Innsbrucker Dogmatiker Jozef Niewiadomski warnt vor einseitigen Erklärungsversuchen des Anschlags auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo".

Jozef Niewiadomski

Nach dem Anschlag auf die Pariser Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" warnt der Innsbrucker Dogmatiker Jozef Niewiadomski davor, die Tat rein vor einem religiösen Hintergrund erklären zu wollen. Das wäre zu kurz gegriffen und nehme die soziale und kulturelle Situation vieler Migranten im laizistischen Frankreich nicht ernst, so der Theologe im Gespräch mit "Kathpress" (Donnerstag). Um solchen Gewaltphänomenen entgegenzutreten, müssten zunächst die "realen Ursachen", die der Nährboden für Radikalisierungen sein, benannt werden: "Die triste wirtschaftliche Situation vieler Migranten, ihre mangelhafte Integration und die geringen Chancen, diesem Elend zu entkommen".

Die Vielschichtigkeit des Phänomens mache schnell klar, dass ihm mit einer isolierten Verschärfung entsprechender Gesetze nicht beizukommen sei, so der Theologe. Und auch der "Fingerzeig" auf eine nicht aufgeklärte islamische Theologie, die im 16. und 17. Jahrhundert stehen geblieben und gewaltaffin sei, bringe wenig. Darin liege sogar ein "wenig Selbstgerechtigkeit", so der Theologe, denn auch die Aufklärungswelle in Europa habe die soziale Ungleichheit nicht beseitigen können. Reale Probleme, wie etwa "die nicht vorhandene Integration von Migranten oder das Auseinanderklaffen im sozialen Status zwischen Migranten und Nichtmigranten", könnten nur über eine Kultur, "die von Achtung und Solidarität" getragen ist, aufgelöst werden.

Der Weg über eine radikale Privatisierung von Religion, wie es eben in Frankreich der Fall sei, habe sich ebenso als "Irrweg" erwiesen. Laizistische Modelle, die Religion vollkommen in den Privatbereich abdrängen, seien zum Scheitern verurteilt, "denn sie schaffen es nicht, eine Religion wie den Islam zu integrieren". Die oft in Medien kolportierte Meinung, die Tat sei ein genereller Anschlag auf die Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa und eine Wellte des Islam-Terrors könne Europa überschwemmen, teilt der Theologe deshalb nicht. Die Situation in Österreich sei noch einmal anders gelagert wie etwa in Paris oder Berlin. "Gelingt es aber nicht, Minderheiten in unserer Gesellschaft besser zu integrieren und so zu integrieren, dass sie wirklich als wertvolle Bürger geachtet werden und die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten haben, dann werden wir bald dieselben Probleme bekommen."

Grundsätzlich gebe es so etwas "wie eine Faszination der Gewalt", die Menschen in ihren Bann ziehe. Dieses Phänomen sei aber auch am Christentum beobachtbar, betonte der Theologe und nannte konkret die Kreuzzüge. Mit dem Aufkommen der Terrororganisation "Islamischer Staat" sei es zu einer Zuspitzung der Faszination von Gewalt auf dem Boden des Islam gekommen.

kathpress