Wo ist der Platz der Kirche, wenn rechtspopulistische Strömungen in Europa wieder stärker werden? Ingeborg Gabriel, Sozialethikerin an der Universität Wien und OSZE-Sonderbeauftragte für den Kampf gegen Rassismus, setzt auf das Einfordern ethischer Leitlinien und das Aufzeigen moralischer Grenzen.

Die katholische Kirche hat die Pflicht, gegen den "in höchstem Maße beunruhigenden" europaweit aufkommenden Rechtspopulismus bzw. neuen Nationalismus aufzutreten - und sie hat auch durchaus Möglichkeiten dazu. Nicht mehr und nicht weniger stellt die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel fest. Dazu müsse u. a. das Thema Gerechtigkeit forciert und der interreligiöse Dialog wie auch die nationale Versöhnung gefördert werden. 

Nicht vereinnahmen lassen

Sich klar gegen den stets ausgrenzungsbereiten Rechtspopulismus zu positionieren ist laut Gabriel für die Kirche gerade deshalb so wichtig, da rechtspopulistische Parteien "kirchliche Gruppen aktiv umwerben". Ohne politische Entwicklungen wie in Ungarn oder Polen ausdrücklich zu nennen, hielt die Vizepräsidentin von "Iustitia et Pax"-Europa fest, dass "kulturelle und je nach Land unterschiedlich starke christliche Identitäten durchgängig für rechtspopulistische Agenden vereinnahmt" werden.

Warum? Weil sich rechtspopulistische Gruppierungen meist als soziale Partei der "Zu-Kurz-Gekommenen" inszenierten. Hier sehe sie, so Gabriel, die Kirche in der Rolle jener, die jetzt Gerechtigkeits- und Gemeinwohlfragen noch viel stärker thematisieren und damit die Diskussion um Solidarität auf breiter Basis anstoßen könnte. Der Zeitpunkt dafür - und auch für eine stärkere, europaweite Vernetzung sei jetzt gekommen.

Das Fundament bröckelt

Dass derzeit gerade in Europa vielerorts nationalistische Gedanken wieder Hochkonjunktur hätten, zeige auch, so Gabriel, dass historische "Altlasten" nie ganz und ein für allemal als aufgearbeitet abgehakt werden dürften.

Den Kirchen, denn Gabriel betont in diesem Zusammenhang vor allem den multikulturellen und interreligiösen Dialog, haben beinahe die Pflicht, über das moralische Fundament der Gesellschaften aufzuklären. Moralische Einstellungen und Werte seien für das soziale Zusammenleben wie für das Funktionieren politischer und wirtschaftlicher Institutionen unabdingbar. Die Kirchen müssten sich hier als Gegengewicht zu einem "Politikstil, der Fakten und Realitäten, Wahrheit und Lüge, je nach Bedarf benützt", verstehen. Hier ethische Leitlinien einzumahnen und moralische Grenzen aufzuzeigen, sei ein wichtiger Beitrag, den die Kirchen zur Stabilisierung der gesamten Gesellschaft leisten können.

Können wir vermitteln?

Denn was zeichnet die Positionen der Kirchen in dieser Diskussion aus? Die Kirchen sollen Orte der Vermittlung und Versöhnung sein, so Ingeborg Gabriel, denn "ihr kulturelles und religiöses Wissen prädestiniert sie dafür, da säkularen Akteuren vielfach ein grundlegendes Verständnis für Religionen und ihre Argumentationsweisen mangelt." Das alles setze aber den interreligiösen Dialog voraus. Deshalb: reden wir miteinander. (kathpress / red)

 (Quelle http://blog.ksoe.at/rechtspopulismus-und-neuer-nationalismus)