Vor zehn Jahren starb Frère Roger, Gründer der Gemeinschaft in Taizé. In der Gedenkfeier vergangenen Sonntag versammelten sich neben tausenden jungen Menschen auch Bischöfe unterschiedlicher Konfessionen. Frère Alois blickte in seinen Worten auf das Fundament der Gemeinschaft und jene Schritte, die in der Zukunft gegangen werden.

Junge katholische, orthodoxe und evangelische Christen aus aller Welt gedachten am Sonntag des vor genau zehn Jahren von einer geistig umnachteten Frau ermordeten Gründers der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger (Schutz). Bei dem Gottesdienst in dem kleinen burgundischen Ort wurde zugleich auch auf den 100. Jahrestag der Geburt des charismatischen Mönchs aus der reformierten Kirche von Genf und auf den 75. Jahrestag seiner Ankunft in Taizé Bezug genommen.

Frère Alois (Löser), der heutige Prior der Gemeinschaft von Taizé, erinnerte an die drei großen Anliegen von Frère Roger: Der Friede, das Teilen, die Solidarität unter den Menschen. Frère Roger habe von "Kampf und Kontemplation" gesprochen.

Die neuen Nöte - die Vertreibungen und Migrationsbewegungen, die ökologischen Katastrophen, die Massenarbeitslosigkeit, die Gewalttätigkeit - verlangen nach "neuen Formen der Solidarität", unterstrich Frere Alois. Jeder und jede müsse sich die Frage stellen: Bin ich bereit, meine Fähigkeiten und Kräfte für diese neuen Formen der Solidarität einzusetzen? In diesem Zusammenhang würdigte der Prior die vielen Vorschläge, die bei der einwöchigen Versammlung tausender Jugendlicher unter dem Motto "Towards a New Solidarity" in Taizé zwischen 9. und 16. August erarbeitet wurden.

Frère Alois verwies auf das Konzept von Solidarität, das für den Gründer von Taizé charakteristisch war: "Frère Roger war sich immer bewusst, dass Gemeinschaft schaffen über Grenzen heute die Herzen öffnet für das Evangelium. Damals war das ganz stark Osteuropa: Er hat die Grenzen überschritten, von denen man dachte, sie bleiben für die Ewigkeit. Er ist aufgebrochen in die südlichen Kontinente - nicht nur um zu helfen, sondern um einen gegenseitigen Austausch zu finden. Wir dürfen uns nicht nur als die Helfer darstellen. Das ist noch nicht Solidarität. Solidarität bedeutet immer eine Gemeinschaft, die in beide Richtungen geht. Und das ist ein Erbe von Frère Roger, das wir weiterführen".

Geschwisterlichkeit

Es gebe viele Zeichen der Hoffnung, so der Prior. Immer mehr lokale Initiative würden entstehen, zum Beispiel im Bereich der Flüchtlingshilfe. Frère Roger habe vom ersten Tag an in den düsteren Zeiten des Zweiten Weltkriegs in Taizé Flüchtlinge aufgenommen und sie vor dem Zugriff der Gestapo versteckt. Heute sei die Gemeinschaft glücklich, dass seit wenigen Tagen auf dem Hügel von Taizé eine Flüchtlingsfamilie aus dem Irak untergebracht werden konnte.

Ein anderes Zeichen der Hoffnung sei das wachsende Bewusstsein, "dass wir alle zu der einen menschlichen Familie gehören". Es stimme, dass es auch die Angst vor dem "Anderen", vor dem Fremden, gebe. Aber sich hinter Mauern zu isolieren sei keine Lösung zur Überwindung dieser Angst, notwendig sei vielmehr die Begegnung mit dem Unbekannten. Wörtlich sagte der Prior: "Haben die Christen nicht die Berufung, die universale Geschwisterlichkeit zu fördern?"

Umso erfreulicher sei, dass viele Menschen in unterschiedlichen Ländern in der Globalisierung eine Chance sehen, um die universale Geschwisterlichkeit zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob es nicht unabdingbar sei, "übernationale Instanzen", eine Art "universaler Autorität" zu schaffen, die Regeln festlegt, um mehr Gerechtigkeit und den Frieden zu sichern.

