Nachts über den Friedhof zu schleichen gehört hierzulande immer noch zu den beliebtesten Mutproben unter Heranwachsenden – nichtsahnend, dass es auf der anderen Seite des Globus‘ Altersgenossinnen und -genossen gibt, die Nacht für Nacht zwischen den Gräbern verbringen. Ein Aufschrei zu Allerheiligen.

Erinnern Sie sich an das Teekesselchen-Spiel aus der Grundschule, bei dem es darum ging, ein Wort mit mehreren Bedeutungen zu erraten? Beliebte Begriffe waren Bank („Auf meinen Teekesselchen kann man sitzen“ / „Bei meinem Teekesselchen bekommt man Geld“), Flügel („Mit meinem Teekesselchen kann ich fliegen“ / „Mein Teekesselchen hat Tasten“) oder T(ee) („Mein Teekesselchen trinke ich am liebsten heiß“ / „Mein Teekesselchen kann man schreiben“). Ein Wort, das damals nicht dazugehörte war „Ruhestätte“. Dabei ist sie – die abendliche und die letzte – für viele Kinder ein Synonym.

Stadt der Toten

Kinder in Kairo/Ägypten, auf den Philippinen, in Gaza-Stadt, im kambodschanischen Phnom Penh oder in der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Weil sie sonst kein Dach über dem Kopf mehr haben, geschweige denn ein Zuhause, legen sich Menschen zu den Toten. Mehr als 300.000 sind es allein am El´Arafa-Friedhof in Kairo (zum Vergleich: Vorarlberg hatte im Jänner dieses Jahres gut 388.000 Einwohner), wie die Hilfsorganisation Jugend Eine Welt bekanntgab.

Besonders in der Regenzeit seien die mitunter minimal überdachten Gräber für viele die letzte Zufluchtsmöglichkeit. Eine Ursache für diesen todtraurigen Trend macht Jugend Eine Welt in der zunehmenden Urbanisierung aus: Schon jetzt lebe mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten. Für die, die auf der Suche nach Arbeit in die Metropolen strömten, bleibe das 1966 im UN-Sozialpakt verbriefte „Recht auf Wohnen“ allerdings meist ein Wunschtraum. Wer nicht das „Glück“ hat, einen Unterschlupf in den monströsen Slums zu finden – ohne sanitäre Anlagen, ohne Strom-, Wasser- und Gesundheitsversorgung – der ende auf der Straße, respektive auf dem Friedhof.

Friedhofskinder

Die UNESCO geht davon aus, dass weltweit rund 350 Millionen Menschen von keinerlei Statistik erfasst sind, dazu gehören mit hoher Sicherheit auch viele tausende „Friedhofskinder“.

Jugend Eine Welt fördert viele Don-Bosco-Hilfsprojekte, die Kindern und Jugendlichen ein Zuhause bieten bzw. über Bildung und Ausbildung die Chance, dem Teufelskreis aus Armut und Obdachlosigkeit zu entkommen. Sie tun damit etwas, für das eigentlich Städte und Gemeinden verantwortlich wären: Die Hilfsorganisation auf Ziel 11 der 2015 beschlossenen Nachhaltigen Entwicklungsziele, das bis 2030 alle Staaten der Welt dazu auffordert, adäquaten, leistbaren und sicheren Wohnraum für ihre Bewohner sicherzustellen. Ein schöner Traum...

Quelle: Jugend Eine Welt / red