Wo findet man die "Stelle, die zum schönsten gehört, was Literatur je hervorgebracht hat"? Genau. In der Bibel. Zumindest, wenn man Erfolgsautor Michael Köhlmeier fragt. Wie passend, rückt die österreichweite Aktionswoche "Österreich liest. Treffpunkt Bibliotheken" noch bis 22. Oktober die Bücher ins Scheinwerferlicht.

Man kennt sie: Die Erzählung im Johannesevangelium über Jesus und die Ehebrecherin. Die Pharisäer wollen Jesus damit in Verlegenheit bringen: Sein Ja oder Nein zur vorgesehenen Strafe der Steinigung würde ihn vor aller Welt zu einem gesetzesbrechenden Libertin oder aber zu einem von den Schriftgelehrten nicht Unterscheidbaren machen. Jesu Lösung, dem Gesetz solle Genüge getan werden, "und wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein", ist für Köhlmeier "ein Satz, der mich jedes Mal so berührt, dass ich einen Knoten im Hals kriege" - wegen der beispiellosen, "unglaublichen Konfliktlösungsfähigkeit" von Jesus.

Herzzerreißend furchtbar

Es gebe zahlreiche vergleichbare Stellen aus dem Alten und Neuen Testament, wies der aus Vorarlberg stammende Schriftsteller hin. Köhlmeier erzählte mehrfach Bibelgeschichten in eigenen Werken oder Hörbüchern nach; er sei diesbezüglich geprägt von seiner Mutter, die ihm schon in jungen Jahren die Heilige Schrift nahegebracht hätten, wie er berichtete. Besonders berührt und "erschüttert" habe ihn sein ganzes Leben lang die Hiob-Erzählung. Was dieser Gestalt aus dem Alten Testament zustieß - die Kinder gestorben, der ganze Besitz verloren -, sei "grauenhaft", so Köhlmeier. Dass dies aber Folge einer Wette Gottes mit dem Teufel war, fand er geradezu "herzzerreißend furchtbar" und habe ihn zur Frage geführt, wie er sich auf so einen letztlich "eitlen" Gott je verlassen könne, der Hiob zum Schluss eine fragwürdige "Wiedergutmachung" zugesteht.

Im Verdacht, dumm zu sein

So eine Geschichte und die dort aufgeworfene Frage, ob die Verteilung von Glück und Unglück etwas vollkommen Willkürliches ist, werde Menschen berühren, so lange die Menschheit besteht, meinte Köhlmeier. Seiner Einschätzung nach sprechen Erzählungen aus Bibel oder Mythologie, "die eine gewisse Zerrissenheit darstellen", heute besonders an. Viele Zeitgenossen seien heute geradezu "süchtig" danach, interessant sei nur das, "was einem das Herz zerreißt, wo man im Zweifel ist, wo man mit sich kämpft". Wer sich heute an eine "Idylle" halte - ob als Produzent oder Konsument von Literatur - gerate "in Verdacht, dumm zu sein". Das finde er schade, sagte Köhlmeier, obwohl er sich selber den "Mut" wünschte, z.B. eine "ganz brave Weihnachtsidylle" zu schreiben. Das wäre "schon fast wieder subversiv".

Apropos "Österreich liest"

Nach wie vor nimmt Vorarlberg   österreichweit den bibliothekaren Spitzenplatz ein. Stichwort  70.000 BenutzerInnen, 2,5 Millionen Entlehnungen pro Jahr sowie 750 ehrenamtliche MitarbeiterInnen. (red/kathpress)