Der Feldkircher Matthias Mayer hat gemeinsam mit seinen beiden Kindern Maximilian und Clara an der St. Galler Coronabibel mitgeschrieben. Diese ist noch bis Ende Jänner 2023 an den Sonntagvormittagen in der Abendmahlkapelle im Feldkircher Dom zu bewundern.

Es ist – zum Glück – schon eine Weile her, als im März 2020 der erste Corona-Lockdown weltweit beinahe alles zum Erliegen gebracht hatte. In Zeiten des Zuhause-Bleibens und der sozialen Distanzierung galt es stark und ausdauernd zu bleiben. Durchhaltevermögen war gefragt und Kreativität. Eine solche bewies auch der reformierte Pfarrer Uwe Habenicht aus St. Gallen. „Damit wir in der Zeit der Corona-Krise miteinander verbunden bleiben, schreiben Menschen aus Stadt und Region St. Gallen jeweils ein Kapitel aus der Bibel mit ihrer Handschrift ab", so die Idee des Schweizer Klerikers. Daraus entstand die St. Galler Corona-Bibel, die inzwischen der Stiftsbibliothek übergeben wurde und dort sowohl als Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit wie auch als Zeitzeugnis aufbewahrt wird.

Für jedes der 1189 Kapitel der biblischen Bücher des Alten und Neues Testament waren Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder gesucht worden, die ein Kapitel abschreiben. „So wird in dieser Krise die Bibel neu geschrieben mit unseren Fragen und Befürchtungen, aber auch mit unseren Hoffnungen und Sehnsüchten", so der Ideengeber vor gut zwei Jahren.

Mit der Bibel in Berührung

Im April 2020 wurde der Aufruf auch in Vorarlberg publik und sollte auf fruchtbaren Boden fallen. Lockdown-bedingt war der Gisinger Matthias Mayer vermehrt online unterwegs und stieß durch Zufall auf die Aktion der St. Galler Kirchengemeinden. „Ich habe mir gleich gedacht, dass das etwas für mich wäre,“ so der Zahnarzt. „Wir haben so eine schöne Bibel daheim und lesen leider viel zu wenig darin. Daher war es meine Intention, auch die Kinder etwas mehr mit der Bibel in Berührung zu bringen, und so habe ich sie motiviert, mitzumachen und ein Kapitel abzuschreiben.“

Es brauchte zwar etwas Überredungskunst, Sohn Maximilian und Tochter Clara – damals 14 bzw. 12 Jahre alt – zum Mitmachen zu bewegen, aber schließlich willigten die beiden ein. „Da wir relativ spät dazu gestoßen sind, waren die bekanntesten Kapitel schon vergeben. Das Neue Testament war beispielsweise schon weg. Online konnte aus den übriggebliebenen Kapiteln ausgewählt werden“, erinnert sich Mayer zurück.

Die Wahl fiel schließlich, auch der Länge wegen, auf Kapitel 12 des Ersten Buchs der Chronik sowie Kapitel 9, die Zerstörung der Stadt, aus dem Buch Ezechiel. „Ich hatte die beiden Kapitel noch gar nicht gekannt bzw. bewusst wahrgenommen. Es war für mich aber auch ein toller Anreiz, mich etwas genauer damit auseinanderzusetzen und das Alte Testament besser kennenzulernen. Was mich bei Ezechiel auch noch motiviert hat war, dass eine kriegerische Geschichte erzählt wurde. Da dachte ich mir, das könnte etwas für meinen Sohn sein“, schildert Mayer den Überlegungsprozess.

Ideen für die Illustration der Seiten gab es einige. „Ich habe schon immer Wert auf eine schöne Handschrift gelegt. Mein Vater, der Lehrer war und mich die ersten zwei Volksschuljahre unterrichtet hat, war diesbezüglich ein großes Vorbild für mich. Ich habe aber gemerkt, dass das bei mir doch schon 40 Jahre her ist. Ich musste mich richtig bemühen. Daher wurde schlussendlich auch „nur“ eine abgespeckte Version daraus“, so der Pfarrgemeinderat.

Meditativer Prozess

Den Prozess des Schreibens beschreibt der Mediziner als äußerst meditativ. „Man muss sich Zeit nehmen und kann richtig abschalten. Es ist etwas viel Feineres, als wenn man etwas in den Computer tippt“, schildert Mayer. Nach mehreren Anläufen und zwei bis drei Reinschriften war er mit dem Ergebnis schließlich zufrieden, und die Seiten wurden abgegeben.

Seit einigen Monaten und voraussichtlich noch bis Ende Jänner 2023 liegt eine Kopie der Corona-Bibel jeden Sonntag von 8 bis 12 Uhr in der Abendmahlkapelle im Feldkircher Dom auf. „Ich war natürlich sehr neugierig und habe im Internet schon vorab etwas hineingeschmökert. Ich bin sehr beeindruckt, was sich die Leute alles angetan haben. Es gibt tolle Gestaltungen mit wunderschönen Ornamenten. Zudem gibt es interessante Kommentare zu gewissen Bibelstellen zu lesen. Manche Kapitel wiederum sind in anderen Sprachen bzw. anderen Schriften verfasst; in Summe sehr, sehr spannend“, zeigt sich Mayer begeistert.

Freude und Stolz

Das Original hat Matthias Mayer noch nicht gesehen, dass soll aber demnächst nachgeholt werden: „Die Stiftsbibliothek in St. Gallen hat mich als Kind schon fasziniert. Ich möchte demnächst einmal vorbeigehen und mir das Original zeigen lassen.“ Dabei sollen ihn auch seine Kinder begleiten, denn „wenn sie das Ergebnis sehen, kann ich mir vorstellen, dass die Freude und der Stolz groß sein werden. Schließlich ist das Leben vergänglich und an so einem Werk für die Ewigkeit mitzumachen, war und ist etwas ganz Besonderes.“