinischen Gemeinschaften, Giacomo Alberione (1884-1971), seien jedoch auch denkbar.

Was Schwester Judith Zoebelein sonst noch zu erzählen hat, lesen Sie im ganzen Interview mit katholisch.de