Benedikt XVI. bittet die Opfer sexuellen Missbrauchs in Hirtenbrief um Verzeihung. Täter ruft er zur Rechenschaft vor weltlichen und kirchlichen Gerichten. Er bekundet Scham und Reue. Im Video rechts (Quelle: YouTube-Kanal "TheVatican") ein Auszug aus der Verlautbarung.

Vatikanstadt, 20.03.2010 (KAP) Papst Benedikt XVI. hat die Opfer sexuellen Missbrauchs um Verzeihung gebeten. In dem am Samstag veröffentlichten Hirtenschreiben zum Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche äußert er sich "schockiert und verletzt" über die "sündigen und kriminellen Handlungen" durch Geistliche. Täter ruft er zur Rechenschaft vor weltlichen und kirchlichen Gerichten, Bischöfen hält er "schwere Fehlurteile und Versagen in der Leitung" vor. Für einige Diözesen, Priesterseminare und Orden kündigt der Papst vatikanische Untersuchungskommissionen an. "Im Namen der Kirche bekunde ich offen die Scham und Reue, die wir alle empfinden", heißt es in dem Schreiben an die irischen Katholiken, das der Papst als "Hirt der weltweiten Kirche" verfasst hat, wie Benedikt XVI. am Beginn des Schreibens selbst klarstellt.

Das Problem des Kindesmissbrauchs sei "weder spezifisch für Irland noch für die Kirche", betont der Papst. Die katholische Gemeinschaft müsse die Krise mit Mut und Entschlossenheit angehen. "Niemand erwartet, dass diese schmerzliche Situation schnell gelöst wird. Echter Fortschritt wurde gemacht, aber viel mehr bleibt noch zu tun", so der Papst. Zugleich erklärte er seine Bereitschaft, mit Missbrauchsopfern persönlich zusammenzutreffen.

Zu Beginn seines Schreibens, das mit einem Umfang von 20 Druckseiten auf Englisch erschien, verweist der Papst auf die "offenen und konstruktiven" Gespräche mit den irischen Bischöfen während des Krisengipfels im Februar im Vatikan. Die Oberhirten seien jetzt "besser in der Lage, die Arbeit der Wiedergutmachung vergangenen Unrechts voranzubringen". Diese müsse den Erfordernissen der Justiz und der Lehre des Evangeliums entsprechen.

Papst spricht Opfer und Familien an

Eigens spricht der Papst die Missbrauchsopfer und ihre Familien an: "Ihr habt schwer gelitten, und das tut mir aufrichtig leid. Ich weiß, dass nichts das Unrecht ungeschehen machen kann, das ihr erlitten habt." Ihr Vertrauen sei verraten, ihre Würde verletzt worden; viele hätten mit Anzeigen kein Gehör gefunden. Es sei verständlich, dass ihnen Vergebung schwer falle, so Benedikt XVI. Dennoch bitte er sie "demütig", an die heilende Kraft der Liebe Jesu zu glauben.

Den Tätern droht er Rechenschaft "vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten" an. Die betreffenden Priester und Ordensleute hätten "Schande und Unehre" über ihre Mitbrüder gebracht; zusätzlich zu der "ungeheuren Verletzung für die Opfer" sei auch dem Ansehen der Kirche schwerer Schaden zugefügt worden. "Erkennt eure Schuld offen an, unterwerft euch den Forderungen der Justiz, aber verzweifelt nicht an Gottes Barmherzigkeit", so der Papst. Verständnis äußert er für unschuldige Kleriker, die sich für die Fehler anderer verantwortlich gemacht sähen oder "enttäuscht, irritierte und verärgert" über das Krisenmanagement ihrer Vorgesetzten seien.

Harte Worte gegen einige Bischöfe

Harte Worte richtet der Papst gegen einige Bischöfe, denen er teils Versagen bei der Anwendung der kirchenrechtlichen Vorschriften zum Umgang mit Kindesmissbrauch vorwirft. Bei der Reaktion auf Hinweise, in der Beurteilung von Fällen und in Leitungsentscheidungen seien "schwere Fehler" gemacht worden. Nachdrücklich ruft er die Oberhirten auf, weiterhin mit der zivilen Justiz in deren Zuständigkeitsbereich zusammenzuarbeiten. Die Kirchenrechtsnormen zum Schutz von Kindern würden "kontinuierlich überarbeitet". Die Bischöfe mahnt Benedikt XVI. zu Selbstkritik, Verantwortung vor Gott und Solidarität mit ihren Gläubigen. Sie müssten "wieder glaubwürdig" werden.

