300 Euro einfach in den Müll werfen? Was bei den „grünen Scheinen“ undenkbar erscheint, landet in Österreichs Haushalten in Form von genießbaren Lebensmitteln jährlich in der Tonne.

Simone Rinner

157.000 Tonnen. So viel Lebensmittel werfen Frau und Herr Österreicher jedes Jahr weg, obwohl sie noch genießbar wären. Teilweise sogar originalverpackt. Gründe gibt es dafür scheinbar viele: eine faule Stelle bei Obst oder Gemüse, dank der Rabattaktion zu viel eingekauft oder das Mindesthaltbarkeitsdatum etwas überschritten. „Jedes achte Lebensmittel, das wir kaufen, werfen wir weg“, betont Elmar Stüttler und erzählt beim Forum Batschuns, wie er mit „Tischlein deck dich“ gleich zwei Probleme löst.

Von München nach Vorarlberg

Die Geschichte hinter „Tischlein deck dich Vorarlberg“ im Schnelldurchlauf: Als das Ehepaar Stüttler 2004 im Radio von der Münchner Tafel hört und die Lebensmittelausgabe mit eigenen Augen sieht, ist für sie klar: Das wollen wir auch in Vorarlberg. „Ein Prozent helfen ist schließlich mehr als 99% Mitleid“, stellt Stüttler klar. In seinem Leben als Tischler habe er früher zwar gut verdient, Depressionen und die Frage nach dem Sinn führten ihn aber zu der Erkenntnis, dass er etwas ändern müsse, erinnert er sich. Nach seiner Ausbildung und Weihe zum Diakon 2000 gründet er 2005 „Tischlein deck dich“. 16 Jahre sind seither vergangen - „ohne Urlaub, nur in der Pandemie haben wir kurz pausiert und auf Zustellung umgestellt“, so Stüttler.

30 Tonnen pro Woche

Über 300 Ehrenamtliche, sieben Hauptamtliche, drei Zivildiener und 11 Autos zählen bislang zur „Tischlein deck dich“- Familie, die jede Woche rund 30 Tonnen Lebensmittel vor der Tonne retten und sie denen gibt, die sonst zu wenig zum Leben hätten. „Verteilen statt vernichten“ lautet das Motto und deshalb werden Lebensmittel, die nicht mehr essbar sind, an Bauern verteilt oder zur Energiegewinnung verwendet. In einem kurzen Film zeigt Stüttler den Weg der geretteten Waren - von den 180 Geschäften, die den Verein unterstützen, über die Sortierung und Zwischenlagerung in Vandans bis hin zu den fünf Ausgabestellen in ganz Vorarlberg. Wem weniger als 650 Euro für Essen und Kleidung zur Verfügung stehen, hat Anrecht auf eine Berechtigungskarte und kann damit bei „Tischlein deck dich“ einkaufen. „Erwachsene zahlen für die Lebensmittel pro Woche einen Euro, Kinder 50 Cent, denn wenn etwas gratis ist, ist es nichts wert“, erzählt der Diakon. Im Gegenzug erhalten die Bedürftigen Ware im Wert von bis zu 150 Euro. Das sind ca. acht bis zehn Kilo pro Person. Die Verteilung erfolgt nach einem ausgeklügelten System, das Missbrauch und ungerechter Verteilung vorbeugen soll.

Was wiegt mehr?

Auch Niklas Sutter ist Lebensmittelverschwendung ein Dorn im Auge, insbesondere, weil er als Landesobmann-Stellvertreter der Landjugend Jungbauernschaft Vorarlberg weiß, wie viel Arbeit hinter regionalen Lebensmitteln steckt. Zwei Wochen standen deshalb an Ostern 20 Waagen in Vorarlberg, die zeigen sollten, dass Lebensmittel mehr wiegen als die Mülltonne, in der sie oft landen. Denn klar ist: „Unsere Lebensmittel gehören wertgeschätzt“, so Sutter.

Green Champions

Eine Erkenntnis, die bei der Handelskette Spar zu einem neuen Pilotprojekt geführt hat, das in Vorarlberg 2022 startet. „Green Champions“ heißt die Nachhaltigkeitsausbildung für Lehrlinge, die in Kooperation mit WWF Österreich das Bewusstsein für Lebensmittel und deren Produktion schärfen soll. Denn in einem sind sich die Referenten des Forums Batschuns einig: Wenn man der Jugend zeigt, warum sie etwas tun, tut sich viel in den jungen Köpfen. Das nächste Forum findet übrigens im Oktober statt - wir bleiben dran.