Für die Gemeinschaft von Taizé gehöre es zum Erbe von Frère Roger, durch das gemeinschaftliche Leben im Kleinen die Einheit der Menschheitsfamilie abzubilden. Für die Brüder sei es eine Freude, dass sie aus unterschiedlichen Ländern, von verschiedenen Kontinenten kommen.

In diesem Zusammenhang kündigte der Prior an, dass die Gemeinschaft ab September mit zwei Brüdern in Kuba, "einem sehr geliebten Land", präsent sein werde. Auf Kuba würden die Brüder einfach "das Leben der Leute teilen" und einen Ort des Gebets und der Gastfreundschaft bilden.

Im Zeichen der Barmherzigkeit

Das Programm für die nächsten drei Jahre auf dem "Pilgerweg des Vertrauens" umschrieb Frère Alois mit drei Begriffen, in denen sich für Frère Roger der Geist der Seligpreisungen der Bergpredigt spiegelte: Freude, Einfachheit, Barmherzigkeit. Das nächste Jahr werde im Zeichen der Barmherzigkeit stehen - sichtlich in Übereinstimmung mit dem von Papst Franziskus proklamierten Heiligen Jahr der Barmherzigkeit.

Der Prior von Taizé kündigte an, dass es zur Jahreswende eine europäische Begegnung auf dem "Pilgerweg des Vertrauens" im spanischen Valencia geben wird - und eine afrikanische in Cotonou in der Republique du Benin. Als besonders erfreulich bezeichnete es Frère Alois, dass auch heuer wieder - wie schon seit zehn Jahren - muslimische und christliche Jugendliche im algerischen Tlemcen eine zweiwöchige Begegnung mit den selben Themen wie in Taizé gestalten. An dieser Begegnung in Tlemcen beteiligen sich Studentinnen und Studenten aus allen Teilen Afrikas.

Am Gottesdienst in Taizé am Sonntag nahmen zahlreiche Verantwortliche aus unterschiedlichen Kirchen und Ländern teil, u.a. die Kardinäle Manuel Clemente (Lissabon) und Laurent Monsengwo Pasinya (Erzbischof von Kinshasa), der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier von Marseille, der Erzabt von Pannonhalma (Ungarn), Bischof Asztrik Varszegi, der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Pfarrer Olaf Fykse Tveit, der anglikanische Erzbischof von York, John Sentamu, der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic), der für Frankreich zuständige russisch-orthodoxe Bischof von Korsun, Nestor (Sirotenko), der altkatholische Erzbischof von Utrecht, Joris Vercammen, der deutsche evangelisch-lutherische Bischof Gothart Magaard und der Vorsitzende der Eglise de Geneve, Pastor Emmanuel Fuchs.

Diese Versammlung der tausenden von jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren von 9. bis 16. August in Taizé hatte - so das Abschlusskommunique - Gelegenheit geboten, "zu hören, was das Wort Gottes über die Geschwisterlichkeit unter den Menschen sagt".

Dies bedeute, "in der Liebe Gottes die Quelle zwischenmenschlicher Solidarität zu entdecken, den Brüdern der Gemeinschaft zu begegnen, die auf den verschiedenen Kontinenten leben, Menschen kennenzulernen, die sich auf den verschiedenen Erdteilen für Solidarität einsetzen, mit Vertretern der verschiedenen internationalen Organisationen ins Gespräch zu kommen, mit Mitarbeitern der europäischen Institutionen zu debattieren, aber auch mit Wissenschaftlern, die sich auf die eine oder andere Weise mit dem Thema Solidarität befassen, mit Vertretern christlicher Gemeinschaften, die im karitativen Bereich engagiert sind über Alternativen nachzudenken, wie sich die Gesellschaften hin zu mehr Gerechtigkeit entwickeln können, an künstlerischen Workshops mit Künstlern von den verschiedenen Kontinenten teilzunehmen, Glaubenden anderer Religionen zu begegnen und sich darauf vorzubereiten, bei sich zu Hause gegen bestehende Ungerechtigkeiten anzukämpfen".


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