Auch Jesus von Nazareth hat - durchaus öfters - mit seinen Freunden gegessen und getrunken. Ob er dabei auch Oper gehört hat? Wohl eher nicht. Schade eigentlich, muss man nach dem Abend zwischen Musik und Kulinarik, Oper und Gebet in der Sommerkirche eindeutig feststellen.

"Es gibt ja fast keinen urchristlicheren Vollzug, als miteinander zu essen und zu trinken", ganz in diesem Sinne stimmt Dr. Markus Hofer, Referent für Glaubensästhetik und begeisterter Opernliebhaber, seine Zuhörerschaft im Altacher Pfarrsaal auf diesen ganz besonderen Abend ein. Geadelt wurde der durch Musik, die schon der deutsche Philosoph und Filmemacher Alexander Kluge einst als "Kraftwerke der Gefühle" tituliert hatte, begleitet von Hofer'schen Operngeschichten und - geschichtchen. Dazu serviert wurde ein dreigängiges Menü, das vom Grazer Hobby-Koch Martin Exner feinstens auf Takt und Atmosphäre abgestimmt wurde. Tatkräftig wurde er dabei übrigens von Altacher Frauen und einem engagierten Küchenteam.

Gestartet wird "schön katholisch"

"So ein Abend, das ist echte Missionsarbeit", erzählte da auch "Hausherr" und Pfarrer Rainer Büchel zwischen den einzelnen Gängen. Denn, "missionarisch tätig zu sein, das heißt ja vor allem, Menschen für eine Sache zu gewinnen, von der man selbst begeistert ist. Und das trifft hier doch eindeutig zu", lacht er. Die Idee dazu hatte Rainer Büchel übrigens schon während seiner Studienzeit in Graz. Damals brachten er und Martin Exner noch Studienkolleginnen und -kollegen auf den Operngeschmack. In Altach erweiterten sie das Grundkonzept um eine weitere, theologische Geschmacksrichtung: das Gebet in der Oper.

Und damit trat schließlich Markus Hofer als Opern-Conferencier vor den Vorhang. In drei Akten, wie es sich gehört, wurde da quer durch die Operngeschichte gebetet: innständig, andächtig, verzweifelt und natürlich auch staatstragend-pathetisch. Diese Form des Betens in der Oper sei, so Hofer, in den meisten Fällen übrigens den Männern vorbehalten. "Wir starten den Abend aber ganz amtlich-liturgisch. So richtig schön katholisch eben", schmunzelt er und schon ertönt Mascagnis "Cavalleria rusticana" in vollster Pracht.

Eine feministische Asterix und Obelix-Story

Da steht am Anfang des Spiels um Liebe, Treue und Eifersucht nämlich ein Osterhymnus. "Da hört man den Chor aus der Kirche. Eine Orgel ist auch mit dabei und dann das ,Regina Coeli'. Ich kann nur sagen, wenn man da in der Oper sitzt, da wird man so andächtig wie in kaum einem Hochamt", erzählt Hofer, bevor es mit Verdis "Forza del Destino" für die unglückliche Leonora in die Klausur im Mönchskloster geht. "Hier hören wir den Chor der Mönche, während Leonora allein der Einsiedelei zugeht und zur Jungfrau Maria betet und der Guardian des Klosters segnend die Hände hebt. Katholischer geht es doch fast nicht mehr", malt Hofer hier die Szene amüsant aus. Aber, so Markus Hofer weiter, auch die Kelten wussten zu beten, wovon man sich bei Bellinis "Norma" überzeugen könne. ",Norma', das ist, wenn man so will, eine feministisch angehauchte Asterix und Obelix-Story. Norma ist eine keltische Oberpriesterin und sowohl sie als auch ihre Unterpriesterin haben leichte Probleme mit dem Zölibat", so Hofer. Und weil Norma, allen liebesbedingten Konflikten zum Trotz, nun mal Oberpriesterin ist, ist es auch ihre Aufgabe, die keusche Göttin, die "Casta Diva" anzurufen. "Ich durfte diese Szene einmal in einer unglaublich gelungenen Inszenierung erleben. Norma schritt dabei Stufe um Stufe immer höher hinauf, während ihr silberner Mantel zum Schluss die gesamte Bühne bedeckt hat", und so, erzählt Markus Hofer weiter, kam die Schutzmantelmadonna in die Oper. Stilecht und passend dazu wurde übrigens eine keltische Brennnesselsuppe mit Erbsen-Dinkelbällchen und ein kühler Schluck Bier serviert.

Beten Frauen anders?

