Er sei weder amtsmüde noch demotiviert, betont Kardinal Reinhard Marx.Trotzdem hat er dem Papst seinen Rücktritt als Erzbischof von München und Freising angeboten. Warum die Kirche für ihn an einem "toten Punkt" ist und Reaktionen auf seinen Rücktritt, lesen Sie hier.

"Viel persönliches Versagen und administrative Fehler“, aber „eben auch institutionelles oder systemisches Versagen“ habe es in den letzten zehn Jahren gegeben. Das schreibt zumindest Kardinal Reinhard Marx am 21. Mai in seinem Brief an den Papst, in dem er ihn bittet , sein Rücktrittsgesuch anzunehmen. „Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten."  Die Diskussionen der letzten Zeit hätten gezeigt, „dass manche in der Kirche gerade dieses Element der Mitverantwortung und damit auch Mitschuld der Institution nicht wahrhaben wollen und deshalb jedem Reform- und Erneuerungsdialog im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise ablehnend gegenüberstehen“. Dieser Haltung erteilte Marx eine klare Absage.

Eine ganz persönliche Entscheidung

Die katholische Kirche sei an einem "toten Punkt" angekommen, der aber auch zu einem Wendepunkt werden könne. Marx ist seit 42 Jahre Priester und fast 25 Jahre Bischof, davon fast 20 Jahre Ordinarius eines jeweils großen Bistums "und natürlich werde ich mich möglichen Fehlern und Versäumnissen in einzelnen konkret zu prüfenden Fällen auch meiner Amtszeiten stellen", betont er. Seine Bitte um Annahme des Amtsverzichts sei eine ganz persönliche Entscheidung. "Ich möchte damit deutlich machen: Ich bin bereit, persönlich Verantwortung zu tragen, nicht nur für eigene Fehler, sondern für die Institution Kirche, die ich seit Jahrzehnten mitgestalte und mitpräge."

Missstände kann man nicht begraben

Er empfinde schmerzhaft, wie sehr das Ansehen der Bischöfe in der kirchlichen und in der säkularen Wahrnehmung gesunken, vielleicht sogar an einem Tiefpunkt angekommen sei. "Um Verantwortung zu übernehmen reicht es aus meiner Sicht deshalb nicht aus, erst und nur dann zu reagieren, wenn einzelnen Verantwortlichen aus den Akten Fehler und Versäumnisse nachgewiesen werden, sondern deutlich zu machen, dass wir als Bischöfe auch für die Institution Kirche als Ganze stehen", stellt er klar. Und weiter: Es geht auch nicht an, einfach die Missstände weitgehend mit der Vergangenheit und den Amtsträgern der damaligen Zeit zu verbinden und so zu „begraben“. "Das Übersehen und Missachten der Opfer ist sicher unsere größte Schuld in der Vergangenheit gewesen", findet er klare Worte.

Ein Schritt, der schmerzt

Mit seinem Amtsverzicht könne vielleicht ein persönliches Zeichen gesetzt werden für neue Anfänge, für einen neuen Aufbruch der Kirche. "Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der Auftrag des Evangeliums." Ihm falle der Schritt nicht leicht, aber "ich bin bereit, persönlich Verantwortung zu tragen, nicht nur für eigene mögliche Fehler, sondern für die Institution Kirche, die ich seit Jahrzehnten mitgestalte und mitpräge."

Eine bunte Palette an Reaktionen

Reaktionen auf diesen Schritt gibt es viele. Großer Respekt und Bedauern äußert die EU-Bischofskommission COMECE. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sieht den Rücktritt als "Aufforderung an andere Geistliche der katholischen Kirche", sich ebenfalls mit einem solchen Schritt auseinanderzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. "Da geht der Falsche", sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) bekundete zwar ebenfalls Respekt. "Wir sagen aber auch ganz klar: Kardinal Marx hat seine Mitverantwortung an den Vorgängen des Missbrauchs und der Vertuschung in der katholischen Kirche eingeräumt, deshalb ist sein Rücktritt der richtige Schritt". Und auch sonst war alles aus der Emotionspalette dabei. (red/www.erzbistum-muenchen.de)

Zum Nachlesen:

Kardinal Reinhard Marx Brief an Papst Franziskus (Deutsch)
Kardinal Reinhard Marx Erklärung (Deutsch)