Kirche war nicht untätig

In seinem Schreiben verwahrt sich der Papst gegen den Vorwurf der Untätigkeit seitens der Kirche. Seit die Schwere und das Ausmaß des Missbrauchsproblems in katholischen Einrichtungen erkannt sei, habe die Kirche eine "ungeheure Arbeit in vielen Teilen der Welt geleistet", um es zu beseitigen, so Benedikt XVI. Gleichzeitig appelliert er an die Bischöfe und Verantwortlichen der Ordensgemeinschaften: "Abgesehen von der vollständigen Umsetzung der Normen des Kirchenrechts im Umgang mit Fällen von Kindesmissbrauch: kooperiert weiter mit den staatlichen Behörden in ihrem Bereich. Für die Ordensoberen gilt dasselbe."

Zusätzlich zu Apostolischen Visitationen kündigt der Papst eine neue "Mission" in Form von Exerzitien und theologisch-geistlichen Schulungen für alle Kirchenverantwortliche an. Für die gesamte irische Kirche ruft ab sofort eine einjährige Bußzeit aus. Jeden Freitag sind die Gläubigen aufgerufen, als Sühne für die Verfehlungen zu Fasten, Gebet, Bibellesung und guten Werken aufgerufen.

In der Analyse der Ursachen für die Krise in Irland verweist Benedikt XVI. auch auf den sozialen Wandel der vergangenen Jahrzehnte und eine "gut gemeinte, aber verfehlte Tendenz", kirchliche Strafnormen zu milde anzuwenden. Der Kindesmissbrauch stehe in einem Kontext allgemeinen Glaubensschwunds. Die Krise habe das Evangelium mehr verdunkelt als Jahrhunderte von Christenverfolgung, so der Papst.

Auf der Website des Vatikans finden Sie
_ Den Hirtenbrief des Papstes im Gesamtwortlaut sowie das Video der Verlautbarung
_ Eine Zusammenfassung des Hirtenbriefes
_ Ein Video mit P. Federico Lombardi SJ, Pressesprecher des Vatikans
_ Weitere päpstliche Dokumenten zum selben Thema.

Der Papstbrief ist an alle Katholiken gerichtet

schönborn_kardinal_Der Hirtenbrief des Papstes zum Thema Missbrauch richtet sich an alle Katholiken weltweit und insbesondere auch an die katholische Kirche in Österreich. Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Reaktion zu dem am Samstag veröffentlichten Papstschreiben betont. "Man spürt in diesem Brief, dass der Papst die Enttäuschung und auch den Zorn sehr wohl wahrgenommen hat - und es ist ihm klar, dass der nicht nur auf Irland beschränkt ist", sagte Schönborn in einem "Kathpress"-Interview. "Dieser Brief ist auch an uns in Österreich geschrieben", so der Wiener Erzbischof und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz.

Der Hirtenbrief habe die "erhoffte und wünschenswerte Klarheit", verweist Schönborn auf die Worte Benedikts XVI. an die Opfer und besonders auch an die Täter, in denen der Papst klarstellt, dass sich letztere auch vor Gerichten verantworten müssen. "Die Klarheit mit der der Papst von der Verantwortung spricht, tut uns allen gut. Sie ist unbedingt notwendig und eine klare Maßgabe, an die wir uns unbedingt halten müssen."

Der Kardinal erklärte, dass die einzelnen Punkte, die Benedikt der XVI. anspricht, "eins zu eins" auf die österreichische Situation passten. "Der Brief wendet sich an ein Land, in dem die katholische Kirche eine große Geschichte hat, in der schwerer Missbrauch geschehen ist und wo viel Vertrauen in die Kirche zerstört worden ist", so Kardinal Schönborn. Der Papst spreche dies in einer Direktheit und Offenheit an, die nichts diplomatisch verschleiere. Schönborn: "Ich denke, das ist für uns eine klare Maßgabe."

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