Viel Schnee vereitelt dieses Jahr die sonst üblichen Proteste rund um das Weltwirtschaftsforum in Davos. Die mahnenden Worte Papst Franziskus' an die Entscheidungsträger erscheinen darum wichtiger denn je.

Es gehört – wie die G8- oder G20-Gipfel – zu den umstrittenen Terminen im Kalender der Welt: Das Weltwirtschaftsforum in Davos. Seit 1971 treffen sich zu Jahresbeginn internationale Wirtschaftsexperten, Politiker, Intellektuelle und Journalisten, um über drängende Fragen der Gegenwart zu diskutieren – nicht selten unter lautstarkem Protest derer, die nicht mit am Tisch sitzen: Umweltaktivisten, Menschenrechtler, Gewerkschaften.

Bisher sah es so aus, als könne man heuer in aller Ruhe tagen, seit die Gemeinde Davos die zuvor angekündigten Proteste von linken Gruppierungen wegen „zu viel Schnee“ untersagt hatte. Ein Brief kam allerdings durch:

Ins Gewissen geredet

Papst Franziskus nutzte ihn, um zum Auftakt am Dienstag sehr offene und sehr direkte Worte an die rund 3.000 Forumsteilnehmer zu richten– unter ihnen etwa 70 Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump, der französische Staatschef Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel und hunderte Vorstandsvorsitzende globaler Konzerne: Menschen drohten „zu bloßen Zahnrädern im Getriebe einer Maschinerie zu werden, die sie als bloße Konsumgüter behandelt“, schrieb Franziskus an Klaus Schwab, den Gründer und Präsidenten des Weltwirtschaftsforums. Sobald diese Menschen für die Maschinerie nicht mehr nützlich erschienen, würden sie „skrupellos entsorgt“.

„Es ist eine moralische Pflicht, eine Verantwortung für jedermann, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen, damit jede menschliche Person in Würde leben kann“, mahnte der Papst. Wenn sie sich der Gleichgültigkeit und „Wegwerfkultur“ widersetze, hätte die Unternehmerschaft enorme Macht, wirksam etwas zu verändern. Sie könne die Produktivität erhöhen, neue Arbeitsplätze schaffen, Arbeitsschutzgesetze zu beachten, gegen Korruption zu kämpfen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Bitte handeln Sie JETZT!

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, schlägt ähnliche Töne an: Sie forderte von den Verantwortlichen der Welt, jetzt zu handeln, wo es der Wirtschaft gut gehe.

Denn die Wirtschaft boomt zwar weltweit, profitieren würden davon jedoch nur die wenigsten: Gewerkschaften und Hilfsorganisationen hatten zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass das Wachstum zuletzt vor allem den ohnehin schon Reichen zugutegekommen sei. „Das Problem ist nicht die Generierung des Vermögens, sondern seine Verteilung“, sagte Philip Jennings, Chef des Gewerkschafts-Dachverbands UNI Global Union am Montag in Davos.

Peter Kodwo Appiah, Präfekt des vatikanischen Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, beim Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos. Foto: World Economic Forum / Greg BeadlePeter Kodwo Appiah Turkson, Foto: World Economic Forum / Greg Beadle

„Wenn wir eine sichere Zukunft erreichen wollen, die den Wohlstand aller zum Ziel hat, dann ist es notwendig, den moralischen Kompass immer auf Norden auszurichten“, hieß es in dem Schreiben, das Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson, Präfekt des vatikanischen Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, am Montagabend vor Konzernchefs und Spitzenpolitikern in Davos verlas.

Quelle: kathpress.at / religion.orf.at / zeit.de / red