„Trotz der gesetzlichen Straffreistellung der Beihilfe zum Suizid muss auch in Zukunft die Vermeidung von Selbsttötungen für eine humane Gesellschaft oberste Priorität haben", betont Bischof Hermann Glettler mit Blick auf das Sterbeverfügungsgesetz.

Die Regierung hat sich auf eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Österreich geeinigt und am Samstag den Entwurf für ein "Sterbeverfügungsgesetz" vorgelegt. Wer Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen möchte, kann demnach ab 2022 eine Sterbeverfügung errichten - also eine schriftliche Erklärung ähnlich der Patientenverfügung. Der Zugang ist auf dauerhaft schwerkranke oder unheilbar kranke Personen beschränkt - explizit ausgeschlossen sind Minderjährige. Das dafür nötige letale Präparat wird in Apotheken erhältlich sein. Begleitend kommt ein Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung und eine entsprechende Finanzierung.

Rund fünf Millionen für Hospiz- und Palliativversorgung

"Das sind wichtige Investitionen, die ein Leben in Würde und Geborgenheit bis zuletzt für alle Menschen möglich machen", freuen sich Caritasdirektor Walter Schmolly und Karl Bitschnau, Leiter von Hospiz Vorarlberg, über die Unterstützugn der Hospiz- und Palliativversorgung. Den Ausbaubedarf in Vorarlberg sehen sie vor allem im Bereich des Mobilen Palliativteams und der Versorgung von Kindern. Der Bund stellt den Ländern bis zum Jahr 2024 insgesamt 108 Millionen Euro dafür zur Verfügung - für Vorarlberg sind das etwa vier bis fünf Millionen Euro.

Wesentlich kritischer sieht Schmolly das Sterbeverfügungsgesetz und stellt die Frage, ob mit dem Gesetz  "die Tür nicht zu weit aufgestoßen (wird), sodass der assistierte Suizid zu etwas nahezu `Normalem´ und `Alltäglichem´ wird". Das gemeinsame Bemühen von uns allen müsse sein, "dass jeder Mensch bei aller verständlichen Angst und Sorge in Bezug auf die letzte Lebensphase dann doch in das Vertrauen hineinfindet, auch diese Etappe in seinem Leben gut durchleben zu können.“

Bedingungslose Assistenz zum Leben

Auch wenn die Assistenz zum Suizid nun straffrei gestellt wird, dürfen wir dieses oberste Ziel nicht aus den Augen verlieren, so Schmolly. "Die bedingungslose Assistenz zum Leben muss unsere gemeinsame erste Aufgabe bleiben." Es stelle sich die Fragen, ob der Name "Sterbeverfügungsgesetz" in Anlehnung an die Patientenverfügung nicht ein falsches Signal für eine Normalität, setze, die dem assistierten Suizid nicht zukommen dürfe:  „Auch dass das tödliche Präparat in der Apotheke abgeholt wird, gibt dem Vorgang den Charakter von Alltäglichkeit. Wollen wir das?“

Schutz vor Irrtum oder übereiltem Handeln

Auch der, in der Bischofskonferenz für Lebensschutzfragen zuständige Bischof Hermann Gletteler hält fest, dass sich die Katholische Kirche im Verbund mit vielen Institutionen und im Einklang mit anderen Religionsgemeinschaften weiterhin für jede Form notwendiger "Assistenz zum Leben" einsetzen, doch "am klaren Nein zu jeder Form der Beihilfe zur Selbsttötung festhalten" werde - trotz der gesetzlichen Straffreistellung." Der nun vorliegende Entwurf verfolge aus der Sicht des Bischofs einige wichtige Ansätze wie den mehrstufigen Beratungsprozess als Schutz vor Irrtum oder übereiltem Handeln. Auch sei zu begrüßen, dass die Beihilfe zum Suizid nicht als ärztliche Leistung eingestuft werde.

Wo bleibt die verpflichtende Suizidprävention

Dass jedoch "zusätzlich zur medizinischen Diagnose und palliativmedizinischen Aufklärung die Ärzte auch noch die Frage der Willens- und Entscheidungsfreiheit des Suizidwilligen zu klären haben, ist eigentlich nicht zumutbar", so Bischof Glettler. Hier sollte unbedingt noch eine Anpassung erfolgen, sodass die vom Notar zu erstellende Sterbeverfügung in jedem Fall notwendig ist. Nach der ersten Durchsicht des Gesetzesentwurfs blieben für die Katholische Kirche jedoch noch wesentliche Fragen offen, hielt Gletter fest: "Wo etwa bleibt die verpflichtende Suizidprävention? Wo bleibt die rechtlich erhöhte Absicherung des Verbots der Tötung auf Verlangen?"

Gut ausgebaute Versorgung als Vorsorge

Man stehe in den kommenden  Monaten in der paradoxen Situation, "dass es einen Zugang zur Beihilfe zum Suizid gibt, aber noch nicht für jeden, der es braucht, einen Zugang zur mobilen palliativen Versorgung", so die Geschäftsführerin des "Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik“ (IMABE) Susanne Kummer. Schließlich wisse man, dass der Wunsch, das eigene Leben frühzeitig zu beenden, "oft ein Hilferuf, ein Ruf nach Nähe, nach Schmerzlinderung und in Ländern mit gut ausgebauten palliativen und hospizbegleitenden Versorgungsstrukturen sehr gering" ist betont Caritaspräsident Michael Landau. (red / kathpress)