Verständnis für die Tradition und Offenheit für die Welt – mit P. Josef Neuner verliert die Kirche einen engagierten Theologen und Brückenbauer

P. Josef NeunerMit dem Jesuiten P. Josef Neuner ist in der Nacht vom 3. Dezember 2009 einer der wegweisenden Theologen des 2. Vatikanischen Konzils verstorben.

P. Neuner kam am 19. August 1908 in Feldkirch zur Welt und absolvierte seine Ausbildung am berühmten Feldkircher Jesuitenkolleg Stella Matutina. Mit 18 Jahren trat er bei den Jesuiten ins Noviziat ein und wurde 1936 zum Priester geweiht. Noch während seiner Ausbildung übersetzte er die grundlegenden kirchlichen Dokumente ins Deutsche und schuf damit ein Lehrbuch, das über Generationen bis heute zum Standardwerk für Theologen wurde.

 

Ringen um eine „bodenständige“ Kirche

Das Interesse an fremden Ländern und Kulturen führt P. Neuner schon 1938 nach Indien, wo er mit der Ausbildung des indischen Klerus betraut wurde. Doch bald holt ihn der Zweite Weltkrieg auch im fernen Indien ein. Als „feindlicher Staatsbürger“ kommt P. Neuner für 7 Jahre ins englische Internierungslager. Doch die Haft wendet sich zur Gelegenheit. Die Internierung verschafft ihm die Möglichkeit, sich intensiv mit den philosophischen und religiösen Texten der indischen Tradition, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, auseinanderzusetzen. Der Wechsel auf den asiatischen Kontinent wird so zum  entscheidenden Einschnitt in seinem Leben. Fortan wird es ihm zum zentralen Anliegen, die abendländisch-koloniale Kirche in eine authentisch indische Kirche umzuwandeln.

Öffnung für andere Religionen

In den 60-er Jahren wird P. Neuner als theologischer Berater zum 2. Vatikanischen Konzil nach Rom berufen. Dort arbeitet er an der Konzilserklärung zur Beziehung zu den nichtchristlichen Religionen mit (Nostrae Aetate). Es ist maßgeblich P. Neuners Verdienst, dass die katholische Kirche die anderen Religionen nun nicht mehr als Rivalen misstrausich beargwöhnt, sondern diese in ihren Bemühungen und ihrem kulturellen Reichtum anerkennt und schätzt.
Zurück in Indien reformiert P. Neuner die theologische Ausbildung. Fast 50 Jahre arbeitet er an der Universität von Pune als theologischer Lehrer. Ganze Generationen von Theologen und viele indische Bischöfe von heute absolvierten bei ihm ihr Studium.

Aufmerksam für die Nöte der Zeit

Doch P. Josef zog sich keineswegs in den universitären Elfenbeinturm zurück. Er folgte dem Wort des hl. Ignatius: „Die Liebe ist mehr in die Taten als in die Worte zu legen.“ An der entsetzlichen Armut und den schwierigen Lebensverhältnissen in den indischen Slums nahm er starken Anteil. P. Neuner wurde zum wichtigen Berater für Mutter Teresa und übernahm eine zentrale Rolle in ihrem Seligsprechungsprozess. Er setzte sich auch besonders für die religiöse Frauengemeinschaft der „Helpers of Mary“ ein, die sich in den Slums um verwahrloste Kinder kümmerten.
Zeitlebens zeichnete P. Neuner eine große Offenheit aus. Allseits wurde er als engagierter „Brückenbauer“ geschätzt. Sein Leben vereint die Verwurzelung in der Tradition mit der Offenheit für die jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Umstände. In seiner Autobiografie „Der indische Joseph“ (Quelle-Verlag, Feldkirch) gibt er Einblick in die prägenden Stationen und Begegnungen seines Lebens. Seiner Heimat Vorarlberg blieb er stets durch zahlreiche freundschaftliche Kontakte verbunden. In Würdigung seines Lebenswerks erhielt er 2005 die höchste Auszeichnung, das Goldene Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg.
Klaus Gasperi

Weiterführende Links:

Laudatio von Prof. Dr. Józef Niewiadomski  anlässlich der Überreichung des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Vorarlberg am 9. Juni 2005 

Schweizer Jesuitenmission