Es folgte der zweite Akt. Innig und voll Gefühl, übertitelte Opernführer Markus Hofer dieses Kapitel, in dem vor allem die weiblichen Heldinnen zu Wort kamen. Nicht ganz allerdings, denn den Anfang machte eine Kirchenarie aus der Oper "Stradella", die der Schweizer Komponist Louis Niedermeyer dem italienischen Sänger, Musiker und Komponisten Alessandro Stradella widmete. Gesungen von Enrico Caruso durfte man hier den Schritt vom Lyrischen hin zum Pathetischen erleben. Doch dann übernahmen die Damen das Ruder. Namentlich waren das Puccinis Floria Tosca, Verdis Desdemona und Humperdincks Gretel und auch Hänsel, der in der Welt der Oper stimmlich ebenso für die Damenwelt zählt. Und wann beten die Damen in der Oper? In höchster Not, aus Verzweiflung, in Todesgefahr.

Besonders eindrücklich ließ sich das am Beispiel der Desdemona miterleben, die um die rasende Eifersucht Otellos weiß und auch ahnt, dass sie zum Opfer seiner Raserei werden wird. Über dem "Ave Maria" schwebt deshalb schon rein musikalisch der düstere Schleier der Todesahnung, die sich in den letzten Worten - "... und in der Stunde unseres Todes" - verdichtet. Ganz anders wieder Floria Tosca, die in höchster Not zu einem ganz freien und höchst persönlichen Gebet findet, in dem sich aber dennoch die Elemente der damaligen Volksgläubigkeit wiederfinden.

Engelchen flieg!

Mit der Oper "Hänsel und Gretel" wiederum hat es schließlich das Volkslied "Abends wenn ich schlafen gehe", auf die große Bühne geschafft und ist vielen - teilweise bis heute - auch als kindliches Nachtgebet bestens bekannt. "Man kann es naiv nennen, wenn bei Humperdinck Hänsel und Gretel hier dieses Nachtgebet singen, aber sie beten eben so, wie sie es wohl von zu Hause gekannt haben. Ich erinnere mich da an eine Inszenierung an der New Yorker Met. Dort hat sich, während Hänsel und Gretel gesungen haben, buchstäblich der Himmel geöffnet und die Englein sind nur so herunter und wieder himmelwärts geflogen. Das war so kitschig, dass es schon wieder schön war", räumt Hofer da auch dem rosaroten Zuckerguss einen Platz ein. In kulinarischer Hinsicht hatte der im zweiten Akt allerdings nichts zu suchen. Denn da wurde - ganz nach Humperdinck-Rheinländischer Art - ein Rindereintopf mit Butterknöpfle aufgetischt. 

Pathos, meine Herren!

Und schon war das weibliche Opernintermezzo auch wieder vorbei. Denn das Finale gehörte den staatstragenden Männern - zumindest im Ägypten der Oper. "Wenn Männer in der Oper beten, dann hat das sehr oft diesen Charakter einer öffentlichen Anrufung. Das ist auch bei Mozarts ,Zauberflöte' so, wenn Sarastro Isis und Osiris darum bittet, dass Tamino doch auch alle ihm gestellten Prüfungen gut überstehen soll", biegt Markus Hofer mit dem satten Bass eines Kurt Moll in die Zielgerade ein und - man höre und lerne - "Priesterfiguren genauso wie auch die Vaterrollen in der Oper gehören meist den Bässen. Die überleben dann aber auch in der Regel."

Noch dramatischer und mit viel Pathos wird dann auch bei Verdis "Aida" um den Sieg gebetet, bevor sich das Gebet des Mose zur Musik von Gioachino Rossini wie Weihrauch hoch und immer höher über dem Roten Meer Richtung Himmel schraubt. "Da weiß man am Schluss einfach, dass Jahwe gar keine andere Chance hat, als zu helfen", setzt Markus Hofer charmant den Punkt hinter den letzten Akt des Abends, den man sich mit dem ägyptischen Dessert Um Ali - was so viel heißt wie "nach Art der Schwiegermutter" - auf der Zunge zergehen lassen konnte.

Wir wären dabei

Wollte und sollte man nun ein Fazit aus diesem besonderen Abend ziehen, dann bliebe da sicher die Musik mit Gänsehautfaktor im positivsten Sinn. Dann bliebe die Erinnerung an Speis und Trank,die vom gesamten Küchenteam so charmant an den Mann und die Frau gebracht wurden. Und es bleibt das Wissenswerte und die vielen kleinen Anekdoten, die der Opernerzähler Markus Hofer in seiner ganz unvergleichlichen Art zu Gehör brachte. Der Appetit auf Oper, Religion und Co. wäre auf jeden Fall geweckt. Beste Voraussetzungen also für eine Wiederholung!