Es ist das, was die einen Zufall und die anderen einen Glücksfall der Geschichte nennen, der das Frauenmuseum in Hittisau in den Besitz von Briefen an die Front gebracht hat – von Frauenhand geschrieben. Und diese Briefe und die Frauen und Männer dahinter werden nun durch den Tiroler Künstler Maurizio Bonato ganz neu belebt.

Es kommt nicht oft vor, dass das das Frauenmuseum sein gesamtes „Ausstellungs-Feld“ einem Künstler überlässt. Neben Dariusz Kantor, der vor rund 10 Jahren mit Fotografien von Frauen, die im Bergbau für ihren Unterhalt sorgten, das Frauenmuseum in Hittisau bespielte, ist der Innsbrucker Künstler Maurizio Bonato nun wieder eine derartige „Ausnahme“. Natürlich wirft das auch die Frage danach auf, ob es der Diskussion um Frauen-, Männer- und Geschlechterrollen dienlich ist, wenn ausgerechnet in einem Frauenmuseum ein Mann über das Wesen des Weiblichen reflektiert. Im Falle von Maurizio Bonatos „frauenzeit (donne di fronte / frauen im gegenüber)“ kann man das durchaus mit Ja beantworten. Denn Maurizio Bonato bewertet nicht. Er beobachtet, hört zu, reflektiert und kanalisiert das Gehörte und Gesehene in seinen Arbeiten.

Die Hand auf denen, die zu Hause blieben

„frauenzeit“ ist dabei ein Projekt, das den Tiroler schon seit einigen Jahren begleitet. Mehr durch Zufall fiel ihm damals ein Briefwechsel aus dem Ersten Weltkrieg in die Hände. Es schrieben die Männer von der Front und die Frauen an die Front. Frauen aus dem Dörfchen Posina an der Grenze zum Trentino. Maurizio Bonato las und wurde die Geschichten nicht mehr los. Er bemerkte, wie sich die Rolle der Schreiberinnen veränderte – von der Gattin, Hausfrau und Mutter zur Erhalterin der Familie, zur Geschäftsfrau. Und er bemerkte auch, wie die Männer selbst aus der Ferne per Brief die Hand auf den neuen Freiheiten ihrer Daheimgebliebenen hatten.

Briefe zwischen Front und Heim

Dass die Briefe überhaupt den Weg zur und von der Front fanden, grenzt dabei nicht an ein Wunder, sondern zeigt Strategie und Kalkül. Nicht unbedeutend ist nämlich die Rolle der Feldpost an sich. „Der Paket- und Briefdienst musste milliardenfach funktionieren, sonst wäre es nicht möglich gewesen, die Massenheere bei Laune zu halten. Es ging hier um die emotionale Versorgung der Truppen. Briefe waren dabei Lebensbeweise, wichtig für die Stimmungslage und sollten die Verbindung zwischen Front und Heimat aufrechterhalten“, erklärt Stefania Pitscheider-Soraperra, Direktorin der Frauenmuseums. Und sie betont auch, dass die Feldpost zwar im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg eine ganz ähnliche Funktion haben sollten und ihre Wirkung doch ganz unterschiedlich ausfiel. Während im Zweiten Weltkrieg das Regime an sich und die propagierten Rollenbilder auf eine breite Zustimmung bauen konnten und die Feldpost daher eher kriegsstabilisierend wirkte, war genau das im Ersten Weltkrieg ins Gegenteil gekippt. Die Post funktionierte schlecht. Es kam zu Versorgungssperren und je länger der Krieg dauerte, umso stärker wurde der Protest der Frauen hörbar.    

Die Spuren der Geschichte

Doch zurück zu Maiurizio Bonato und seinem „frauenzeit“-Projekt. Auf das Gelesene folgte hier für ihn der Lokalaugenschein. Er besuchte die terrassierten Hänge des Dörfchens Posina, auf denen einst die Frauen die Äcker pflügten, die heute von der Wildnis nach und nach wieder verschluckt werden. Dann begann Maurizio Bonato zu malen – und er fand Verbindungen von Landschaft und Geschichte, von Frauenleben und Topographie.

Die Briefe der Geschwister Salzmann

Ein paar Jahre später reiste Maurizio Bonato in den Bregenzerwald. Dort stieß er auf die Briefe der Schwestern Salzmann, die sie an ihren Bruder Julius an der Front schrieben. Julius starb 1942 in Russland. Die Briefe seiner Schwestern Johanna, Ida und Rosa kehrten heim. Eine Seltenheit, sind in der Regel doch die Briefe der Soldaten an ihre Lieben zu Hause deutlich besser erhalten als jene Briefe, die den Weg an die Front fanden.

Nun, was schreibt man einem Bruder, der weit weg von zu Hause an der Front zu kämpfen hat? Die Schwestern Salzmann schrieben von den Kleinen, die er sehen sollte, von Hochzeiten, die man trotzdem feierte und sie schrieben auch von den Wiesen, deren Heu schon unter Dach und Fach sei. Er, Julius, solle sich nur keine Gedanken machen. Im Dazwischen der Zeilen zeigt sich der leise Aufbruch der Frauen, die nun die Geschäfte führten. Und wieder begann Maurizio Bonato zwischen Landschaft und Geschichte malend zu vermitteln.

Im Blick fängt sich die Geschichte

Zu sehen ist dieses reizvolle Wechselspiel nun im Frauenmuseum in Hittisau. Entstanden sind imposante und berückend-berührende Gemälde, denen Bonato das lichtdurchlässige Folarex als Trägermaterial anpasst. Es sind Frauen und ihre Geschichten, denen man da von Bild zu Bild begegnet, in ihrem Blick fängt sich das Erlebte. So werden sie zum Gegenüber ihrer Besucher, die sich beim Brückenschlag zwischen alten und neuen Rollen und Aufgaben ertappt.

In Briefen aufgelesen

Besonders reizvoll ist aber auch der Nebenschauplatz der großen Schau. Ist man nämlich ganz hinten im Ausstellungsraum angelangt, kommt zum Sehen das Hören hinzu. 30 Briefe der Schwestern Salzmann wurden nämlich, gelesen von Evelyne Fuchs, vertont. Das lässt die Frauen und ihre Geschichten noch greifbarer werden.

Mit „frauenzeit (donne di fronte / frauen im gegenüber)“ schlägt man im Frauenmuseum Hittisau ein sehr selten besuchtes Kapitel der Geschichte auf: das der Feldpost, von Frauenhand geschrieben. Das allein macht die Schau schon sehenswert. Die Kombination aber zwischen sehen, hören und erleben macht sie einfach nur bemerkenswert.

Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau

„frauenzeit (donne di fronte/ frauen im gegenüber)“
bis 10. März im Frauenmuseum in Hittisau zu sehen.
Öffnungszeiten: Mi 14-17 und Do-So 10-17 Uhr.
www.frauenmuseum.at

Termin-Tipp

Am 21. Jänner 2019 um 18 Uhr findet zusätzlich eine Dialogführung durch die Ausstellung mit dem Künstler Maurizio Bonato und der vai-Direktorin Verena Konrad statt.