Buch "Baupläne der Schöpfung" der Naturwissenschaftler Huber und Thirring eröffnet neue Runde im Gespräch Naturwissenschaften-Religion - "Kathpress"-Hintergrundbericht von Henning Klingen

Dass Theologen auf einen Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaft pochen und dabei vor Grenzüberschreitungen warnen, überrascht wohl kaum mehr. Aufgescheucht durch den Aufsehen erregenden Beitrag "Finding design in nature" von Kardinal Christoph Schönborn im Jahr 2005 in der "New York Times", hat sich in den letzten Jahren eine heftige Diskussion über das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften, genauer: von Theologie und Evolutionstheorie, entwickelt. Auf den Punkt gebracht ging es dabei um den Vorwurf der Theologen an die Naturwissenschaftler, sich eines verkürzten und daher ideologischen Wissenschaftsbegriffs zu bedienen und die Grenzen der eigenen Disziplin zu überschreiten.

Thirring Huber Baupläne der SchöpfungIn die sich in jüngster Zeit langsam erschöpfende Diskussion platzt nun das Buch "Baupläne der Schöpfung" - Untertitel: "Hat die Welt einen Architekten?" Das Brisante: Die Autoren sind nicht - wie es der Titel suggerieren mag - in erster Linie Theologen, sondern Naturwissenschaftler und ausgewiesene Experten: der Mediziner (und zugleich ausgebildete Theologe) Johannes Huber und der Physiker und ehemalige CERN-Direktor Walter Thirring.

Ihre Schrift ist nichts weniger als ein Weckruf an die eigene Zunft: Die Evolutionstheorie dürfe nicht als zwingendes Argument gegen die Vorstellung eines Schöpfergottes verstanden werden, dies sei eine unzulässige Vereinfachung. Vielmehr müsse man auch von naturwissenschaftlicher Seite den wichtigen Beitrag der Religionen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt würdigen. So schließen sie in einem "Memorandum" am Ende des Buches: "Der Dialog zwischen Naturwissenschaft und Religion ist sinnvoll, muss aber getragen sein von Toleranz und Achtung gegenüber Andersdenkenden, denn der menschliche Verstand kann bei vielen Fragen keine endgültige Entscheidung fällen".

 
"Gläubige Staatsbürger" bleiben ein Gewinn

Dabei richtet sich die Forderung nach Toleranz und Achtung vor allem an den eigenen Berufsstand, der oftmals ausblende, dass gerade "gläubige Staatsbürger" für die demokratischen Gesellschaften einen "großen Gewinn" darstellten, "sobald sie Tugenden wie die Solidarität mit Armen und Diskriminierten, Verzicht auf Gewaltreaktionen, Hilfsbereitschaft für Bedürftige" aus ihrem Glauben zögen.

Auch sei die moderne Naturwissenschaft gerade auf dem Boden eines christlich geprägten Abendlandes gewachsen, erinnern die Wissenschaftler. Daher sei es abzulehnen, "wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse durch grobe Entstellung des Problems als Beweise für die Nicht-Existenz Gottes verwendet werden und damit der gleiche Fehler begangen wird, den man Vertretern religiöser Überzeugungen in umgekehrter Weise über Jahrhunderte vorwirft".

Ob hinter Naturgesetzen und ihrer "unüberbietbaren Präzision" ein "Welten-Designer" steht oder ein blinder evolutiver Prozess, lasse sich "weder in die eine noch in die andere Richtung beantworten". Die Frage nach den "Bauplänen der Schöpfung" - sie muss "offen bleiben", alles andere wäre auch aus wissenschaftlicher Sicht "intellektuell unredlich". Zugleich geben die beiden Naturwissenschaftler aber einen Hinweis, in welche Richtung sich ein Dialog über diese Fragen entwickeln müsste - so sei zukünftig verstärkt die "epigenetische Prägung" in den Blick zu nehmen, d.h. die Frage, in welchen "biologischen Fenstern" und Lebensphasen die "religiöse Musikalität" eines Menschen ausgeprägt wird.

 
Erbe Kardinal Königs

In einem Parforceritt führen die Autoren den Leser von kosmologischen Themen zur Quantenphysik, von der Theologie zur Epigenetik, üben Gesellschaftskritik und widmen sich ethischen Fragen im Lichte der christlichen Gebote, die sie neu interpretieren. Zugleich formulieren die Autoren dabei den Anspruch an die Theologie, "Erkenntnisse moderner Naturwissenschaft in ihr Weltbild einzubauen".

Schließlich sprechen sich Huber und Thirring in Anlehnung an eine Formulierung des verstorbenen Erzbischofs von Wien, Kardinal Franz König, dafür aus, den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Religion in "Achtung und Toleranz" zu intensivieren, "aber so, dass Andersdenkende dabei nicht verletzt und andere Positionen respektiert werden.

Dass das Buch mit Kardinal König endet, mag ebenfalls überraschen - es wird indes erklärlich aus der Tatsache heraus, dass Johannes Huber von 1973 bis 1983 Sekretär Franz Königs war - und einer der letzten, die den 2004 verstorbenen Kardinal vor seinem Tode sprachen. Wie Huber berichtet, gab König ihm damals in knappen Worten einen Auftrag: "Naturwissenschaft und Religion - bitte machen Sie so weiter". Das vorliegende Buch, es ist somit auch ein stückweit ein Erbe Kardinal Königs.

Buchinfo
Johannes Huber, Walter Thirring: Baupläne der Schöpfung – Hat die Welt einen Architekten? Unter Mitarbeit von Cornelia Faustmann. Seifert-Verlag 2011. ISBN: 978-3-902406-73-6. EUR 23,60.

(Quelle: kathpress.at, Bild: Hugo Reinhold, "Affe mit Schädel", 1893. Der Schimpanse betrachtet einen Menschensschädel und sitzt dabei auf einem Stoß von Büchern. Eines davon trägt den Autorennamen "Darwin"]