Mediziner und Moraltheologe Beck: Differenzierte Sicht auf entstandene ethische Probleme notwendig - "Aktion Leben": Mangelnde Transparenz im Bereich der Reproduktionsmedizin

Wien (KAP) Kritische Stimmen zur Verleihung des Medizinnobelpreises an Robert Edwards, den "Vater" der In-vitro-Fertilisation (IVF), kommen auch aus Österreich. So plädierte der Wiener Naturwissenschaftler, Mediziner und Moraltheologe Prof. Matthias Beck im Gespräch mit "Kathpress" für eine differenzierte Beurteilung der Leistung Edwards gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen, durch seine Forschungen entstandenen ethischen Problemstellungen. So habe die IVF zwar auf der einen Seite zahlreichen Eltern geholfen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen, auf der anderen Seite müsse man die Frage nach dem "Preis für diese Hilfe" stellen dürfen, wie dies die Kirche in ihren kritischen Einwürfen zur IVF tue, so Beck.

Durch Edwards Methode wurden plötzlich Fragen nach den Anfängen des Lebens virulent, so Beck, die sich zuvor in dieser Form nicht stellten: "Ist der Embryo schon ein Mensch? Welchen anthropologischen und ethischen Status hat ein Embryo? Wie viele Embryonen soll man herstellen - und was geschieht mit den überzähligen? Soll man sie vernichten, sterben lassen oder für die Forschung freigeben?" Diese Fragen seien seit Edwards aufgeworfen und hätten zu einer "höheren Sensibilität für den Beginn des Lebens" geführt.

Dennoch dürfe man nicht aus dem Auge verlieren, dass Edwards mit seiner Methode von Beginn an "auch ganz andere Ziele" verfolgt habe - und zwar die Gewinnung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken. In diesem Bereich sei der kirchliche Einspruch durchaus berechtigt, so Beck weiter, da diese Forschung "menschliches Leben von seinem Beginn an verzweckt".

Einspruch sei außerdem dort notwendig, wo sich - wie das Beispiel Englands zeige - ein eigener Handel mit Eizellspenden zu Forschungs- wie zu Reproduktionszwecken auszubilden drohe. Auch habe sich die Hoffnung, mit embryonalen Stammzellen Therapien etwa für chronische Erkrankungen wie Parkinson, Krebs oder Alzheimer zu entwickeln, "selbst nach 10-jähriger Forschung mit hohem finanziellen Aufwand nicht erfüllt".

Auch die IVF an sich sei differenziert zu betrachten, so Beck weiter. So sei die Methode "schon rein naturwissenschaftlich gesehen kein Spaziergang", da der Eizellgewinnung eine hormonelle Stimulation vorausgehe, die in Einzelfällen bis zum Tod der Patientinnen geführt habe. Auch sei die Zahl der Schädigungen bei IVF-Kindern höher als bei normal gezeugten.

Lösbar sei die Konfliktlage zwischen kirchlich-lehramtlicher Position und naturwissenschaftlicher Forschung nicht ohne weiteres, so Beck abschließend. Notwendig sei dabei jedoch stets ein "respektvoller Umgang mit der Meinung des anderen". Außerdem dürfe der Konflikt "keinesfalls auf dem Rücken der geborenen Kinder ausgetragen werden".

 
"Aktion Leben": Nobelpreis "falsches Signal"

Kritik an der Verleihung des Nobelpreises an Edwards kommt auch von der "Aktion Leben". Angesichts der zahlreichen offenen Fragen, die die IVF aufgeworfen habe, sei der Nobelpreis an Edward "ein falsches Signal", da er ein Zeichen dafür sei, "ungewollter Kinderlosigkeit mit Technik zu begegnen statt mit Prävention, Ursachenforschung und der Stärkung alternativer Methoden", so "Aktion Leben"-Präsidentin Gertraude Steindl in einer Presseaussendung am Dienstag.

Weiters beklagte Steindl die mangelnde Transparenz im gesamten Bereich der Reproduktionsmedizin. So würden auf der einen Seite die tatsächlichen geringen Erfolgsraten bei der IVF verschleiert, auf der anderen Seite die Risiken für die Mütter sowie für die Kinder nicht offen benannt. Die Tatsache etwa, dass IVF-Schwangerschaften häufig Mehrlingsschwangerschaften seien, brächten nicht selten "unterschätzte, erhebliche gesundheitliche Risiken" mit sich. "Ich würde mir im Interesse der Frauen und Kinder viel mehr Vorsicht und begleitende Forschung wünschen", so Steindl.

Zum Feiern sei ihr daher "nicht zumute", stellte Steindl fest, da Edwards wie auch andere Reproduktionsmediziner "bereits die Vision eines verbesserten Menschen" in ihre Forschung einfließen ließen und sich über ethische Probleme, die mit ihren Forschungen verbunden sein könnten, "einfach hinwegsetzten". Dagegen müsse festgehalten werden, dass ein Embryo von Beginn an kein "Forschungsmaterial" darstelle, sondern eine Würde besitze, der gemäß er auch zu behandeln sei, "genauso wie alle an der medizinisch assistierten Fortpflanzung beteiligten Personen". Steindl: "Im Interesse der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch würde ich lieber nach Alternativen suchen."

Linktipp
_ Nobelpreis an Edwards: Vatikan sieht Vedienste und Problematik: "Edwards' Forschungen trugen letztlich auch zur Vernichtung von Embryonen bei"

(Quelle: kathpress.at)