Nach der Debatte um religiöse Beschneidung gehen die Wogen in Deutschland erneut hoch und schwappen langsam nach Österreich über. Dieses Mal ist allerdings der Tod - genauer gesagt die Sterbehilfe Gegenstand der Diskussionen. Losgetreten wurde die Debatte von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die zwar fordert, dass die "gewerbsmäßig betriebene Sterbehilfe" mit bis zu drei Jahren Haft bestraft wird. Straffrei soll die Sterbe-Beihilfe jedoch bleiben, wenn sie von Angehörigen und anderen nahestehenden Personen durchgeführt wird - u.a. auch Ärzten und Pflegepersonal.
Beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch "Auf Leben und Tod" im Mai wurde über Themen rund um Sterbehilfe und Entscheidungen am Lebensende diskutiert. Den Artikel und den Vortrag zum Anhören finden Sie hier.
Eigentlich wollte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger "nur" eine rechtliche Grauzone abschaffen - nun wurde eine Lawine losgetreten, die langsam auch nach Österreich überschwappt. Fakt ist: bisher steht nur Tötung auf Verlangen unter Strafe, Beihilfe zur Selbsttötung jedoch nicht - außer durch Ärzte. Um etwas mehr "Schwarz" und "Weiß" zu schaffen, schlug die Justizministerin vor, dass jedem, der anderen beim Suizid hilft und dafür Geld verdient (Sterbehilfe-Organisationen also, wie es sie in der Schweiz gibt) bis zu drei Jahre Gefängnis drohen sollen.
Straffrei oder drei Jahre Haft?
Anders sehe es aus, wenn Angehörige oder nahestehende Personen die Sterbehilfe durchführen - vorausgesetzt dass kein Geld fließt. Diese blieben straffrei: "Auch Ärzte oder Pflegekräfte können
darunter fallen, wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende,
länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist, wie dies zum Beispiel
beim langjährigen Hausarzt oder einer entsprechenden Pflegekraft der Fall sein
kann.", so der Gesetzesentwurf.
Stück aus dem Tollhaus
Die Reaktionen auf diesen Vorschlag fielen recht eindeutig aus: Von einem "Stück aus dem
Tollhaus" sprach der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, und
erklärte: "Unsere Position ist klar, als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur
Verfügung." Denn das Berufsrecht verbiete es Ärzten, Patienten auf deren
Verlangen zu töten, sie dürften auch keine Hilfe zur Selbsttötung geben. Zwar wurde von Seiten der Justizministerin versichert, dass es sich darum handle neues Strafrecht einzuführen und kein Strafrecht abzuschaffen, dennoch änderte sich nichts an den Reaktionen.
Kritik seitens der deutschen Kirche
Der von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
vorgelegte Gesetzentwurf stelle die "letzte Station" auf dem Weg zur Preisgabe
der Menschenwürde dar, kritisierte der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner. "Gleich einer Wanderdüne" sei "ein Eingriff nach dem anderen" gegen die
Unantastbarkeit menschlichen Lebens erfolgt. "Für das Ende des menschlichen Lebens gilt das gleiche wie für seinen Beginn:
Wir haben keine Verfügung darüber und dürfen sie uns auch nicht anmaßen - es sei
denn um den Preis unserer menschlichen Würde", bezog Meisner klar Stellung. Statt Sterbehilfe fordert er verstärkte Aufklärung über Schmerztherapie,
Palliativmedizin und Hospizarbeit sowie eine intensivierte Sterbebegleitung.
"Der Mensch soll an der Hand des Menschen sterben, nicht aber durch seine Hand", so Meisner.
Aufgabe des Arztes: Leben zu erhalten
Auch die deutsche Bundesärztekammer warnt vor Schlupflöchern beim geplanten Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Ausnahmen dürfe es nicht geben, auch nicht für Ärzte, sagte Vizepräsident Max Kaplan. "Die Aufgabe des Arztes ist es, Leben zu erhalten, Leiden zu lindern und Sterbenden Beistand zu leisten. Das heißt: Sterbebegleitung und ärztliche Hilfeleitung beim Sterben - und nicht zum Sterben.
Normalisierung?
Seitens der Deutschen Bischofskonferenz erklärte der Sprecher Matthias Kopp man könne davon ausgehen, „dass jede Form der Sterbehilfe, nicht nur die
gewerbsmäßige, zur Veränderung der Motive und Steigerung der Anzahl erfolgter
Suizide führt und damit zur Normalisierung der Inanspruchnahme einer solchen
Dienstleistung beiträgt“.
Österreich: Für ein Leben in Würde und gegen Sterbehilfe
Auch in Österreich wird über das Thema Sterbehilfe diskutiert. Die Ökumenische Sommerakademie im oberösterreichischen Stift Kremsmünster vom 17. Juli widmete sich dem Thema „Tabu Lebensende“ und beschäftigte sich intensiv mit Themen rund um Sterbebegleitung und Sterbehilfe (alles zur Entscheidung der Ökumenischen Sommerakademie finden Sie im Artikel "Nein zur Sterbehilfe"). Die Kirchen hätten den gemeinsamen Auftrag, sich aktiv gegen Sterbehilfe und für
ein Leben in Würde bis zuletzt einzusetzen, lautete der Tenor der
Veranstaltung.
Aktuelle Rechtslage in Österreich
In Österreich ist sowohl Töten auf Verlangen als auch jedwede Mitwirkung am
Freitod verboten. Niemand darf einen anderen Menschen dazu verleiten, sich
selbst zu töten oder ihm dazu Hilfe leisten - auch dann nicht, wenn der
Betreffende dies ausdrücklich verlangt. Wer sich diesbezüglich strafbar macht,
dem droht eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.